⊶56⊷

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Taehyung Pov

Seine Worte sind keine Überraschung für mich, es hätte mich ja viel eher verwundert wenn er eine Liebeserklärung an Jungkook gemacht hätte, aber sie lassen mich trotzdem sprachlos stehen. Man kann über Hoseok sagen was man möchte, aber er weiß wie er Eindruck bei anderen hinterlässt, ob mit oder ohne Absicht. Jedes Wort aus seinem Mund, ich wage sogar zu behaupten jede Silbe, hat so viel Kraft drin, dass du nicht anders kannst als darüber nachzudenken.

Selbst wenn er so etwas vollkommen dämliches wie: "Die Erde ist ein Rechteck" sagen würde, würden die meisten Menschen erst einmal nicht auf die Idee kommen das zu hinterfragen. Sie würden, genau wie ich gerade, erst einmal darüber nachdenken, weil er das mit so einer Ernsthaftigkeit, so einer Überzeugung sagt, dass es nur richtig sein kann.

Bei seiner Aussage gerade gibt es zwar kein richtig oder falsch, denoch lässt es mich nachdenklich zurück, selbst als er aus dem Zimmer stürzt und mich mit diesen Gedanken alleine lässt. Das er Jungkook hasst war von Anfang an kein Geheimnis, aber zum ersten mal glaube ich zu wissen warum dem so ist. Es ist kein blinder Hass, weil ihm seine Art oder sein Auftreten nicht gefällt, sein Grund ist sogar recht plausibel für mich.

Er gibt Jungkook die Schuld daran in seinem Körper eingesperrt zu sein. Im Endeffekt hasst er nicht Jungkook als Person, er hasst ihn dafür ihn kreiert zu haben. Wenn es nach ihm gehen würde, gäbe es ihn gar nicht erst. Hoseok würde lieber gänzlich auf seine Existenz verzichten als sie so verbringen zu müssen, voller Hass.

Ich hätte nie gedacht das ich irgendwann einmal so weit kommen würde Verständnis für ihn aufzubringen und sogar mehr als das. Diese Situation gerade, seine Worte und der Ausbruch an Gefühlen wecken in mir das Verlangen ihm zu helfen. Aber wie soll das gehen?

Das alles ergibt keinen Sinn. Wenn Hoseok seine Existenz wirklich so sehr verabscheut das er sie am liebsten rückgängig machen würde, wieso hat er die Tagebücher, die uns dabei helfen könnten diese Sache zu lösen, dann versteckt? Wenn Jungkook lernt mit dem Vergangenen klar zu kommen, wenn er es als das was es ist, nämlich Vergangenheit, akzeptiert, dann würde Hoseok genau das bekommen was er möchte. Also warum hat er sie versteckt? Und die Frage die noch interessanter ist, ist die warum er sie überhaupt erst geschrieben hat?

Wenn ich ein Geheimnis habe, von dem ich nicht will das irgendjemand davon erfährt, dann behalte ich es doch für mich, oder? Niemand kann in meinen Kopf blicken, mein Gehirn ist der sicherste Speicherplatz den es gibt. Warum also sollte ich ein Geheimnis, das auch eines bleiben soll, irgendwo nieder schreiben und riskieren das jemand es findet? Für mich ergibt das keinen Sinn.

Aber nichts was hier geschieht ergibt überhaupt einen Sinn. Hoseok reagiert immer sehr überstürzt, meistens aus dem ersten Instikt heraus und auch wenn ich nicht glaube das er Dumm ist, so denkt er nie über seine Taten nach. Er handelt zuerst und selbst danach macht er sich nicht die Mühe das Geschehene zu rekapitulieren, für ihn ist alles was er tut Richtig.

"Ich würde ihm hinterher rennen." Ich zucke zusammen und suche den Raum wie wild nach der Stimme ab die eben zu mir gesprochen hat, bin mir sogar beinahe sicher ich hätte sie nur in meinem Kopf gehört, bis ich Yeongsu an den Türrahmen gelehnt stehen sehe.

Er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen, wirklich verübeln tue ich ihm das allerdings nicht, wer weiß wie blöd ich ausgesehen haben muss während ich Fieberhaft nach der Quelle der Stimme im Raum gesucht habe. Am liebsten würde ich auch lachen, bei der Vorstellung von meinem Angsterfüllten Selbst passiert es sogar beinahe, aber meine Mundwinkel wollen sich einfach nicht nach oben bewegen. Viel zu viele Sorgen mache ich mir wegen dem, was eben passiert ist. Das führt mich auch wieder zurück zu Yeongsus Worten.

"Ich weiß nicht wo er hin gerannt ist", sage ich beinahe verzweifelt und schließe die Augen. "Außerdem bezweifle ich das er mich gerade sehen möchte." Oder das es andersherum der Fall ist. Das Hoseok und ich keine Freunde werden würden war von dem Moment an klar, als er seine Finger um meinen Hals gelegt hat, aber es ist nicht nur das. Wir beide kommen überhaupt nicht gut miteinander klar, es ist, als würde man Wasser und Öl zusammen bringen wollen. 

Yeongsu weiß das natürlich nicht, er denkt es war Jungkook, der sich eben so am Esstisch benommen hat und der jetzt aus dem Haus gestürmt ist. Für ihn, seine Eltern und den Rest der Welt war es immer Jungkook, niemand weiß was in ihm vorgeht. Niemand außer mir und doch scheint sein Bruder der einzige zu sein, der ihm so etwas wie Verständnis entgegen bringt, trotz seines Unwissens.

"Ich sehe das ganz anders." Erst jetzt, wo ich ihn genauer ansehe, erkenne ich die Trauer in seinem Blick. Als würde er hier nicht über seinen Bruder sprechen, sondern über etwas schon längst verlorenes. "Du bist der einzige von uns, den er gerade wahrscheinlich sehen möchte. Meine Eltern sind Idioten, die nichts anderes als ihr eigenes Wohl im Kopf haben und ich..." Er bricht plötzlich ab und sieht mich kurz an. Ich kenne diesen Blick, er möchte sicher gehen das er nicht zu viel gesagt hat, als wäre er kurz davor gewesen mir etwas zu beichten, was ich nicht hören soll. Irgendwann schüttelt er einfach nur den Kopf. "Für mich ist es zu spät den großen Bruder zu spielen."

Ich weiß nicht was es war, das er mir gegenüber fast offenbart hätte und das er jetzt doch als Geheimnis bewahren möchte, aber es scheint ihn traurig zu stimmen. Seine Worte passen zu dem Ausdruck in seinem Gesicht, er hat bereits aufgegeben. Vorhin wirkte es noch so, als würden die beiden sich gut verstehen, die einzigen in der Familie bei denen es der Fall ist, aber seine Worte regen mich zum Nachdenken an.

Er stößt sich von dem Türrahmen ab und zeigt an mir vorbei zum Fenster. "Er befindet sich auf dem Spielplatz." Mit diesen Worten dreht er mir den Rücken zu und verschwindet aus dem Zimmer. Er braucht mich nicht einmal zu fragen ob ich ihm wirklich hinterher gehen werde, die Antwort darauf ist eigentlich klar und selbst sein Bruder scheint sie in den wenigen Minuten, die wir uns sehen durften, erkannt zu haben. Hoseok, Jin, Jimin, Namjoon und Yoongi, ganz egal wer sich in diesem Körper befindet, für mich ist es immer Jungkook.

Und diesen würde ich niemals im Stich lassen.

Faces |Vkook|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt