Das kalte Wasser des Silberflusses umspielte wild die Füße des Jungen. Er hielt sie ins Wasser um sie zu kühlen, denn vom vielen Laufen waren sie rot und mit Blasen bedeckt. Das Wasser war eine große Wohltat. Langsam gewöhnte sich Scill an die Kälte und entspannte sich. Tief atmete er ein und aus. Sein Pulsschlag beruhigte sich mit jeder Sekunde, die er dort saß. Plötzlich landete ein riesiger Bergdrache vor ihm. Angst flackerte in ihm auf. Hektisch schaute er sich um, doch Silberflügel war nirgends zu sehen. „Verdammt! Immer wenn man ihn mal braucht, ist dieser dämliche Drache nicht da." Zischte Scill. Seine Angst war weg. Er schloss die Augen und konzentrierte sich auf den Geist seines Drachen. Er suchte die Umgebung ab, doch Silberflügel war nicht in der Nähe. Ein Schrecken einflößendes Gebrüll riss Scill in die Realität zurück. Der Bergdrache hatte keine Lust zu warten bis er Silberflügel gefunden hatte. Flink wie ein Gepard sprang plötzlich eine, von einem langen schwarzen Mantel umhüllte Gestalt aus dem Blätterdach der großen Eiche, welche am Flussufer stand. Sie landete vor dem Drachen und richtete sich langsam, bedrohlich auf. „Was willst du hier?" fragte sie Scill kalt.
„Von Euch will ich nichts."
„Angst?" Fragte der Fremde spöttisch.
„Niemals." Rief Scill empört.
„Gut, aber beantworte endlich meine Frage: was willst du hier?"
„Ich warte auf jemanden." Die Antwort kam zu schnell um glaubwürdig zu klingen.
„Ah, auf wen?"
„Das ist meine Angelegenheit."
„Sicher?" Fragte die Gestalt boshaft grinsend.
„Ja! Wer bist du überhaupt? Und was willst du von mir?"
„Ich hatte Lust auf einen kleinen Kampf unter Trainern, du hast doch einen Drachen?"
Scill nickte zur Antwort. „Wer ich bin willst du wissen?" Fragte der Fremde „Hmh man nennt mich Xotyk, vielleicht hast du schon mal von mir gehört."
„Nein..." Scill runzelte die Stirn.
„Nun was soll's... Ruf deinen Drachen!"
Wieder ließ Scill seinen Geist schweifen und suchte Silberflügel. Es dauerte diesmal nicht lange bis er ihn gefunden hatte. Silberflügel war nicht mehr weit entfernt. Scill errichtete die Gedankenverbindung und fragte Silberflügel „Hast du Lust auf einen Kampf? Hier wartet ein Gegner auf dich." Er spürte wie Silberflügel die Richtung änderte und auf ihn zuflog. Nachdem Scill die Gedankenverbindung abgebrochen hatte sagte er zu der Gestalt: „Mein Drache kommt gleich, aber bevor ich gegen dich kämpfe möchte ich dein Gesicht sehen."
„Warum das?"
„Ich will wissen gegen wen ich kämpfe."
Der Fremde nahm langsam die Kapuze ab. Neugierig musterte Scill dessen Gesicht. Es war hübsch. Das Kinn war spitz. Er hatte schmale Lippen und dunkelgraue Augen, glatte Haut, außer am Kinn dort wuchsen einige Bartstoppeln. Die Haare reichten ihm auf dem Rücken fast bis unter die Achseln, er hatte sie locker zusammengebunden. Einige Strähnen waren zu kurz und fielen ihm wild ins Gesicht. In der Sonne schimmerten die Haare dunkelblau, doch im Schatten waren sie schwarz wie die Nacht. Er schätzte den Mann auf Ende zwanzig.
Scill hörte Flügelschläge. Er schaute gen Himmel und sah Silberflügel, dieser flog über ihm und landete dann elegant. Scill errichtete die Gedankenverbindung. Als Zeichen dafür, dass er und Silberflügel bereit waren legte er die linke Hand auf die rechte Schulter.
Xotyk gab kurz darauf das gleiche Zeichen und der Kampf konnte beginnen. Scill erteilte Silberflügel die ersten Befehle: „Warte auf die richtige Gelegenheit und lass dich nicht von den Gefühlen, die du spürst, ablenken. Vertraue auf das was ich sage." Als Antwort überflutete ihn eine warme Woge voll Vertrauen, die von Silberflügel ausging.
Der Bergdrache kam ein paar Schritte näher, Silberflügel beobachtete jede seiner Bewegungen. Blitzartig schoss der Bergdrache nach vorne. Silberflügel wich geschickt aus.
"Zum Angriff!" Schrie Scill in Gedanken. Silberflügel gehorchte sofort. Er ging etwas auf seinen Gegner zu, holte schnell aus und verpasste ihm geschickt einen Hieb gegen die Schläfe. Xotyk, der die Gedankenverbindung mit dem Bergdrachen errichtet hatte, zuckte vor Schmerzen zusammen. Er spürte den Hieb als hätte er ihn selbst abbekommen. Dem Bergdrachen floss etwas rotes Drachenblut über die Wange hinab und tropfte auf den Boden. Er riss das Maul weit auf und stieß schwarzen Rauch aus seinen Nasenlöchern. Versteckt hinter dem Qualm schlich er sich an Silberflügel heran und attackierte ihn, doch es gelang dem Silbernen den hinterlistigen Schlägen auszuweichen. Jetzt riss auch er sein Maul auf und blies den beißenden Rauch beiseite. Als er den fremden Drachen wieder sehen konnte stieß er sich ab und stürzte sich mit weit geöffnetem Maul auf seinen Gegner. Seine Zähne rissen die Haut auf. Blut benetzte die Schuppen des Bergdrachen und er brüllte markerschütternd auf. Erschrocken fuhr Scill zusammen. Er hatte nur kurz Angst verspürt und doch ging diese Angst augenblicklich auf Silberflügel über. Er wurde wild, unglaublich wild. Scill versuchte mit ihm zu kommunizieren, doch in Silberflügels Geist traf er auf nichts anderes als Wut und Raserei. „Beruhig dich, bitte! Der Drache kann uns nichts machen, solange du ruhig bist. Mach keine Dummheiten. Beruhig dich bevor du ihn angreifst. Er ist kein Gegner für dich, aber nur wenn du klar denkst und nicht überstürzt handelst." Doch Silberflügel wollte sich nicht beruhigen. "Verdammt! Beruhig dich er kann uns nichts machen und deshalb brauche ich auch keine Angst vor ihm zu haben. Du musst mich nicht vor ihm beschützen, er wird mir nichts tun." Schrie Scill. Panik schwang in seinen Gefühlen mit. Wenn Silberflügel unbedacht angriff würde er vielleicht stark verletzt werden und Scill würde ebenfalls Schmerzen erleiden. Immer noch fuchsteufelswild rannte Silberflügel mit unglaublich viel Kraft und Geschwindigkeit auf den Bergdrachen zu, unvorsichtig und nicht auf seine Deckung achtend. „Nein!" Schrie Scill, doch zu spät. Spielerisch wich Silberflügels Gegner aus und ging zum Gegenangriff über. Seine Krallen schnitten tief in das weiche Leder am Halse Silberflügels. Scill brach zusammen, es schüttelte ihn vor Schmerzen. Sein Hals pochte krampfhaft. Es war als würde er sterben. Immer und immer wieder überfluteten ihn neue Wogen des Schmerzes, die eigentlich nicht seine eigenen waren. Es wurde nicht besser. Der Schmerz ließ nicht nach und als Scill drohte ohnmächtig zu werden, gelang es ihm endlich die Gedankenverbindung zu Silberflügel abzubrechen. Unendlich langsam ließ der Schmerz nun nach. Silberflügel stand auf den Hinterbeinen aufgerichtet. Er umfasste seine Kehle. Er hatte das Maul weit aufgerissen, doch aus seiner Kehle drang nicht mehr als ein Röcheln. Nach etlichen Minuten brach er zusammen. Es schüttelte ihn noch viel schlimmer als Scill. Blut floss in Mengen aus der Wunde. Bald schon lag Silberflügels Kopf in einer großen Blutlache. Das Gras hatte sich dunkelrot verfärbt vom Blut. Dann regte sich Silberflügel nicht mehr. Nur noch ein einziges Mal bäumte sein Körper sich zitternd auf und dann lag er still. Für immer. Scill kroch mit letzter Kraft zu Silberflügel. Sanft strich er ihm über die Schnauze. Dann brach er schluchzend zusammen. Xotyk trat heran und packte Scill an der Schulter um ihn zu rütteln. „Wach auf! Scill wach endlich auf! Es ist Zeit, das Frühstück wartet."
„Was? Wie?" Fragte Scill schlaftrunken. „Silberflügel! Wo ist er?" Bei diesen Worten sprang Scill auf und stieß Kör zur Seite.
„Draußen " Antwortete Scills Großvater irritiert und leicht wütend darüber, dass Scill ihn so grob behandelt hatte. Eilig rannte Scill in den Garten. Lachend fiel er Silberflügel um den Hals. „Du weißt ja gar nicht wie froh ich bin dich zu sehen." Lachte er, den Freudentränen nahe. „Was ist denn los? Könntest du mir bitte erklären was los ist Scillischaknorock!?!" Fragte Kör, der Kopfschüttelnd aus dem Haus trat. Scill bemerkte, dass Kör wütend war, daran, dass er seinen ganzen Namen genannt hatte, den sonst eigentlich niemand je benutzte. „Ein Traum. Nur ein Albtraum." Rief Scill. „Lass uns reingehen und frühstücken, dabei kann ich ihn dir ja dann erzählen."Leise liefen Tränen über Scills Wangen als er mit dem Tod von Silberflügel die Erzählung beendete. „Ich habe nie begreifen wollen, warum du nicht willst, dass ich bei echten Kämpfen mitmache, jetzt verstehe ich dich. Aber glaub nicht, dass ich jetzt aufhöre zu kämpfen. Ich werde noch viel härter trainieren und lernen meine Gefühle unter Kontrolle zu halten. Dieser Traum darf niemals Wirklichkeit werden. Ich möchte Silberflügel nicht verlieren, deshalb werde ich trainieren bis ich alles kann." Rief Scill voller Tatendrang.
Sein Großvater lachte leise. „Du bist so ein Hitzkopf! Ich glaube nichts könnte dich vom Kämpfen abhalten... Trainieren musst du und ich werde dir helfen." Scill lächelte. Er wollte sofort mit dem Training beginnen. Bis zum großen Turnier war es nichtmehr lange hin.
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Das Drachenamulett
FantasyIm Grunde führt Skill ein ganz normales Leben. Zusammen mit seinem Großvater lebt er in den Bergen in einem Land voller Schönheit und Magie. Doch als das große Turnier der Drachenkämpfe ansteht und Skill in die Hauptstadt reist um daran teilzunehme...