1 8 | Das Bildnis des Dorian Grey

5.3K 208 67
                                    


A c h t z e h n

Rosé

Ich hatte endgültig die Schnauze voll. Von allem, irgendwie wenn ich es mir so recht überlegte. Von Jason gab es immer noch keine Neuigkeiten - zumindest keine positiven. Die ganze Situation stellte meine Rationalität ganz schön auf die Probe. Die Ärzte waren bisher ratlos warum er einfach nicht mehr aus seinem Schlaf erwacht. Er war nicht im Koma - aber zeigte jegliche Sympthome. Es war einfach so merkwürdig, Dr. Jonas war einfach nur ratlos. Da man nicht wusste, was ihm genau fehlte musste man auf Nummer sicher gehen und nur streng verpackte, engste Verwandte durften ihn besuchen. Kurzerhand beschloss ich mal zu seinem Vater zu sehen und ihm einen Kuchen vorbei zu bringen. Er musste sich wohl krank machen vor Sorge.

Nach meinem emotionalen Zusammenbruch verspach ich mir selbst in der nächsten Zeit mehr auf mich zu schauen. Also, so interessant und nervenkitzelnd, die Situation mit Thanatos und Hypons auch war, hatte sie offensichtlich einen zu großen Effekt auf meine Gesundheit. Vorallem meine mentale und die war wirklich mindestens genau so wichtig wie meine körperliche Fitness. Was war dieses ständige Gefühl von Paranoia, dieses Beißen und Stechen an meinem Herzen vor Angst mich würde gleich von hinten jemand in die Dunkelheit ziehen? Ich fühlte mich als würde ich an einer Kante entlang spazieren, einen Millimeter vor dem Abgrund.

Am Nachmittag beschloss ich, nachdem ich den Tag damit verbrachte an meiner Entscheidung, die Sache mit den Zwilligen mal abkühlen zu lassen, zu zweifeln, einen Kuchen für Jasons Vater zu backen.
Er war der Dorfmetzger und einer der wenigen Alleinerzieher hier. Er tat mir unglaublich leid und deshalb beschloss ich auf dem Weg in die Bücherei, in der ich noch ein Schulbuch abholen musste, ihn zu besuchen.

Auf dem Weg dorthin zog mir die klirrende Septemberluft um die Ohren und jagte mir die Eiseskälte in die Knochen.

Irgendwie scheinte die Gegend in letzter Zeit so leblos, fast so ausgestorben wie die Neanderthaler. Wie der flüsternde Wind so durch die kahlen Äste der schlafenden Bäume streichte und der Fluss sich langsam der Kälte hingab und eisig ermüdete. Mir flog der Gedanken durch den Kopf, dass irgendetwas das Leben hier gestohlen hat.

Ich schlenderte über die kleine Brücke hinauf zur Bibliothek, die auf einem Hügel neben meiner Schule, der Jackson High, thronte. Die alten schweren Türen knaarten als ich Eintrat und den jungen Bibliothekar begrüßte. Mein Buch ,,The Picture Dorian Grey" für meine englische Literatur Klasse wollte ich abholen, also began ich zu suchen.

Den Kuchen hatte ich in meiner Tasche fest verstaut und diese um meine Schultergeschwungen. Ich muss zugeben so war es um einiges leichter das schwere Gefühl des Gewichtes der Ungewisstheit um Jasons Zustand zu ignorieren, wenn man nicht die ganze Zeit durch seine Auswirkungen davon erinnert wird. Obwohl ich mir versprochen habe nicht über die ,,Was ist wenn"s mir den Kopf zu zerbrechen, liegt es doch in der menschlichen Natur sich durch seine Empathie und Nächstenliebe selbst zerstören zu dürfen. Ich würde es nicht einmal ein Privileg der westlichen Gesellschaft nennen, obwohl dies wohl mehr als mein Leben ausmacht, sondern ein Grundbedürfnis eines Individuums.

Gerade als ich mich in meinen Gedanken so versunken wie die Titanik im klirrend kalten Eiswasser fand und die morschen Regale nach Oscar Wilde absuchte, gingen mir die besagten Regale aus.

Nichts mehr.

Etwas verwirrt tauchte ich tiefer in den Raum ein. Hier waren nur ein paar alte Lexikons, doch ganz hinten, spärlich beleuchtet, befanden sich noch ein paar klassische Bücher. Genau wonach ich suchte, was ich fast übersehen hätte.

Ich lief den Gang entlang, meine Augen gleiteten von Buch zu Buch, Titel zu Titel, Autor zu Autor. ,,Komm schon Dorian, wo versteckst du dich?" hörte ich mich sagen.

,,Dorian Grey?"

Ertönte eine Stimme hinter mir, genau so leise wie die meine, die in der Stille der Bibliothek irgendwie fehlplatziert wirkte.

Aber irgendwie erschrack ich nicht, es war als hätte ich gewusst er würde hier auftauchen. Ich lächelte als mir unsere beiden Spiegelbilder im Fenster am Ende des Ganges ins Auge fiehl.

Ich sah, dass er mich sah wie ich ihn sah.

Unsere Blicke kreuzten sich. Es war als wäre ich auf einmal in seinen Sog geraten, in seinen Bann gezogen worden. Ich beobachtete transfixiert, wie er, mit diesem komischen verrückten Funkeln in den Augen auf lich zu Schritt. Auch wenn der Boden morsch war, hätte ich nicht hören können wie er auf den Boden seine Macht ausübte, zu verlohren war ich in der Antizipation, was Hades wohl vor hatte.
Ein Teil meiner Angst flüsterte mir ins Ohr was ich nicht wahr haben wollte: Ob alte Diehlenbretter oder Faszination, die mir meine teuersten Sinne raubt, Hades, der auf mich zuschreitet mit der determination eines verhungerten Wolfes machte nie auch nur ein einziges Geräusch.
Unaufhaltsam, wie die Tränen des Himmels, wenn sie auf dich herabfallen.
Unberechenbar, wie die Einzigartigkeit der Schneeflocke.

Tödlich, wie eine Lawine

Hot As HellWo Geschichten leben. Entdecke jetzt