Tanz der Rüstungen

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Es wird für mich immer schwerer die Schultage zu bewältigen, vor allem jetzt, wo wir in Zauberstabkunde das fertige Design für den Zauberstab abliefern und in sämtlichen Fächern Aufsätze schreiben müssen. Ich schlafe katastrophal. Denn jedes Mal, wenn mein Geist in den Schlaf abdriftet tauchen die Bilder von leblosen Menschen vor mir auf. Dafür lerne ich so gut wie die gesamte Nacht, doch auch der Liter Kaffee, den ich mir morgens zuführe bringt nichts mehr. Ich bin einfach zu müde. Schon des Öfteren bin ich im Unterricht eingenickt und zweimal habe ich schon von McGonagall Nachsitzen aufgebrummt bekommen. Ich starre gerade auf den leeren Boden meiner Kaffeetasse (es ist gerade mal halb eins) als Mena mich anstupst. „Hm?", ich schrecke hoch. „Emmi, nicht schlafen", meint Marl und fügt hinzu, „heute Abend geht wieder mal eine Rumtreiberaktion los." Ein Streich? Wirklich? Obwohl, wir waren schon viel, viel zu lange brav. Doch ist das nicht aus dem Kontext gerissen? Das ganze Schloss leidet. Mena seufzt und meint: „Es ist kein „böser" Streich oder so- es ist einfach nur, dass alle mal wieder was zum Grinsen haben." „Ok", nicke ich und gähne herzhaft. „Also um halb eins im Gemeinschaftsraum", lächelt sie verschwörerisch. Ich nicke.

Diese Nacht ist die erste, in der ich mich wieder etwas normaler fühle. Ich schleiche mit Remus und Peter in den Schatten der Korridore entlang, die Karte des Rumtreibers in der Hand, um sicher zu stellen, dass wir nicht gleich einem Auroren in die Arme laufen. James, Sirius und Marl haben den Tarnumhang und kümmern sich um den Rest des Schlosses. Ich muss grinsen, als ich meinen Zauberstab auf eine Rüstung richte und eine Beschwörung murmle. Wir arbeiten uns stetig voran und nach fast zwei Stunden treffen wir wieder im Geheimgang neben der Großen Halle aufeinander. „Hat alles geklappt?", will Tatze leise wissen, als sein Gesicht auf einmal aus dem Nichts erscheint. Moony streckt den Daumen in die Höhe. Ganz, ganz leise huschen wir zu den anderen unter den Tarnumhang. „James, duck dich", wispert Marl, „man sieht deine Schuhe. Wachs doch ein bisschen weniger." Der schwarzhaarige tut, wie ihm geheißen. „Und Remus zieh deinen Arm ein", murmelt Pete noch. Dann betreten wir den Leeren Korridor. So leise wie nur irgendwie möglich schleichen wir an dem alten Zauberer vorbei, der gerade Wache steht. Er scheint seine Augen kaum noch offen halten zu können. Ich halte den Atem an, als wir so nah an ihm vorbeigehen, dass ich ihn hätte berühren können, würde ich die Hand ausstrecken. Sirius öffnet mit einem gehauchten „Alohomora", die Türe, die, wie durch einen Windstoß getrieben, lautlos ein Stück aufschwingt. Wir huschen hindurch, kurz bevor der alte Zauberer etwas von blöden Geistern murmelt und sie wieder hinter uns schließt. Wir grinsen uns an. „Los geht's", murmelt Remus mit einem Grinsen und wir machen uns an die Arbeit. Wir schwingen unsere Zauberstäbe und als wir endlich fertig sind, betrachten ich zufrieden unser Werk. Ich kann morgen nicht erwarten.

Schnell sind wir durch eine andere Tür zurück gehuscht und haben es heil durch das Portraitloch und in unsere Schlafsäle geschafft. Zum ersten Mal seit geraumer Zeit fallen meine Augen zu und ich versinke in einen traumlosen Schlaf.

Am nächsten Morgen erwache ich so ausgeruht, wie noch nie. Voller Elan und Energie schlage ich die Decke beiseite und schüttle Mena aus dem Schlaf. Verschlafen sieht sie mich an, wie ich auf sie hinunter grinse. „Mena, wach auf!" „Mag aber noch schlafen, Emmi", nuschelt sie, doch ich ziehe ihr den Polster weg, sodass sie gespielt genervt grummelt und sie aufrichtet. Sie scheint sich an unseren Streich zu erinnern, also springt sie auf und in Windeseile haben wir uns fertiggemacht und laufen in den Gemeinschaftsraum. Die, vollkommen verschlafenen Rumtreiber sehen zu uns. „Wieso ist Emmi eigentlich als einzige ausgeschlafen?", fragt Peter mit einem Gähnen. „Bin eben besonders", meine ich mit einem schiefen Grinsen. Vielleicht weil ich sonst nie schlafe? , meint die zynische Stimme in meinem Kopf, doch ich hüte mich davor es auszusprechen. Wir heften uns an eine gruppe Drittklässlerinnen, die gerade mit einem Auror zum Frühstück aufbrechen. Ich muss mein schelmisches, aufgeregtes Grinsen verbergen, doch als eine der Rüstungen „Guten Morgen Schönheiten, stets zu Ihren Diensten!", ruft und den zwei Mädchen eine Kusshand zu wirft, kann ich es nicht länger zurückhalten. Auch wenn sie zuerst etwas erschrocken dreinschauen, fangen sie dann an zu kichern. Aus dem folgenden Korridor schallt uns bereits der neue Song der Schicksalsschwestern entgegen. Wir lugen um die Ecke und das dritte Mädchen im Bunde, das bis jetzt geschwiegen hat, beginnt zu lachen, als sie die beiden Boogie tanzenden Rüstungen erblickt. „Das geht schon den ganzen Morgen so", grummelt der Auror, doch ein Lächeln umspielt seine Mundwinkel. Es sind die Bilder von den opulenten Damen in Reifröcken und Zauberern in Strumpfhosen und Spitzenkragen, die die Töne schmettern, als gäbe es kein Morgen. Auch wenn wir noch gerne stehen geblieben wären, scheucht uns unser Begleiter weiter, denn „er hat ja nicht den ganzen Tag Zeit!".

Wir sind kurz vor der Großen Halle als ihn auf einmal jemand am Arm packt. Er fährt mit erhobenem Zauberstab herum. „Sir, ich muss Ihnen sagen, Ihr Umhang steht Ihnen ausgesprochen gut!" Eine Rüstung mit einem roten Federbausch am Kopf nickt ihm anerkennend zu. „Danke", meint dieses verdattert und auf seine Wangen schleicht sich eine zaghafte Röte. Mena kichert fröhlich und Peter hüstelt, um sein Lachen zu verbergen. Dann reißt sich der Auror von der Rüstung los, die salutiert und schiebt uns vor sich hin murmelnd weiter. „Umhang steht mir gut.. pfft... wenn der wüsste, wie lang ich den schon hab... naja, hab ihn halt gut gepflegt." Die Tür zur großen Halle schwingt auf und dem eigentlich stillen Mädchen von vorhin entfährt ein staunendes „oh!" Die Halle ist in warmes Licht getaucht und der Geruch von Wiesenblumen und Wiese selbst kitzelt mich in der Nase. Der Boden ist von weichem, sattgrünem Gras bedeckt, das von Tupfen lilaner, roter und gelber Blüten geschmückt wird. Die Haustische sind verschwunden und an ihrer statt liegen Picknickdecken in den Hausfarben auf dem Rasen. Es ist warm und das Rascheln der Baumkronen und das Vogelgezwitscher von draußen schwebt durch die geöffneten Fenster hinein. Feen schwirren mit ihren schillernden Flügeln umher, schwerbeladen mit Kannen voller Orangensaft und Kaffee, mit denen sie den Schülern die Becher füllen. Es riecht nach Toast und Spiegeleiern und mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Nun muss auch unser semigrimmiger Begleiter schmunzeln und meint: „Na dann, lasst Euch euer Frühstück schmecken." „Danke!", das lassen wir uns nicht zweimal sagen und ganz flink haben wir eine Picknickdecke reserviert. Eine Fee mit perlmuttfarbenen Flügeln brabbelt etwas als sie mir Kaffee einschenkt, dann schwirrt sie zu einer anderen mit silbrig blauen, die Marl Tee eingießt. Ich grinse und nehme mir einen Bagel mit Spiegelei und Schinken und schließlich sitze ich mit meinen Freunden scherzend, ausgeschlafen und zufrieden im Gras und über uns jagt eine weiße Wolke die nächste über den Himmel.

Tollkirsche- Schwarz wie die VerzweiflungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt