Kapitel 11

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Ich befinde mich in einer Art Parallelwelt, in der ich etwas aus der realen Welt mitbekomme, dann aber auf der anderen Seite doch irgendwie nicht. Es ist total verwirrend und man kann es kaum beschreiben. Ich fühle mich auch nicht wohl, ich bin ständig verwirrt und fühle mich nicht gut, doch immerhin ist dieser schlimme Schmerz verschwunden. Ich spüre ihn zumindest nicht mehr und das ist auf jeden Fall erst einmal das Wichtigste im Moment. Ich will einfach nur ein bisschen meine Ruhe haben und mich entspannen, bevor mein Körper dann gegen den Stich ankämpft und ich mich dann auch wieder dem Alltag stellen muss. Wie durch ein Wunder kann ich völlig klar denken. Also kann das, was Newt mit auf die Lichtung gebracht hat und was mir gespritzt wurde, nicht ganz so falsch gewesen sein, sonst würde es mir jetzt in diesem Moment sicherlich um einiges schlechter gehen und ich würde wahrscheinlich auch gar nicht mehr leben. Ich bin Newt wegen so vielem dankbar. Ich schaffe es sogar den Gedanken daran zu verdrängen, dass er wohl etwas mit dieser Bianca angefangen hat, dieser dummen Ziege, die ich gar nicht leiden kann Die Mädels, die ich nicht mag, wuseln zwar den ganzen Tag um ihn herum und weichen ihm nicht von der Seite, doch seine gute und nette und hilfsbereite Art scheinen sie trotzdem nicht verdorben zu haben. Er scheint sich von ihnen also nicht zu sehr beeinflussen zu lassen, was für mich wirklich erleichternd ist. Ich kann den Mädchen leider nicht alles befehlen und wenn ich keinen triftigen Grund habe, kann ich ihnen leider auch nicht verbieten, sich von Newt fernzuhalten. Gut zu wissen, dass Newt gegen ihr Geschnatter wohl immun zu sein scheint und ich mir deswegen schon einmal eine Sorge weniger machen muss. Das ist auf jeden Fall gut. Jetzt, nach dem ich mir so viele Gedanken mache, wird es auch langweilig, dort, wo ich bin. Ich kann ja nichts tun, außer mit mir selbst zu reden. Wenn ich wenigstens träumen würde, hätte ich ein wenig Abwechslung oder wenn ich wach sein würde, doch das ist mir auch nicht möglich. Also muss ich hier vor mich hin vegetieren und mich versuchen, irgendwie abzulenken.

Ein paar Stunden leistet Newt mir zum Glück Gesellschaft. Ich habe das Gefühl, dass keiner auf der Lichtung weiß, dass ich hören kann, was sie sagen und dass ich mental eigentlich komplett anwesend bin. Ich würde mir sonst von ihnen wünschen, dass sie mir alle Geschichten erzählen in ihrer Freizeit erzählen würden oder etwas über ihre Pläne, wie dem Labyrinth entkommen könnten. Ich falle im Moment erst einmal aus, was die Planung betrifft und ich hoffe, dass es wenigstens einigermaßen klappt, wenn Sonya nun übernommen hat. Die Zeit rennt nämlich. „Ich weiß, dass du mich höchstwahrscheinlich nicht hören wirst, da du in einer Art Traum steckst, doch für den unwahrscheinlichen Fall, dass du es doch tust, werde ich dir jetzt eine Geschichte erzählen, um dich auf andere Gedanken zu bringen." Newts Stimme wirkt sofort beruhigend auf mich und ich kann es kaum erwarten, dass er mit seiner Geschichte beginnt. „Es ist eine Geschichte von Sonya, damals hieß sie noch Lizzy und mir, bevor wir zu WICKED gekommen sind und wir noch bei unseren Eltern gewohnt haben. Du musst wissen, ich habe Lizzy schon seit der ersten Sekunde, in der sie auf die Welt gekommen ist, geliebt und ich habe mir geschworen, dass ich sie niemals im Stich lassen werde und dass ich als ihr großer Bruder immer für sie da sein werde. Ich bin ständig bei ihr gewesen, wir beide waren völlig unzertrennlich und auch, als die bösen Leute kamen und unsere Eltern ...", er stockt kurz und ich höre, wie er schluchzen muss. Ganz unauffällig, als wenn er nicht wollen würde, dass ich es mitbekomme. Ich würde ihn jetzt wahnsinnig gerne in den Arm nehmen und trösten, ihm sagen, dass er sie ja jetzt wieder hier bei sich hat und dass wir es alle hier rausschaffen werden und wir auch ihre Eltern wiederfinden würden und er sie dann wiedersehen würde, als er weiterredet. „Kaltblütig ermordet hat. Vor unseren Augen. Ich habe Lizzy in meinen Armen gehalten und wollte sie vor der Grausamkeit dieser bösen Welt beschützen. Ich habe ihr zugeflüstert, dass ich sie liebe und sie niemals verlassen werde und dass ich immer für sie da sein würde und dass sie mich nie verlieren würde. Das würde ich bei allem, was ich habe, schwören. Und ich konnte mein Versprechen nicht halten. Ich habe es gebrochen, all die Jahre konnte ich nicht für sie da sein Ich weiß zwar nicht mehr, wie das alles bei den Schöpfern abgelaufen ist, doch ich weiß, dass sie wahnsinnig enttäuscht von mir gewesen sein muss und es auch wieder sein wird, wenn sie die Wahrheit herausfindet. Die Leute haben uns getrennt und ließen uns nicht mal mehr auf Wiedersehen sagen. Es tut mir leid, du dachtest sicherlich, dass ich dir eine schöne Geschichte erzählen würde, das hatte ich anfangs auch vorgehabt, doch dann habe ich beschlossen, dass ich dir einfach meine Geschichte erzähle. Ich vertraue dir, dass wenn du sie mitbekommen solltest, Sonya nicht erzählst. Ich habe das Gefühl, dass du eine wirklich gute Zuhörerin bist und im wachen Zustand sicherlich auch gute Ratschläge geben kannst." Newt muss kurz kichern. „Ich muss dir dann auch bald eine Story mit einem Happy End erzählen, damit du nicht depressiv oder so wirst. Ich habe Lizzy leider all die Jahre über nicht wieder sehen können oder sie drücken können und das hat mir so sehr wehgetan. Ich weiß nicht, wie schlimm es erst für sie gewesen sein muss und ich kann es mir auch nicht wirklich vorstellen und will es vielleicht auch gar nicht. Ich weiß auch so, dass ich ein mieser Bruder bin. Ich habe sie verlassen." „Doch nun bist du bei ihr und das ist alles, was zählt", kommt es krächzig aus meinem Mund.

The Maze Girl [Maze Runner/Newt]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt