20. Eiseskälte

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Thrac duckte sich hinter dem Busch. Seine Männer kauerten hinter ihm. Das Schloss war hell erleuchtete und die kristallenen Wände glitzerten in allen Farben. Soldaten patroulierten auf den Wehrgängen und selbst vor der Mauer die das Schloss einfasste. Es würde hart werden dort hinein zu kommen, doch immer noch besser als das Kristallschloss zu belagern, die Versorgungslinien abzuschneiden und die Bewohner durch Hunger zum Aufgeben zu bewegen wie es sich Rufin ausgedacht hatte. So eine scheiß Idee. Die ersten die im Schloss Hunger leiden mussten wären die Mägde, die Diener, die armen Leute und erst viel später würden die edlen Damen und Herren etwas zu spüren bekommen. Das war so ein Schwachsinn! Im Schloss gab es Ställe, vollgefüllte Speisekammern, es würde Monate dauern die Bewohner auszuhungern. Bis es soweit war wären die Rebellen selbst schon längst aufgerieben von den Kämpfen, die nicht aufhören würden zu toben. Thrac schüttelte den Kopf. Wie kam Rufin nur auf so eine dämliche Idee? Da gefiel ihm selbst sein Plan viel besser. Er hatte beschlossen mit seinen besten Kameraden in das gläserne Schloss einzusteigen, die Tore zu öffnen und den Stadthalter als Geisel zu präsentieren. So würde man das meiste unnötige Blutvergießen vermeiden können. Er würde es schaffen, würde seine Männer beschützen, nicht zulassen, dass Freunde starben. Er war besser als Scill. Scill opferte für seinen Kampf alles und jeden, selbst Neto! Thrac strich sich traurig übers Gesicht, umfasste sein Schwert fest, bis die Knöchel weiß hervorstachen. Er war besser als Scill, viel besser!

Eine weitere Stunde hatten sie gewartet, bald würde die Wachablösung stattfinden, dann war der beste Moment um über die Mauer zu steigen. Die Patrouille kam alle zehn Minuten vorbei, doch während der Ablöse dauerte es doppelt so lang, also genug Zeit für die vier Männer um über die Mauer zu gelangen. Thrac hob seine Hand und als es soweit war ließ er sie fallen und spurtete auch schon los, seine Freunde dicht hinter ihm. Gorwin warf noch im Rennen seinen Haken, der sich zwischen den Zinnen verankerte. Thrac packte nach dem Seil und zog sich geschwind nach oben. Neben ihm kletterte Aorak eine Elfe aus Zethin'anor dem Ostwald. Sie kletterte flink wie eine Echse an der Wand nach oben, mit bloßen Fingern! Es war ihm ein Rätsel wie es ihr gelang in den schmalen Ritzen und Spalten genügend Halt zu finden. Rechts von ihm zog sich Wefat die Wand nach oben. Er rammte seine Klingen in Spalten in der Mauer und zog sich daran Stück für Stück weiter nach oben. Das Kreischen als das Metall in das Gestein einführ war laut, doch Thrac vertraute seinem Zeitplan, die Wachen würden erst in einigen Minuten wieder hier vorbei kommen. Nachdem er sich über die Brüstung gehievt hatte begann Gorwin seinen Aufstieg. Die Drei, die schon oben waren halfen mit, indem sie ihn immer weiter nach oben zogen.
Alles um sie rum blieb still, also machten sie sich weiter auf ihrem Weg.

Thrac huschte voraus. Die Gänge waren lang und groß. Wenn ihnen Soldaten entgegen kamen, wären sie verloren. Überall um sie herum schimmerten die kristallenen Wände. Es war verrückt! Wer baute schon ein Schloss aus Glas, Kristall und Spiegeln? Nur ein Verrückter, aber sie waren ja auch in der Stadt der Verrückten, in der Stadt der Spiegel. Selbst die Menschen trugen Kleidungsstücke in die hunderte von Spiegel eingearbeitet waren, überall glänzte und glitzerte es... Zum Glück waren die Wände nicht durchsichtig wie man es bei einem Kristallschloss vermutete, sondern glänzten und spiegelten so stark, dass man nicht hindurch sehen konnten, sonst wären sie sicherlich schon von jemandem bemerkt worden. Zwei Soldaten hatten bis jetzt ihren Weg gekreuzt und beide lagen jetzt in einer dunklen Kammer in Lachen aus Blut. Thrac hoffte, dass sie auch weiterhin so viel Glück haben würden. Er hatte die Pläne des Schlosses lange studiert und wusste genau wo sie sich befanden. Nur noch zwei Flure, dann würden sie die Gemächer des Stadthalters erreichen. Plötzlich drang das Scheppern von Metall an sein Ohr. Sie verharrten, duckten sich in die Schatten von Türrahmen und warteten. In den Wänden spiegelten sich silberne Rüstungen. Es waren drei. Sie kamen immer näher, doch sie waren nicht sehr aufmerksam. Sie scherzten und lachten und schritten an der ersten Tür vorbei ohne Gorwin zu bemerken. Nun waren sie an Thrac heran und gingen einfach weiter. Er atmete erleichtert aus, sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Gespannt beobachtete er ob sie auch die Elfe und Wefat Übersehen würden, doch sie sollten kein Glück haben. Einer der Wachen schrie, zog das Schwert. Aorak duckte sich unter seinem Hieb hindurch, huschte einige Schritt zurück, spannte ihren Bogen und schoss ihm mitten in die Stirn. Wefat ließ seine Klingen tanzen, durchtrennte die Schlagader eines der Männer und Thrac sprang den Letzten von hinten an. Er starb geräuschvoll und Thrac gelang es nicht ganz den Schrei zu unterbinden. Eine Türe neben ihnen wurde aufgestoßen. Eine Frau in prächtigen Kleidern kam hervor und als sie die Toten erblickte fing sie an zu kreischen. Unbarmherzig bohrte sich ein Pfeil Aoraks in ihre Brust. Gehetzt blickte Thrac sich um, doch keine weiteren Gegner kamen, noch nicht. Ohne weiter darauf zu achten, ob sie leise waren, spurteten sie weiter. Ihr Eindringen war bemerkt worden, jetzt mussten sie es nur noch zum Stadthalter schaffen, sonst wäre alles verloren. Sie kamen vor der prunkvollen Türe an. Zwei Wachen standen alarmbereit davor. Einer wurde von einem Pfeil und der andere von einem Messer gefällt, bevor sie überhaupt wussten wie ihnen geschah. Gorwin riss die Türe auf, durchquerte den Empfangsraum, öffnete die Tür des Schlafgemachs und zerrte den Stadthalter an den Haaren aus dem Bett. Er schrie nah Hilfe, doch Wefat war schnell. Geschwind hatte er ein Stück des Vorhangs abgerissen und einen Knebel gebastelt. Thrac beobachtete den Flur. Scheiße! Sechs weitere Soldaten kamen angerannt. Er schloss schnell die Tür, schob den Riegel vor und gemeinsam mit Aorak schob er eine Kommode davor. Das würde sie erst einmal aufhalten. „Wir müssen hier raus!" Rief er den beiden im hinteren Zimmer zu. „Doch wir kommen hier nicht raus. Sechs Männer vor der Türe." Wie um seine Worte zu untermauern krachte irgendetwas Schweres gegen das Holz. Wefat entnahm dem Gefangenen den Knebel und legte eins seiner Messer an dessen Hals. „Gibt es hier noch einen Weg raus?" Fragte er gefährlich. Ängstlich schüttelte der hagere Mann den Kopf.
„Lüg mich nicht an!" Zischte Wefat drohend und ließ seine Klinge sacht über die schrumpelige Haut des Alten wandern. Blut troff aus dem dünnen Schnitt. „Sag mir die Wahrheit! Oder du wirst deine Frau und deine Kinder nie wieder sehen."
„Werde ich doch sowieso nie!" begehrte der Mann auf.
„Wie du meinst. Aber deine Frau in ihrem wundervollen grünen Kleid mit kleinen weißen Röschen darauf, sie sah schon schön aus..." Riet der Krieger auf gut Glück, dass die Frau von vorher seine Gemahlin gewesen war.
„Ihr wart bei ihr? Was habt Ihr ihr angetan?"
„Sag uns wie wir hier rauskommen und du erfährst wo sie ist."
„Ihr habt sie gefangen genommen?"
„Eine Geisel ist nicht immer genug."
Schluchzend deutete der Alte auf einen großen Schrank. Thrac und Gorwin liefen hin und schoben ihn beiseite, dahinter kam ein dunkler Gang zum Vorschein. Schnell huschten sie hinein und zogen den Schrank wieder davor. Es war finster und sie mussten sich blind weitertasten. Der Stadthalter wurde grob zwischen ihnen vorangestoßen, er trug seinen Knebel wieder und man konnte ihn leise schluchzen hören. Sie liefen immer schneller. Durch die Wände konnte man Soldaten hören, die nach oben zum Gemach des Alten rannten, doch sie bemerkten nichts von den Fliehenden zwischen den Mauern.

Das DrachenamulettWo Geschichten leben. Entdecke jetzt