Faces |Vkook|

⊶37⊷

Jungkook Pov

Normalerweise ist es immer der dröhnende Kopfschmerz, der mir zu allererst nach dem Switch von einer Persönlichkeit zurück zu mir auffällt. Es ist kein normaler, wie man ihn hat wenn man zum Beispiel zu viel Stress ausgesetzt ist, sondern ein Druck, der sich anfühlt als würden mehrere kleine Männchen dort oben auf meinem Gehirn herumtrampeln. Aber dieses mal ist es anders, dieses mal sind es nicht die Kopfschmerzen, die mir zu schaffen machen als ich die Augen öffne und mein Bewusstsein zurück erlange.

Mein Hals schmerzt während ich mich langsam aufsetze und mich dabei mit den Händen auf dem kalten und unebenen Boden abstütze. Es fühlt sich an, als hätte jemand erst vor wenigen Sekunden noch seine Hände um meinen Hals gehabt und versucht mich umzubringen, aber als ich meinen Blick durch den Raum wandern lasse merke ich, dass ich selber dieser jemand war oder besser gesagt Yoongi.

Taehyung klettert gerade auf den Stuhl um den Strick vom Haken an der Decke zu lösen, den er mit ziemlicher Sicherheit nicht selber dort befestigt hat. Eigentlich kann ich mir aus allem, was ich hier sehe selber schließen was passiert sein muss, aber trotzdem muss ich es genau wissen. Ich muss wissen was Taehyung durchmachen musste während den Minuten oder vielleicht sogar Stunden in denen ich nicht Ich war.

"Taehyung..." Er zuckt bei der leisen Erwähnung seines Namens zusammen und hält sich am Strick fest als er beinahe das Gleichgewicht deswegen verliert. Sein Lachen erwärmt die kalte Garage als er sich wieder fängt und zu mir dreht. Ich presse die Lippen aufeinander und könnte mich selber dafür schlagen so unvorsichtig gewesen zu sein. Er hätte runter fallen können, ich hätte damit rechnen müssen das er sich erschreckt, immerhin hat er nicht gesehen das ich mein Bewusstsein wieder erlangt habe.

"Wie geht es dir?", fragt er und hört kurz auf an dem Strick herum zu fummeln um es vom Haken zu lösen. Seine ganze Konzentration widmet er mir und die Besorgnis in seiner Stimme ist trotz des sanften Lächelns nicht zu überhören.

"Gut... Denke ich." Ich klinge selber nicht wirklich sicher und um ehrlich zu sein zweifle ich auch an meiner gegenwärtigen Verfassung, aber das ist nicht wichtig. Es muss mir gut gehen. "Was ist passiert?", frage ich und sehe mich nach irgendwelchen Anzeichen um, aber alles, was hier nicht stimmt ist tatsächlich dieser Strick.

Er zuckt mit den Schultern als wäre es gar nicht so wichtig und macht dann damit weiter während er erzählt. "Du lagst nicht mehr im Bett als ich aufgewacht bin, also habe ich im Haus nach dir gesucht und als ich dich nirgends gefunden habe, wollte ich nachsehen ob dein Auto noch hier in der Garage steht." Er macht eine kurze Pause und fast schon glaube ich, dass ihm das ganze irgendwie zu schaffen macht, aber er spricht einfach weiter.

"Yoongi stand hier auf dem Stuhl mit dem Strick um den Hals, aber er ist nicht gesprungen. Er hat mir gleich von Anfang an gesagt, dass er es nicht tun wird und auch nicht kann. Wir haben etwas geredet und als er vom Stuhl herunter wollte, hat dieser unter ihm nachgegeben. Er ist gefallen, aber ich war da und habe ihm geholfen."

Es war also wie ich es mir gedacht habe. Das Yoongi es wieder nicht getan hat ist ein Glück für mich, denn ich glaube das er durchaus dazu bereit wäre, wenn da nicht Jimin wäre. Wenn dieser ihm dem Rücken zukehren würde, wäre das wohl das Ende für uns alle. Es ist also nicht übertrieben wenn ich sage, dass Jimin das Leben von uns allen in der Hand hat.

Ich nicke, obwohl ich weiß das er mich gar nicht anguckt, als Zeichen dafür das ich es verstanden habe. Taehyung hat das ganze ungerührt erklärt, als würde er mir nur schildern wie sein Tag gelaufen ist und ich habe mir nichts dabei gedacht, aber als ich ihn genauer ansehe, wie er die Lippen aufeinander presst, immer wieder zwinkert und wie seine Hände zittern während er versucht den Strick zu lösen, da fällt mir erst auf das ihn das ganze überhaupt nicht kalt gelassen hat.

Taehyung zu verstehen ist mir bisher noch nicht gelungen, dafür ist er viel zu einzigartig, aber das hier verstehe ich sehr wohl. Er versucht vor mir so zu tun als wäre alles in Ordnung, als wäre das ganze mit Yoongi nichts dramatisches gewesen, aber während er mit seiner Stimme und seinen Worten gut lügen kann, verrät ihn sein Körper. Er zeigt mir die Sorge, die er um mich hatte.

Vielleicht wäre es fairer von mir das ganze einfach zu ignorieren und so zu tun als würde ich es ihm abkaufen das es ihm gut geht, aber das kann ich nicht. Auf der einen Seite erfüllt es mich mit Wärme und einer unglaublichen Dankbarkeit, dass er sich so um mich sorgt, aber auf der anderen Seite möchte ich nicht das er es tut. Er soll sich nicht so viele Gedanken um mich machen, wenn diese Gedanken ihn traurig stimmen.

Ich gehe zu ihm herüber und lege meine Hände auf seine Hüfte als er keine Anstalten macht sich zu mir zu drehen, also tue ich es, aber selbst dann meidet er meinen Blick so gut wie es nur geht. Um ihm in die Augen zu sehen muss ich den Kopf in den Nacken legen, aber er schließt sie stattdessen ganz, als würde ich so nicht die Tränen sehen, die seine Wangen hinunter laufen und irgendwo auf dem Boden landen.

Wie lange ist es her, dass jemand um mich geweint hat? Ich weiß nicht einmal ob das überhaupt irgendwann der Fall war, es ist das erste mal das mir so etwas passiert. Wenn jemand um dich weint, bedeutet das doch das du ihm viel bedeuten musst. Taehyung weint um mich.

Sanft nehme ich seine zitternden Hände in meine eigenen und Wende den Blick nicht ab, halte ihn auf seine Augen gerichtet als ich meine Lippen auf seinen Knöcheln platziere und einen Kuss drauf hauche. Immer wieder verteile ich küsse auf seinen Gesamten Händen und warte darauf das er mir ebenfalls in die Augen sieht, aber das tut er nicht, bis ich meine selber irgendwann schließe.

"Du hast mir mein Leben gerettet", flüstere ich leise und lehne meine Stirn gegen seine Beine. "Danke, dass du das getan hast und das du dir Sorgen um mich machst. Ich bin dir dankbar für so vieles, aber vor allem bin ich dir dankbar dafür das du bei mir bleibst, denn ich möchte nicht das du jemals wieder gehst."