Jelsa - Gefrorener Kuss

Hüter

"Jack." Tooth schnippst mit dem Finger vor meinem Gesicht. Verwirrt richte ich mich auf. Offensichtlich bin ich am Tisch eingeschlafen.
"Vielleicht solltest du dich hinlegen, Keule."
Stumm schüttele ich den Kopf. Wenn selbst Bunny sich um mich sorgen macht, muss ich wirklich schlimm aussehen. Aber dafür habe ich keine Zeit.
"Er hat recht, Jack." North schaltet sich mit seinem unverwechselbar russischen Akzent ein.
Tooth legt mir eine Hand auf die Schulter.
Wortlos stehe ich auf und verlasse das Zimmer. Für Mitleid habe ich wirklich keine Zeit. Ich muss weiter.
Weiter, weiter, weiter.
Nur wohin? Seit ich wieder hier bin, habe ich Tag und Nacht die ganze Welt nach ihr abgesucht. Ohne Erfolg.
Ich weiß nicht, wo ich noch suchen soll.
Ich brauche Hilfe. Einen Rat. Irgendetwas.
Jamie.

Als ich vor der Haustür lande zögere ich einen Moment. Soll ich wirklich klopfen?
Die Entscheidung wird mir abgenommen, denn die Tür schwingt vor mir auf und Jamie steht mir gegenüber.
"Jack!" Begeistert stürmt er auf mich zu und wirft mich dabei fast um.
"Hey Kleiner."
"Komm rein.", er zieht mich nach nach drinnen. "Wo warst du? Mama ist leider nicht da. Du warst ewig weg!"
"Ich...bin da in was rein geraten."
"Was....?" Jamie scheint bemerkt zu haben, dass mit mir irgendetwas nicht stimmt. Er sieht mich an und ich zwinge mich zu einem Lächeln, das realistisch gesehen wohl eher eine Grimasse geworden ist.
"Jack du siehst echt scheiße aus."
"Na vielen Dank."
"Ich meine es ernst. Was ist los?"
Die Kinderaugen sehen mich besorgt an und ich frage mich, wann Jamie nur so groß geworden ist.
"Ich... das... ist eine längere Geschichte."
"Keine Sorge, ich hab Zeit." Demonstrativ setzt er sich auf den Boden.
Und ich fange an es ihm zu erzählen.
Von dem Buch, in das ich durch das Amulett hineingeschleudert wurde. Von Arendell, dem Schloss, dem Kampf mit Pitch und natürlich Elsa.
Davon, dass ich sie liebe und sie verloren habe.
Und, dass ich sie finden muss.

Als ich schließlich fertig bin sitzt Jamie mir staunend gegenüber und ist offensichtlich sprachlos.
"Wow."
"Das kann man wohl sagen."
"Und was willst du jetzt machen?"
"Ich weiß es nicht." Kraftlos vergrabe ich das Gesicht in meinen Händen und sacke in mich zusammen.
"Ich weiß nicht, wo ich noch suchen soll. Ich weiß ja nicht einmal, ob sie noch lebt!", jammere ich gedämpft durch meine Hände.
"Hey, das wird schon." Beruhigend klopft er mir auf den Rücken.
So weit ist es schon gekommen, dass ein kleiner Junge mich trösten muss,  weil ich mal wieder auf ganzer Linie versagt habe.
"Ich habe es wirklich nicht verdient ein Hüter zu sein."
"Das ist Quatsch und das weißt du auch."
"Ich hätte sie retten müssen. Ach, ich hätte sie gar nicht erst mitnehmen dürfen. Ich hätte-"
"Du hättest gar nichts." Entschieden steht Jamie auf und sieht an meinem Arm, damit ich es ihm gleich tue. "Du hast Anna gerettet und Elsa so gut beschützt, wie es ging. Gegen Pitchs Hokuspokus konntest weder du noch sonst jemand etwas ausrichten. Dir Vorwürfe zu machen ist das letzte was du brauchst und unrealistisch noch dazu."
Jamie hat mich in die Küche gezogen und werkelt nun geschäftig darin herum.
"Du weißt selbst genau, dass niemand besser gegen Pitch angekommen wäre als du. Und das du ein Hüter bist, steht gar nicht erst zur Diskussion.
Jetzt hör auf mit den Selbstzweifeln und trink erst mal einen Tee." Kurzerhand hat er mir eine Tasse kalter Flüssigkeit mit einem darin schwimmenden Beutel vor die Nase gestellt.
"Und dann überlegen wir uns, was wir als nächstes tun."
"Wir?", frage ich einsilbig.
"Natürlich wir. Wozu hat man denn Familie?"
Jamie grinst schief und da weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war, herzukommen.
Das habe ich gebraucht.

Eine halbe Stunde später habe ich brav meinen Tee getrunken und sitze auf Jamie's Fensterbank.
"Und du hast North, Bunny, Tooth und Sandy nichts erzählt?"
"Nicht wirklich."
"Jack, manchmal bist du wirklich... Dann wäre wohl der erste Schritt die anderen um Rat zu fragen."
"Ich schätze da hat du recht."
Ausweichend sehe ich aus dem Fester.
"Die Nordlichter." Ich springe auf.
"Was?"
"Die Nordlichter!", rufe ich lauter und bin schon halb aus dem Fester.
"Ich muss sofort los."
"Aber ich sehe gar nichts."
"Ist ja auch nur für Hüter. Erkläre ich dir später."
"Halt mich auf dem Laufenden. Und macht keinen Mist.", ruft Jamie mir hinterher, aber ich bin schon fast weg. Der Wind trägt mich auf dem schnellsten Weg zum Nordpol, immer den grünen Lichtern entgegen.

"Was ist los?", platze ich in den Globusraum. Die Hüter sind jetzt alle versammelt.
"Es ist Manny.", erklärt North und deutet auf den Boden. "Er ernennt einen neuen Hüter."
"Was?"
"Ich habe mich auch gewundert, Jack.", bestätigte Tooth, während Sandy seltsame Zeichen über seinem Kopf erscheinen lässt, die viel zu schnell wieder verschwinden, als dass man sie erkennen könnte.
Der Boden öffnet sich.
"Es geht los.", verkündet North und Bunny murmelt etwas vor sich hin, das verdächtig nach bitte nicht der Buzemann  klingt.
Nach und nach schiebt sich eine Eisskulptur aus dem Boden.
"Haha! Ein Mädchen!", quietscht Tooth begeistert.
"Ja, aber wer?", wirft Bunny in den Raum und schließt sich damit Sandys Fragezeichen an.
"Ich kenne sie nicht.", meint North und sorgt dafür, dass sie alle Blicke auf mich richten.
"Jack?"
Ich erwache aus meiner Erstarrung, in die ich seit erscheinen der Skulptur gefallen bin, weil ich sie überall erkannt hätte und ihr Spiegelbild fast besser kenne, als mein eigenes.
"Das ist Elsa."

"Elsa wer?" Meine Freunde sehen mich unschlüssig an.
"Elsa von Arendell. Meine Freundin."
"Du hast eine Freundin!?" Bunny sieht mich entgeistert an.
"Ja. Nein. Aber das tut gerade nicht zur Sache, weil es unmöglich ist, dass sie hier sein kann."
"Seit wann hast du eine Freundin!?", fragt Bunny, während North mich fragt, wo sie ist.
"Das weiß ich nicht. Und genau das ist das Problem. Arendell ist ein Ort aus einem Buch, aber trotzdem real. Ich war da. Und jetzt bin ich wieder hier und Elsa offenbar auch, nur kann ich sie nicht finden.", stammele ich.
"Nun mal ganz langsam.", versucht North Struktur in meine Erzählungen zu bringen, während Bunny leicht  erschüttert "Er hat eine Freundin." zu niemandem bestimmtes sagt.

Nach und nach erzähle ich ihnen, genau wie Jamie zuvor, was mir passiert ist, während ich verschwunden bin und erkläre ihnen,  wer unsere neue Hüterin ist.
"Alle Achtung, Keule.", bricht Bunny als erster das Schweigen und North murmelt irgendetwas auf russisch.
"Wir finden sie. Baby-Feen!", ergreift Tooth die Initiative. "Ausschwärmen."
"YETIS!", donnert North. "Los! Helft ihnen."
Und sie schwärmen aus.

Als alle losgezogen sind, die neue Hüterin zu finden, fühle ich mich zum ersten mal, seit ich wieder hier bin, zuversichtlich.

Ich werde dich finden Elsa.