⊶69⊷

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Taehyung Pov

Ich packe das Buch über Verhaltensstörungen, das ich gerade lesen muss, zur Seite und springen aus dem Bett als Jungkook ins Zimmer kommt, aber auch bevor er den Kopf schüttelt und mir damit zeigt das es sich nach wie vor nicht um Jungkook handelt, bemerke ich das.

Es ist jetzt schon fünf Tage her seit wir von dem Anwesen, das Jungkooks Eltern gehört, hierher zurückgekehrt sind. Das Namjoon damals aufgetaucht ist war für mich nicht weiter komisch, immerhin muss Jungkook vollkommen überfordert von dem ganzen gewesen sein. Wenn ich mir vorstelle, dass ich drei Jahre meines Lebens vergessen hätte und sich dann herausstellt, dass es einen guten Grund dafür gab, weil sie mehr als nur grausam war, ich wäre nicht so stark wie Jungkook. Ich würde wohl tatsächlich daran zerbrechen.

Anfangs sah es für mich aus als würde er es schaffen das ganze zu verarbeiten. Ich habe nicht erwartet, dass er mit den Schultern zuckt und einfach so weiter macht als wäre nichts geschehen, ich habe sogar damit gerechnet das er sich für eine Weile zurück ziehen würde bevor er mit mir redet, aber das hier habe selbst ich nicht geahnt.

Es ist fünf Tage her seit Namjoon die Kontrolle über den Verstand übernommen hat und seit fünf Tagen behält er diese auch. Er sagte mir, dass er den Grund dafür kennt, ihn mir aber noch nicht sagen kann weil er selber darüber nachdenken muss, aber das er jetzt hier ist bedeutet wohl das er zu einer Lösung gekommen ist.

Ich schlage die Decke auf meinem Bett zur Seite und mache ihm Platz damit er sich ebenfalls hinsetzen kann. Ein Lächeln umspielt seine Lippen, aber keines von der ehrlichen Sorte. Es ist etwas ernstes worüber er reden muss, das merke ich und ich komme nicht drum herum zu bemerken wie nervös mich das macht.

Er braucht eine Weile bis er tatsächlich anfängt zu sprechen und als er es tut, ist seine Stimme tiefer und ruhiger als sonst. "Ich dachte immer ich hätte mehr Zeit. Wer hätte gedacht das ich mich innerhalb von ein paar Monaten auf einen Abschied vorbereiten muss." Er lacht, aber seine Augen lachen nicht mit ihm.

Er wirkt traurig und anfangs verstehe ich nicht warum, seine Worte ergeben für mich überhaupt keinen Sinn. Es ist ja nicht so als würde die Zeit davon rennen, was auch immer er damit meint, er hat noch genug davon. Aber dann fällt mir ein, was er tatsächlich damit meinen könnte.

Er sagte, dass er sich in den letzten Monaten auf einen Abschied vorbereiten musste, Jungkook und ich kennen uns seit einigen Monaten. Es könnte also etwas sein, was mit mir zu tun hat, mit mir und einem Abschied, aber der Gedanke der mir dabei kommt überrumpelt mich ein wenig. Außerdem fällt es mir irgendwie schwer zu glauben das ich damit richtig liegen könnte.

"Du musst mir das erklären", sage ich und runzle verwirrt die Stirn.

"Jungkook erinnert sich wieder, nicht wahr?" Es ist eine Frage, aber ich weiß das er die Antwort darauf bereits kennt. "Der Grund, warum es uns gibt ist der, dass Jungkook den Schmerz nicht alleine bewältigen konnte. Nach unserer Flucht hat er seine Erinnerungen uns überlassen, aber jetzt wo er sie zurück hat und den Schmerz, der ihn damals fast zerrissen hat, besiegt, braucht er uns nicht mehr."

Er zuckt mit den Schultern als wäre diese Enthüllung nichts weiter als irgendetwas was man nebenbei mal so erwähnen kann. Ich bin nicht imstande mich zu regen oder überhaupt klar zu denken, viel zu benommen bin ich von der Tatsache, dass sich meine Vermutung bewahrheitet. Das hier hat er mit Abschied gemeint, er hält es für einen guten Zeitpunkt zu gehen.

Es war das, was ich Jungkook von Anfang an versprochen habe und es ist das was er sich so sehr wünscht. Ein normales Leben, wieder alleine in seinem Körper zu sein und doch fühlt es sich so unwirklich an jetzt wo es soweit ist. Es fühlt sich an, als würde ich von jemandem, den ich seit Ewigkeiten kenne, Abschied nehmen.

"Taehyung", sagt er und nimmt meine Hand in seine. Ich zucke zusammen als ich wieder in die Realität zurück finde und wische mir mit der anderen Hand die Tränen weg. "Ich hätte mir niemand besseres an Jungkooks Seite wünschen können. Ich weiß, dass er lange mit uns gelebt hat weil er uns nicht verletzten wollte, aber er hat ein normales Leben verdient. Du bist das beste was ihm passieren konnte, gib bitte gut Acht auf ihn."

Es gibt Menschen wie Jungkook, die sehen in jeder Situation und in jedem Gefühlszustand wunderschön aus, ich allerdings gehöre nicht dazu. Wenn ich weine, bin ich so hässlich das ich es nie jemanden sehen lasse und doch hebe ich den Blick um ihm in die Augen zu sehen und bin überrascht als ich merke, dass auch er angefangen hat zu weinen.

Er zieht mich sofort in seine Arme, drückt mich so fest an sich das ich das Gefühl habe an ihn gekettet zu sein und vergräbt sein Gesicht an meiner Schulter. "Ich hoffe ich habe irgendwann das Glück euch beide wieder zu sehen."

Ich kralle mich in seinen Rücken und kann nicht anders als noch stärker zu weinen und mein Gesicht ebenfalls an seiner Schulter zu vergraben. So viel Zeit habe ich nicht mit ihn verbracht, aber die, die wir hatten war genug. Er ist mehr als nur eine der Persönlichkeiten von Jungkook für mich, er ist ein Freund, den es so nur selten auf der Welt gibt.

Und ihn gehen zu lassen fühlt sich schrecklich an.

Faces |Vkook|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt