Der erste September. Der Anfang eines neuen Jahres. Ich atme tief der Geruch des altvertrauten Hogwartsexpresses ein. Den Geruch von Rauch und Herbst. Schüler lachen um uns herum, rufen über Eulengeschrei hinweg und versuchen sich selbst zu übertönen. Mein Koffer ist schon in dem Abteil, in unserem Abteil, dem Rumtreiberabteil. „Yang!", ruft jemand. Yang, das bin ich. Weil meine Animagusgestalt, ein Eisbär, so weiß und schwarz ist wie das Yang von Yin Yang. Ich drehe mich um. James winkt mir zu. Ich winke zurück, ein Grinsen ziert mein Gesicht. Er formt mit den Händen einen Trichter und ruft: „Kommst du?" „Gleich!", antworte ich. Ich wende mich zu dem Jungen an meiner Seite. Toby. Seine grünen Augen blicken mich liebevoll, wenn auch traurig, an, seine Lippen ziert ein kleines Lächeln. Meine Finger fahren über seine Wange, streifen die Strähnen dunklen Haares, die ihm ins Gesicht hängen. Ich atme zittrig ein. „Das ist es dann wohl.", flüstere ich. Er nickt, greift nach meiner Hand und verflechtet seine Finger mit den meinen. „Nur bis Weihnachten", versucht er mich, wie auch sich zu beschwichtigen. Ich nicke, der Kloß in meinem Hals wird größer. „Nur bis Weihnachten", wiederhole ich. Er zieht mein Gesicht zu sich und küsst mich leidenschaftlich. Für einen Moment verschwindet all das Geschrei um mich herum, all der Qualm. Es ist, als bliebe die Zeit stehen, für einen winzigen Moment. Meine Brust schwillt vor Glück an, mein Herz rast, Blubberblasen blubbern in meinem Bauch auf und ab. Nach einer Ewigkeit lösen sich seine weichen Lippen von meinen und ich öffne meine Augen, nur um in seinen hängen zu bleiben. Sie glitzern feucht, sowie vermutlich die meinen auch. Er schluckt und flüstert heiser: „Ich liebe dich." Ich schniefe und bringe hervor: „Ich liebe dich." Sein Gesicht wird von einem großen Grinsen erhellt (Sirius-Grinser lässt grüßen) als er mich auf die Nasenspitze küsst.
„YANG!", schreit jemand. Mena. Ich löse mich endgültig von ihm. „ICH KOMM SCHON, YIN!", schreie ich zurück. „Na dann." „Pass auf dich auf, Ems. Ich schreib dir, jede Woche. Mindestens drei bis sieben Mal. Und- und grüß Flitwick von mir. Und Ems?" „Jah?", frage ich leicht lachend. „Ich liebe dich." „Ich liebe dich", antworte ich, küsse ihn flüchtig und laufe zu Marl und James, steige ein. Die Türen schließen sich. Ein lautes Pfeifen signalisiert die Abfahrt. Lautes Abschiedsgerufe, das gleichmäßige Klackern des Zuges füllt meine Ohren. Langsam setzt er sich in Bewegung. Toby läuft neben ihm her. „Ich hoffe, ihr bekommt das mit dem Nudeln kochen hin! Ich kann euch jetzt nicht mehr helfen!", schreie ich vergnügt. Er beginnt zu lachen. „Keine Sorge, es gibt Hauselfen! Bis bald, Ems!" Nun muss er laufen, um Schritt zu halten. „Bis bald, Toby!" Und da wird der Zug zu schnell und lässt Kings Cross, sowie bald auch London hinter sich.
In unserem Rumtreiberabteil, das letzte im ganzen Zug, ist das Chaos hereingebrochen, nachdem irgendjemand seinen Zauberstab verlegt hat, ich vermute es war Peter, und nun versucht Mena die Zauberkunsthausaufgabe fertig zu kritzeln. Ich stutze: „Warte mal, wir hatten Hausübung in Zauberkunst?" Sie nickt. „Einen Aufsatz über die Wirkung von Reperaturzaubern bei starken magischen Artefakten." „Scheiße", sage ich und suche hektisch nach meinem Federkiel, Tinte und Pergament. „Ich geh ins Vertrauensschülerabteil!", ruft Remus dazwischen. Abwesend winke ich ihm und schraube konzentriert mein Tintenfass auf. „Wo ist Moonys Aufsatz?", will ich wissen, sobald jener das Abteil verlassen hat. Das wird ja wohl nicht allzu viel sein. Tatze kramt in dessen Tasche herum. „Hier", triumphierend hält er ihn mir entgegen. „Danke Tatze", grinse ich erleichtert und fege mit einer Handbewegung mein Tintenfass zu Boden. „Merlins heilige Kloschüssel!", fluche ich. James lacht und Peter sucht nach einem Taschentuch. Wir kommen zurück und das Chaos kann beginnen.
Nach einer Weile haben wir es geschafft den anfänglichen Stress hinter uns zu lassen und Yin und ich haben unsere Aufsätze fertig. Remus ist von dem Vertrauensschülertreffen zurück und jetzt diskutieren wir über die Quidditchliga und Sirius betreibt Schleichwerbung für die neue Nimbus Zubehör Serie. Ich rolle mit den Augen und sehe aus dem Fenster. Die Landschaft zieht in dunklem, satten Grün an uns vorbei. Ich weiß, dass wir weiter nach Norden fahren. Die Umgebung wird immer wilder, voll unbändiger Schönheit. Ich wende mich zurück zu meinen Freunden. Sirius wirkt so gelassen wie noch nie nach den Ferien, seine spektakuläre Flucht haben wir aber nicht annähernd so detailreich besprochen, wie den Ärger, den die beiden Idioten Clarie schon bereitet haben. James wirkt so fit und ausgeruht wie immer. Die schwarzen Haare stehen unbändig in alle Richtungen ab, wobei es natürlich seehr hilfreich ist (hust*nicht*hust), dass er andauernd durch jene fährt. Remus' grünblaue Augen glitzern fröhlich, als er einen Schokofrosch auspackt. Seine Haare haben die Farbe von hellem Blütenhonig und Karamell, die Sonne hat sie ausgeblichen. Peter grinst vor sich hin, Mena versucht Sirius ihre selbstgebastelte, pink gefärbte Papierkrone aufzusetzen. Sommer glitzert in unseren Augen, er leuchtet in unseren Seelen.
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Tollkirsche- Schwarz wie die Verzweiflung
Fanfic| Fortsetzung von Glücksklee | | 3. Teil der Karneolreihe | (siehe Klatschmohn/Klatschmohnroter Sommer) Der Krieg ist gekommen, das kann niemand mehr bestreiten. Die Dunkelheit hat sich über unsere Welt erhoben. Die Grenze zwischen Gut und Böse wird...