Kapitel 22

1.2K 86 5
                                    

Kapitel 22

Während wir gemeinsam frühstückten, warf mir Rhys immer wieder diese heißen Blicke zu, die mich rot werden ließen. Es war so verrückt. Passierte das gerade wirklich mir? Wahrscheinlich wachte ich gleich allein in meinem Bett auf, aber es geschah nicht. Nicht beim Essen, nicht nach dem Essen und als dann auch noch Misha herein kam, die Situation erfasste und kreischend auf uns zugehüpft kam, hatte ich kurz den Gedanken, dass es sich vielleicht auch um einen Albtraum handeln konnte. Es sprach sich also schnell herum, dass wir zusammen waren und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, denn einen Rückzieher konnte ich jetzt nicht mehr machen. Nicht, dass ich daran gedacht hätte, aber ich hielt mir doch gerne immer alle Möglichkeiten offen und man wusste ja nie, wie sich das Ganze entwickelte. Schließlich wusste ich auch nicht, wie ernst Rhys das Ganze hier war und was es für ihn bedeutete, aber ich hatte mir erst einmal vorgenommen, mir darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen. Trotzdem beschäftigte mich die ganze Zeit das Thema mit seinen Exfreundinnen. Machte es ihm nichts aus, dass ich kein Werwolf war? Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen, denn Werwölfe waren einfach von Grund auf Familienorientiert. Stellte sich also die Frage, ob er mit mir überhaupt eine Familie gründen konnte oder wollte?
„Sag mal, für diese riesen Sorgenfalte auf deiner Stirn, bin hoffentlich nicht ich verantwortlich", meinte Rhys schmunzelnd und strich mit dem Daumen darüber. Erst jetzt kam ich wieder ins Hier und Jetzt zurück. Ich lächelte.
„Nein, nein, das sind nur Denkfalten", er zog eine Augenbraue nach oben und kam mir ganz nah. Ich musste meinen Kopf in den Nacken legen um ihm in die Augen sehen zu können. Mit einem Lächeln auf den Lippen sah ich zu ihm auf. Er sah mich dagegen ernst an.
„Dann lass uns mal dafür sorgen, dass du bald an gar nichts mehr denkst", ich sah ihn gespannt an, dann packte er mich blitzschnell im Nacken und küsste mich wild und hart auf den Mund. Es war aufregend und er hatte recht. Meine Gehirnzellen verwandelten sich gerade gefühlsmäßig in Matsch. Ich konnte nichts mehr denken, ich war nur noch imstande ihn zu fühlen, zu riechen und mich meinen Gefühlen ausliefern zu lassen. Die Kontrolle zu verlieren war keineswegs angsteinflößend, sie war berauschend und machte mich süchtig. Seine Hände wanderten von meinem Nacken zu meiner Taille und weiter. Er packte meine Oberschenkel und hob mich auf die Küchentheke. Instinktiv schlang ich meine Beine um seine Hüfte und drückte mich näher an ihn. Obwohl zwischen uns nicht einmal mehr ein Blatt Papier gepasst hätte, packte er meinen Hintern und drückte mich noch fester an sich. Zwischen uns knisterte es elektrisierend und um nichts in der Welt, hätte ich diesen Kontakt jetzt abgebrochen. Er war mehr, als ich mir jemals erträumt hatte. Gedanklich hatte ich mich schon in einem langweiligen Leben mit einem langweiligen Ehemann gesehen, aber das hier, hatte so gar nichts mit Langeweile und Alltagstrott zu tun. Rhys war das pure Leben und ich war jetzt ein Teil davon und das würde ich auskosten.
„Ach du heilige Maria...", hörte ich plötzlich meine Mutter sagen und Rhys und ich fuhren augenblicklich auseinander. Mein Kopf schnellte herum und ich sah meine Mutter knallrot an.
„Ich hab mich ja schon gefragt, wann ihr übereinander herfallt, aber dass es so schnell geht, hätte ich jetzt auch nicht gedacht", meinte meine Mutter und sah uns an, als erwartete sie eine Rechtfertigung von uns. Ich sah Rhys an, der einfach nur grinste.
„Musste der Kommentar jetzt sein?", genervt sah ich sie an. Sie zuckte leichthin mit den Schultern und grinste süffisant.
„Wenn es stimmt spricht nichts dagegen, es auch auszusprechen", ich sah sie einfach nur an und schüttelte den Kopf. „Wie auch immer. Ich wollte dich eigentlich nur fragen, ob du mit mir in die Stadt gehst. Ich brauche neue Klamotten. Die Sachen von hier passen mir nicht richtig", ich holte gerade Luft, um etwas zu sagen, aber Rhys kam mir zuvor.
„Auf gar keinen Fall geht ihr in die Stadt. Wir wissen nicht, ob es schon sicher ist. Das Risiko können wir einfach nicht eingehen", meine Mutter sah ihn total überrascht an, denn er war nun richtig wütend. Mein Blick huschte über seine angespannte Haltung und ich fragte mich, ob es ihm wirklich nur um unsere Sicherheit ging oder ob etwas Anderes dahinter steckte, denn ich dachte schon lange nicht mehr wirklich daran, dass die Vampire sich noch für mich interessierten. Gut, vielleicht dachte ich das auch, weil ich ebenfalls schon länger wieder das Bedürfnis hatte, mal wieder nach draußen zu gehen. Ich vermisste es selbst zu entscheiden, wo ich hin ging oder mit wem ich mich traf. Meine Freunde hatte ich schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Vor dem ganzen Theater war ich öfter am Wochenende mit ihnen in ein Kaffee, ins Kino oder Essen gegangen, aber das war auch schon der einzige Luxus den ich mir angesichts meines Gehaltes, das für uns so wichtig gewesen war gegönnt hatte. Die aufgebrachte Stimme meiner Mutter, brachte mich wieder zurück und ich sah sie an.
„Aber was soll ich denn dann anziehen?"
Um ihren Ärger noch zu unterstreichen, verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah ihn mit vor Wut funkelnden Augen an. Ich musste mir ein Grinsen angesichts des Anblicks, den die beiden boten, verkneifen. Denn meine Mutter war zwar älter als Rhys, aber mit seiner Größe überragte er sie bei weitem. Trotzdem ließ sie sich von ihm nicht mehr einschüchtern, was anfangs der Fall gewesen war. Ich hatte beobachtet, wie ehrfürchtig sie ihn angesehen hatte, aber nun seit ja ihre Tochter mit diesem Alphatier zusammen war, hatte sie ihre Scheu verloren.
„Bestell doch über das Internet!", warf Rhys ein, aber meine Mutter sah ihn nur verständnislos an.
„Über das was?", er wirkte verwirrt. Ich sah zu meiner Mutter.
„Wir haben dort doch auch mal was bestellt. Weißt du nicht mehr?", ich sah die Erkenntnis in ihren Augen, aber dann sah sie wieder stur aus.
„Ich werde nicht irgendwelche Klamotten bestellen ohne sie anprobiert zu haben", ich hob mir den Kopf und stöhnte.
„Wir sind gerade nicht in der Situation, um uns darüber sorgen zu machen. Rhys hat recht, wenn uns etwas passiert, nur weil du unbedingt eine Jeans in der Stadt kaufen wolltest, wäre das doch irgendwie dämlich ", ihr Mund öffnete und schloss sich wieder, dann gab sie klein bei.
„Na gut, aber du bestellst. Ich kenn mich mit dem Teil nicht aus. Nachher kauf ich noch ausversehen was anderes"
„Keine Sorge, ich helfe dir", sie lief voraus und ich warf einen letzten Blick zu Rhys. Wir sahen uns beide schmunzelnd an, dann folgte ich meiner Mutter den Gang entlang.

Zeiten ändern sich...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt