1 7 | Wenn Tränen sprechen könnten

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S i e b z e h n



Rosé

Es war als hätte ich einen Gehörsturz.

Was komisch ist, wenn man bedenkt, dass ich gar nicht wissen kann wie sich sowas anfühlt. Ich hatte nie eine Gehörfehlfunktion. Trotzdem wusste ich genau in diesem Schockmoment:
So muss es sich anfühlen.

Meine Sicht trübte sich, der Zettel entglitt langsam meinen Händen. Dabei war ich mir doch so sicher gewesen ich hätte ihn krampfhaft verbissen festgehalten. Und als er dann auf den Boden fiehl, mit diesem so unglaublich lauten Knall, der mir doch so leise vorkahm, wusste ich, am liebsten hätte ich es ihm gleich getan.

Da war etwas, das mich störte. Ich vermute dieses nervtötende Piepen, das sich irgendwie wie ein Vogel in mein Gehör eingenistet hatte.
Vielleicht waren es aber auch meine Augen die mir irgendwie diese Zeitlupe vorspielten.

Als meinten sie man könne mir die brausende Realität nicht zutrauen.
Als würde ich daran zerbrechen und so würde ich mich selbst versuchen, in einem verzweifelten Akt der Selbstlosigkeit, zu retten wie eine Heldin.

Und dann spürte ich es wieder - eine Berührung - nur dieses Mal an meiner Hand. Es fühlte sich an ala würde mich jemand von hinten umarmen, ich hätte nur nicht sehen können wer. Trotzdem. Ich könnte nicht erklären oder selbst gar begreifen weshalb aber irgendwie war mir föllig klar, dass eine Hand die meine umschloss. Aber nicht die eines Unbekannten, nur eines etwas-weniger-Unvertrauten mit dem Namen der griechischen Gottheit der Unterwelt.

Ich spürte wie sie mir diese Botschaft, die mir den Atem verschlagen hatte, in die Hand drückte, meine leicht zitternde Faust hochhob und sanfte Küsse auf jeden einzelne Fingerkuppe hauchte.

Da stand ich nun also. Aber irgendwie fühlte es sich nicht an, als würde ich mit beiden Beinen fest im leben stehen. Eher mehr eine Zehenspitze ins kalte Wasser der "Ungewissheit Leben" tippen.

Es hätten Minuten, Stunden oder Jahrzehnte sein können, wenn mich jemand gefragt hätte wie lange ich da schon stünde, würde ich wohl alles bejahen. Denn es war meine Wahrheit: es waren minütliche Stunden, die als Monate getarnt waren. Hätte also jemand das unerklärliche Bedürfnis verspürt zu fragen, nicht dass irgendwer auf die behinderte Idee käme. Das tat, um meiner selbstgerechten stereotypischen Jugendphase die Worte aus dem Mund zu nehmen, nie irgendjemand.

Ich glaube es war ein Vogelgezwitscher, dass mich auf den kalten Boden der Realität zurück drängte wie ein Auto von der Straße. Ich blinzelte um endlich die Konturen des Lichts, das mir meine Sicht raubte, nicht länger so intensiv erleben zu müssen. Den Zettel in der Hand, als hätte ich ihn nicht gerade fallen gelassen, machte ich mich wie in Trance auf den Weg in die Küche.

Leise murmeln, wie eine Verrückte, beschwörte ich die unvermeidbaren Worte aus meiner Kehle "Was zum Fick war das?" Und wie auf einer Achterbahn crashte die Welt im Sinkflug auf mich hinunter. Emotionen, die ich seit ein paar Tagen in meinem Herzen verschlossen hatte auf dass sie sich nie mehr wieder blicken lassen sollen, Panikattacken, die mir den Hals mit ihrem Gelächter über Selbstzweifel und Scham zuschnürten und diese Ungewissheit, die jetzten schon so lange wie ein Parasit an meinem Verstand nagt.

Die erste Träne rollte ganz alleine auf dieser Welt meine Wange hinter. Doch bald hatte sie mehr und mehr Freunde, die alle auf den Erdboden fiehlen und mich ansahen. Als schienen sie sich zuwundern warum ich weinte und ich hätte ihnen geantwortet wenn ich es bloß selbst wüsste.

Hot As HellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt