JACK
Als ich aufwache, ist es noch dunkel. Tausende Sterne funkeln ungetrübt von Wolken über dem Himmelszelt am Nordpol, doch sie werden nicht mehr lange dort zu sehen sein. Schon jetzt zieht sich ein schmales rotes Band am Horizont entlang und kündigt die aufgehende Sonnen des nächsten Tages an. Für mich ist es allerhöchste Zeit aufzustehen. In den letzten Wochen habe ich meine Arbeit als Bote des Winters ziemlich schleifen gelassen, weshalb sie in den Nachrichten schon vom wärmsten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnungen sprechen. Das kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen. Mir juckt es schon länger in den Fingern, mal wieder meinen Kräften freien Lauf zu lassen und ordentlich Dinge einzufrieren, nur hatte ich bisher keine Zeit dazu. An die Natur ist mein Egoismus natürlich ein Verbrechen. Die Pflanzen brauchen Ruhe, um im Sommer wieder ausschlagen zu können. Für die Natur ist es wichtig, dass Schnee liegt und es kalt ist und nicht, dass ich Elsa finde. Meine Prioritäten sind da genau andersherum, was mich zu einem Egoisten mach. Genau aus diesem Grunde springe ich nicht gleich aus dem Fenster und mache mich auf den Weg den Kontinenten den Winter zu bringen, sondern gehe in die entgegengesetzte Richtung. Vorsichtig öffne ich wie jeden Morgen die Tür zu Elsas Zimmer und spähe wie ein Stalker hinein. Bevor ich mich auf den Weg mache muss ich wissen, dass es ihr gut geht. Gestern hat sie sich so seltsam verhalten und noch blasser als sonst ausgesehen. Ich mache mir Sorgen um sie. Was wenn der Mond sie mir wieder nehme will? Nein, das lasse ich nicht zu. Und wenn ich persönlich zu ihm hinaufsteigen muss.
Elsa seufzt leise im Schlaf und das Geräusch reißt mich aus meinen Gedanken. Sie sieht so unfassbar schön aus, dass ich es nur unter größten Anstrengungen schaffe den Blick abzuwenden. Stattdessen lege ich eine Eisrose auf ihren Nachttisch und betrachte lächelt die Vase auf der Kommode mit den anderen Rosen von mir. Wenn es nach mir ginge, hätte sie unzählige Rosen jeden Tag. Kurz erschrecke ich mich selbst über meine Gedanke. Wann bin so... kitschig geworden? Und so ernst? War Jack Frost nicht immer ein sorgloser, verantwortungsloser Einfallspinsel, der das Konzept der Liebe nicht verstanden hat und sich nur um sich selbst kümmert?
Ja, das war er. Aber seit er eine Familie hat, hat er Menschen um die er sich sorgen kann und für die er gerne Verantwortung übernimmt. Das letzte Jahr bei den Hütern hat mich vieles gelehrt und verändert. Wenn niemand einen sehen kann, wenn niemand einen beachtet, dann ist man sehr einsam. Wie soll man sich um andere Sorgen, wenn es niemanden gibt, um den man sich sorgen kann. Wozu Verantwortungsbewusstsein, wenn es nichts gibt, für das man Verantwortung übernehmen kann? Egoismus ist der einfachere Weg. Egoismus und Verdrängung.
Doch jetzt habe ich -so kitschig es auch klingen mag- endlich einen Platz gefunden, an den ich gehöre. Und jetzt, wo ich endlich dazu gehöre, sehe ich vieles anders. Das möchte ich nie wieder verlieren.
Leise verlasse ich ihr Zimmer und bemerke noch die kleinen Fußabdrücke im Schnee. Selbst die Zipfelmützen haben Elsa einen Besuch abgestattet. Aus irgendeinem Grund freuen ich mich darüber. Vielleicht weil es bedeutet, dass selbst sie sie akzeptiert haben.Vier Stunden später komme ich erschöpft, aber zufrieden wieder am Nordpol an. Vorerst ist der Winter wieder auf dem Vormarsch und in den Nachrichten sprechen sie schon von einem überraschenden Kälteeinbruch. Durch ein Fenster, dass ich vorausschauend für mich offen gelassen habe, fliege ich ins Haus. Kaum bin ich gelandet bleibe ich wie erstarrt stehen und reiße die Augen auf. Vor mir, mitten im Gang, wackelt ein Baby-Schneemann auf und ab. Ach du Heiliger...! Schlagartig fallen mir die Fußabdrücke in ihrem Zimmer ein. Das waren keine Wichtel, sondern Schneechen!
Der kleine Schneemann stößt einen Laut aus, der einem Schrei ähnlich ist und rennt so schnell ihn seine Beinchen tragen können vor mir weg. Nach einer Schrecksekunde reiße ich mich aus meiner Erstarrung und setze ihm nach. Schlittern folge ich im um die nächste Kurve und werfe mich mit einem Hechtsprung auf ihn.„Hab dich!" Der Baby-Schneemann versucht sich aus meinem Griff zu befreien, aber ich lasse nicht los.
„Was genau machst du da unten?", fragt eine Stimme über mir spöttisch. Bunny.
„Sieht man doch. Ich fange Schneemänner." Ungeachtet der Tatsache, dass ich zu seine Füßen liege, stütze ich mich mit dem Ellenbogen auf dem Boden ab und bringe mich in eine lässige Haltung. Mit dem Kopf deute ich auf den kleinen Zwerg. „Du hast nicht zufällig noch mehr von denen gesehen?" Bitte sag nein. Bitte sag nein.
„Was hast du angestellt?", misstrauisch aber alarmbereit zieht Bunny seinen Bumerang und beugt sich über mich.
Ich unterdrücke ein Fluchen. „Dann hast du also noch mehr von ihnen gesehen.", spreche ich aus, was ich befürchtet habe. Das ist gar nicht gut. Warum muss ich bei so etwas immer recht haben?
„Frost, ich warne dich."
„Keine Sorge." Mit einem Satz springe ich auf die Füße. „Ich habe ausnahmsweise einmal Nichts damit zu tun. Also zum Großteil."
„Was soll das heißen?"
„Das heißt, dass wir jetzt ein relativ großes Problem haben und du mir lieber Einfangen hilfst."
Verständnislos sieht er mich an, den Bumerang immer noch gezückt. Sieht aus, als müsste ich noch mehr erklären.
„Bunny, wo ist Elsa?"
„Äh... In der Werkstatt, glaube ich."
Ich fluche ausgiebig und renne los. „Komm endlich!", rufe ich ihm über die Schulter zu und er folg mir. Auf dem Weg fasse ich ihm die Wichtigsten Informationen zusammen.
„Elsa ist krank. Ich hatte es gestern schon vermutet, aber sie ist so stur, wie Marshmallow. Ich habe ihr gesagt, dass es auf dem Dach zu kalt ist und... Ach ist ja auch egal. Jedenfalls hat Anna erzählt, dass das schon einmal vorgekommen ist. Jedes Mal wenn sie niest erschafft sie ungewollt diese kleinen Biester und wenn ich dir sage, dass sie mehr Unsinn als die Wichtel anrichten, dann ist das nicht Übertrieben."
„Heilige Möhre!", stößt Bunny entsetzt aus.
„Du bringst es auf den Punkt, Kumpel."
Wir erreichen die Werkstatt. Schon von außen hört man den Trubel im Inneren. Wir öffnen die Tür und stehen vor einem Schlachtfeld. Überall liegt Spielzeug auf dem Boden, die Tisch sind umgekippt und Materialien verstreut. Mit Farbe beschmierte Yetis jagen Wichteln und unzähligen Schneechen hinterher, wobei mehrere von ihnen auf den Yetis sitzen und versuchen sie mit Lichterketten zu fesseln.
Und in Mitten des Chaos liegt Elsa bewusstlos auf dem Boden.
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Jelsa - Gefrorener Kuss
FanfictionDies ist die Fortsetzung von 'Jelsa - Wie Eis und Schnee' "Die Welt ist schwarz und Dunkelheit das einzige was ich kenne." Was passiert, wenn Elsa keine Erinnerungen mehr an sich, Arendell und Jack hat? Wenn ihre Liebe sich ganz neu entwickeln muss...