17 | But I know you'll find another

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>> F E L I X <<

Als würde ich nichts mehr fühlen lief ich mit einem monotonen Blick durch die Straßen. Ich hatte nicht vor so schnell wieder zurück zu kommen. Mein Ziel war die Heimatstadt meiner Mutter. Dort, wo jetzt meine Großeltern leben, nämlich in Dresden. Quasi auf der anderen Seite von Deutschland. Da es keine direkte Zugverbindung von Köln nach Dresden gab, musste ich mit dem Fernbus fahren. Ich hoffte auf irgendeine romantische Geste von Rewi, dass er gerade noch an der Bushaltestelle ankam, bevor ich wegfuhr und mich aufhielt. Dann würde es einen langen Kuss geben und alle unsere Probleme wären gelöst. Es wäre Perfekt.

Aber mein Leben war kein Film. Und perfekt war es erst recht nicht. Ich stieg in den Bus, zeigte meine gekaufte Karte und ließ mich mit meinem einzigen Gepäck, meinem Rucksack, auf einer der leeren Sitzplätze nieder. Ich wusste nicht wie ich es mit den paar wenigen Klamotten auskommen würde, aber ich könnte mir einfach ein paar neue kaufen. Ja, ich wollte länger bei meinen Großeltern bleiben.

Ich lehnte meinen Kopf an der kalten Fensterscheibe an und zog mir die Kapuze meines Hoodies über meine Haare. Meine Lippen fühlten sich durch die Kälte aufgerissen, blau und noch mehr angeschwollen als sie sowieso schon waren, an. Sehnsüchtig schaute ich jedem Fleck von Köln nach, als wir mehr und mehr aus der Stadt fuhren. Konnte Rewi nicht doch noch auftauchen? Mein Herz drohte nun endgültig zu zerbrechen. Jetzt war ich auch noch mein Zuhause los. Ich hatte so gesehen nichts mehr.

Mit dem Bus fuhr man eine große Runde, hielt ungefähr jede halbe Stunde und packte Menschen aus dem halben Land an weswegen die Fahrt die ganze Nacht dauerte. Komplett müde und zerstört kam ich um fünf Uhr morgens in Dresden an. Es war noch immer dunkel draußen. Meine Beine trugen mich bis zum Friedhof und ich besuchte das Grab meiner Mutter. Sie wurde hier beerdigt und es ist gerade mal zweieinhalb Jahre her. Ich weinte nicht. Ich war nur traurig. Ich brauchte sie jetzt so sehr.

"Schau mal Felix, die Seifenblasen", meine Mutter lächelte mich an. Begeistert klatschte ich mit meinen Händen auf meine Wangen und hüpfte glücklich durch den Garten. "Mama kannst du mich anschucken?" Rief ich und setzte mich auf unsere grüne Schaukel. Meine Mutter warf ihre braunen Haare nach hinten und lächelte mich liebevoll an.

Um nicht emotional zusammenzubrechen machte ich mich schnell auf den Weg in mein neues Zuhause. Es fühlte sich so an als wäre ich gestern noch sieben Jahre alt gewesen. Aber nein. Ich war siebzehn, eine beschissene Schwuchtel und Heulsuse, habe mehr oder weniger alles zurück gelassen was ich habe und auch meine allergrößte Bezugsperson. Auch wenn ich mir mit meinen wahren Gefühlen zu Rewi noch immer im unklaren bin, war er mir doch so verdammt wichtig.

Ich klingelte an der Haustür meiner Großeltern und da ich mich nicht angekündigt hatte, waren sie sichtlich überrascht ihren Enkel um sechs Uhr Morgens vor ihrem Haus aufzufinden. "Felix, Engel'chen was ist denn mit dir passiert?" Liebevoll nahm meine Oma mich in den Arm und drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Oh, mein kleiner, komm rein, dein Opa macht dir einen Tee."

Wir setzten uns auf Ihre Couch und ich schlürfte schweigend meinen Früchte Tee den mir mein Opa brachte. "Jetzt erzähl doch mal ein wenig."

Ich war wirklich dankbar dass sich meine Großeltern immer für einen Zeit nahmen. Das letzte mal haben wir uns an der Beerdigung gesehen. Nach dem Tod meiner Mutter hat die Phase in meinem Leben begonnen, über die ich am liebsten nicht mal denken will. Bis ich mich in Rewi verliebte. Ab da an stellte sich mein Leben auf den Kopf und ich saß mit gebrochenem Herzen hier.

Ich fing an zu erzählen. Von dem Anfang der Beziehung von meinem Vater und Lisa und unser Zusammenziehen. Wie Rewi und ich uns ineinander immer mehr verliebten und letztendlich auch ein Paar wurden. Dass ich die Klasse wiederholen musste, Rewi sein Studium anfing und er mir jetzt fremdgegangen war, weil ich das Gefühl hatte ihn nicht zu lieben. Es dauerte seine Zeit, es war ja auch so früh am Morgen und ich war super erschöpft. "Vielleicht solltest du dich erst einmal ausschlafen und beim Mittagessen versuchen wir mal eine Lösung dafür zu finden, ja? Ich verspreche dir du kannst auf jeden Fall bis zum Ende der Ferien da bleiben", sagte sie und begleitete mich ins Gästezimmer. "Schlaf gut, kleiner", sagte sie und deckte mich zu.

Und das erste mal seit Wochen fühlte ich mich gut aufgehoben. Ich fühlte mich wohl und sicher in meinem Umfeld. Hier war der richtige Ort um alles zu vergessen.

Um Rewi zu vergessen.
Denn er soll wenigstens mit Moritz glücklich werden.
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Rewilz | Already GoneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt