Die Schönheit

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Das Gras ist weich und gibt nach als ich mich auf ihm niederlasse. Es leistet keinen Wiederstand, nimmt mich einfach so auf wie ich bin und schenkt mir für einen kleinen Moment Geborgenheit.

Ich bin ganz still, lausche dem rascheln des Grases unter mir. Es bewegt sich kaum merklich unter der Last des Windes. Das Gras gibt nicht nach. Es lässt den Wind nicht zu sich durchdringen, doch mich schon, mich lässt es hier bleiben. Und es beklagt sich nicht.

Die Wolken über mir ziehen vorbei. Ganz langsam. Immer darauf bedacht mir erst ihre Schönheit zu präsentieren. Sie haben Formen unterschiedlichster Maße. Eine sieht aus wie eine Ente. Eine kleine, unschuldige Ente. Eine andere sieht aus wie eine Silhouette eines Mädchens. Es ist ein kleines Mädchen, ebenso unschuldig wie die Ente. Sie bleiben einen Moment und ziehen dann weiter. Ganz ruhig und ohne die ständige Hektik.

Ich genieße den Duft der Blüten, die in der Erde wachsen. Sie riechen nach einem Leben, das gelebt werden will, nach einem Duft, bei dem niemand die Nase verzieht. Ich rieche nicht die grässlichen Abgase, der Autos oder das verfaulte Leben der Erde. Allein die Blüten scheinen für diesen Moment in der Luft zu liegen.

Es ist als würde mein Leben mir zeigen, dass noch nicht alles verloren ist, dass es immer noch Hoffnung gibt, doch ich traue dieser Fassade nicht. Kaum dreht man sich um steht alles in Flammen und auch die Erinnerung wird nach und nach ausgelöscht. Und selbst wenn die Erinnerung erhalten bleibt gewinnt die Dunkelheit, denn sie holt uns immer ein.

Ich fühle für einen Moment nur das Gras unter mir, das meine Haut leicht kitzelt, mir aber nicht weh tut. Es krallt sich nicht in meine Haut wie die Last, die ich immer mit mir trage. Kein Problem scheint zu mir durchzudringen, denn das grüne Gras hält besser als jede andere Mauer, die ich je um mich errichtete. Ich danke ihm im stillen dafür.

Mein Herz schlägt. Ganz regelmäßig und doch so unglaublich laut in dieser Stille. Es pocht und pocht, schlägt schnell, schlägt langsam und setzt einen Moment aus.

Ich erkenne den Mond. Ganz unscheinbar und blass thront er am Horizont. Auch er lässt sich trotz der strahlenden Sonne nicht vertreiben.

Und ich ersticke, ersticke an der Schönheit, die sich so falsch vor und um mich herum aufbaute. Auch sie verebbt. So falsch wie sie sich erbaute holt sie mich nun zurück und ich bewahre ihr Geheimnis. Das Geheimnis, das die Schönheit immer mit sich trägt.

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