Kapitel 15

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Kapitel 15

Ich hatte es gerade aus der Tür der Bibliothek geschafft, als ich gegen jemanden prallte.
„Langsam", meinte derjenige und ich erkannte die Stimme sofort.
„Rhys, da...da ist ein Vampir drin!", schrie ich und klammerte mich an ihn. Er sah nicht überrascht oder sauer aus, im Gegenteil, es hatte eher den Anschein, dass er meine Reaktion völlig absurd fand. Plötzlich sah ich den Vampir ganz gelassen aus der Bibliothek kommen. Ich wollte abhauen, aber Rhys hielt mich unerbittlich fest.
„Sophie beruhig dich wieder okay? Das ist ein alter Freund von mir und er wird dir nichts tun", ich hörte auf mich gegen seinen Griff zu wehren und sah den Vampir genau an. Er hatte nicht diesen entsetzlichen Gesichtsausdruck wie mein Boss. Im Gegenteil, er sah mich sehr freundlich an.
„Hallo, ich bin Julian", ich sah in seine Augen und wartete darauf, ob er sich vielleicht doch noch in ein blutrünstiges Monster verwandelte, aber es geschah nichts.
„Hi, tut mir Leid, dass ich gerade das perfekte Beispiel von Vorurteilen gewesen bin", ich grinste entschuldigend und er lachte amüsiert.
„Ist dann wieder alles in Ordnung?", fragte mich Rhys.
„Ja wieso?", ich sah nicht auf, als er mich das fragte, ich sah immer noch Julian an. Rhys räusperte sich.
„Naja, du krallst immer noch deine Finger in mein Hemd", augenblicklich ließ ich ihn los und trat ein paar Schritte von ihm weg.
„Entschuldige", ich lief ein Stück weg und drehte mich nochmals um. „Rhys?", er sah auf.
„Sind Briefe für mich gekommen?"
„Nein, bis jetzt noch nicht. In einer halben Stunde gibt es Abendessen, ich würde es schön finden, wenn du auch einmal mitessen würdest", ich lächelte schwach.
„Mal sehen", ich drehte mich um und ging den Flur entlang. Es überraschte mich, dass Rhys einen Vampir als Freund hatte, da die Vampire seinem Rudel doch so viel Schmerz und Leid zugefügt hatten. Dieser Julian schien aber doch aus der Reihe zu tanzen. Er wirkte freundlich und offen, aber vielleicht waren es auch gerade die anderen Vampire, wie mein Boss, die aus der Reihe tanzten und nicht umgekehrt. Schließlich gab es auch unter Menschen Psychopaten, wieso dann nicht auch bei den Vampiren? Plötzlich hörte ich meine Mutter nach mir rufen und sah überrascht auf.
„Sophie! Da bist du ja!", sie kam mit schnellen Schritten auf mich zu, weswegen ich dachte irgendetwas Schlimmes sei passiert. Als sie bei mir war, umarmte sie mich stürmisch und ließ mich erst los, als ich versuchte wieder Luft zu bekommen.
„Ist etwas passiert? Ist etwas mit Oma?!", sie sah mich aus großen Augen an.
„Nein, nein, ich hab mir nur Sorgen um dich gemacht", verblüfft sah ich sie an.
„Um mich?"
„Ja um dich, stell dir mal vor!", ich musste lachen bei ihrem empörten Tonfall. Ich hatte das Gefühl, dass ihr die Umgebung gut tat, denn ich schätzte, ihre plötzliche Fürsorge kam davon, dass sich hier alle mehr um ihre Familie kümmerten, als es bei den Menschen der Fall war. Meine Mutter sah sich anscheinend etwas davon ab, aber ich war natürlich sehr gerührt, dass sie ihre Gefühle mir gegenüber so offen zeigte. Normalerweise hielt sie ihre Gefühle immer unter Verschluss, was mich als ich noch Klein war sehr deprimierte. Mit der Zeit hatte ich gelernt damit umzugehen, aber natürlich blieb der Wunsch nach einer fürsorglichen Mutter, wie sie die anderen Kinder immer hatten, stets erhalten. Mein Vater stand immer im Gegensatz zu meiner Mutter. Er hatte sich ständig Sorgen um mich gemacht, hatte mich offen geliebt und viel mit mir unternommen. Somit hatten sich meine Eltern ausgeglichen. Mein Vater mit seiner warmherzigen und offenen und meine Mutter mir ihrer distanzierten und eher verschlossenen Art. Als mein Vater urplötzlich an einem Herzinfarkt starb, blieb mir als Trost nur meine Mutter, aber sie hatte mir nicht den Trost und die Wärme geben können, die ich eigentlich brauchte, aber zu dieser Zeit war ich glücklich eine Oma zu haben. Das Problem war nur, dass ich keine Zeit hatte, sie ständig zu besuchen, weil ich plötzlich für alles verantwortlich zu sein schien, aber auch das hatte ich überlebt.
Ich sah meine Mutter vor mir an und lächelte, was sie erwiderte.
„Komm mit, wir besuchen jetzt deine Oma", sie hakte sich bei mir unter und zusammen verließen wir die Villa. „Sie wird sich freuen dich zu sehen. Ständig fragt sie nach dir", ihr letzter Satz klang wie ein Vorwurf gegen mich.
„Ich hatte viel zu tun"
„Das hab ich gesehen", sie warf mir einen wissenden Seitenblick zu. Was meine Mutter wohl wieder dachte, dass ich Stundenlang mit Rhys flirtete? Wo hatte sie nur immer ihre Augen und Ohren? Unglaublich!

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