22. Tod

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Ein Ruf ertönte. Mühsam blinzelte er und öffnete ein Auge. Er war noch nicht tot. Noch nicht. Das Gebrüll um ihn herum wurde immer lauter. Er sah wie die Soldaten und Rebellen innehielten und gen Himmel starrten. Seine Augen folgten ihren Blicken. Dunkle Schatten zogen über das Feld. Er blinzelte. Der Himmel verdunkelte sich, am Horizont tauchten immer mehr auf. Er konnte ihre Flügel schlagen hören, hörte das Sausen der Luft. Es waren hunderte. Sie kamen alle aus dem Norden. Ein einzelner flog ihnen voraus. Thrac schauderte. Was wollten sie hier? So viele Drachen...
Der eine sank tiefer. Ehrfurchtsvoll zogen sich Rebell und Soldat Seite an Seite zurück. Machten Platz für den Silbernen. Drei weitere Drachen kamen tiefer. Sie waren weit entfernt und doch schienen sie im bekannt. Er hatte diese Tiere schon einmal gesehen. Müde blinzelte er. Das war so verrückt. Alle hatten aufgehört zu kämpfen. Ein Drache brüllte – es war der Silberne, der Anführer – und alle anderen stimmten mit ein. Schmerzhaft presste Thrac seine Hände auf die Ohren. Sie waren klebrig von seinem eigenen Blut und er stöhnte. Er würde es nicht schaffen... Das Gebrüll verstummte und eine einzige Stimme erhob sich über das Feld. Irgendwoher kannte er sie. Gequält richtete er sich auf. Starrte den Drachen an. Ein Mann saß auf dem Rücken des Tiers. Das konnte nicht sein. Niemand konnte auf Drachen fliegen. Niemand. Niemand außer... Außer er hatte das Amulett. Scill! Thrac schossen Tränen in die Augen. Das konnte nicht sein und doch wusste er, dass er Recht hatte. Es war Scill. Er hatte es geschafft. Sein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sein Bruder war nicht umsonst gestorben. Scill hatte es geschafft. Machtvoll hallten seine Worte über die Armeen. Er sprach von einer zeit des Friedens, von seiner Herrschaft. Thrac lächelte qualvoll. Sie hatten es geschafft... kein Opfer war umsonst gewesen. Er sah wie Scill abstieg und zu den Rebellen und Soldaten in seiner Nähe lief. Auf der Stelle sanken sie auf die Knie und Thrac beobachtete wie sich ihr aller König niederkniete, ihnen die Waffen entnahm und sie von sich fort in den Matsch schmiss. Jubel brandete auf. Zwei Gestalten traten zu Scill. Es mussten Kolina und Tevin sein. Sie legten ihm eine Hand auf die Schulter und sanken dann ebenfalls vor ihm zu Boden. Er war ihr König. Er war gekommen um Frieden zu bringe, um den Krieg zu beenden, um Zhorgas Herrschaft zu übernehmen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht und alle verneigten sich. Es schien nicht mehr zu zählen ob man Soldat oder Rebell war. Alle waren gleich. Alle erkannten ihn an. Thrac ließ seinen Blick schweifen. Er lächelte. Sein Herz schlug schnell. Es war vollbracht. Doch was war das? Einige wenige standen. Weigerten sich ihr Knie zu beugen.

*****

„Croth komm schon! Es ist vorbei."
„Niemals! Ich verneige mich nicht vor ihm! Er ist nichts weiter als ein Bauer! Dem Graf allein gehört meine Treue!"
„Croth! Hör doch auf! Hast du ihn nicht gehört? Der Graf ist tot. Er ist nun unser König!"
„Halt's Maul Gügrid!" Schrie Croth wütend.
„So redest du nicht mit mir!" Schrie der andere Soldat zurück. „Wir haben so viel gemeinsam erlebt, jetzt sei doch vernünftig!"
„Nein." Blaffte er ihn an.
„Aber er ist unser König! Der einzig wahre! Knie nieder!" kreischte Gügrid empört. Schrecken und Zorn stand in seinen Augen, doch sein Freund schüttelte nur energisch den Kopf.
„Wie du willst." Flüsterte er. „Hier ist kein Platz für Ungehorsam!" Mit diesen Worten sprang Gügrid auf, riss seinen Dolch nach oben und durchbohrte seinen Kameraden. „Zhorgas Herrschaft ist vorbei und auch du musst das akzeptieren!"
Panik stand in Croths Augen. Sein eigener Freund, sein bester Freund hatte ihn erstochen...

*****

Überall konnte Kolina Rebellen und Soldaten sehen die ein letztes Mal ihre Waffen hoben. Jeder der nicht niedergekniet war wurde erbarmungslos abgeschlachtet. Sie sah Soldaten, die versuchten zu fliehen, doch keine Chance. Von den eigenen Freunden, Brüdern und Schwestern wurden sie niedergestreckt. Kolina seufzte tief. Schmerz machte sich in ihrem Innern breit. War das der Preis für den Frieden? Gab es keinen anderen Weg?

Das DrachenamulettWo Geschichten leben. Entdecke jetzt