Päckchen und Kindergartenkinder

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„Und einmal für McAllen und Dawson."

„Danke Mr. Richman." lächelte ich und nahm unserem Hausmeister die Post ab. Es war Samstagnachmittag und Len hatte mich gebeten, einmal in der Zentrale nachzuschauen, ob etwas für uns angekommen war, da er selber mit David und Cody trainieren war. Ich selbst wartete sehnsüchtig darauf, dass meine Ballschuhe endlich ankamen und hatte deswegen augenblicklich zugestimmt. Gerade wollte ich schon wieder gehen, da fiel mir ein. . .

„Ach ja, Nevis Larsson wohnt ja bei uns im Haus. Könnten Sie kurz nachschauen, ob für ihn auch etwas angekommen ist?"

„Natürlich." Der ältere Herr nickte und verschwand hinten im Lager.

Ich lehnte mich währenddessen an den Tresen und schaute mich ein wenig im Raum um. Postschließfächer standen aneinandergereiht an den Seiten, Pappkartons und Papierreste stapelten sich in den Ecken. Ein kleiner Kartenständer, auf denen Motive wie die Akademie oder deren Campus abgebildet waren, schwankte in einem besorgniserregenden Winkel auf einem Haufen von Briefen und Schreibpapier. Eine Halterung mit Schlüsselanhängern des Wappens der Phoenix-Akademie war auf dem Tresen neben Bechern mit Kugelschreibern und Bleistiften positioniert. Ich lugte über die Anrichte und musterte den chaotischen Schreibtisch dahinter. Er war überfüllt mit Briefmarken, Stempeln, Stempelkissen und Brieföffnern. Ein Computer stand in der oberen linken Ecke des Tisches, in der rechten eine kleine, metallene Kiste, die als Kasse diente. Aber die Bilder an den Wänden fand ich besonders spannend.

Bilder von Nymphen in langen, fließenden Gewändern an seichten Gewässern, Waldgeister zwischen rauen Stämmen von Tannen, deren dichtes Nadelgeäst für dämmriges Licht sorgte, tanzende Elfen, kaum größer als mein Zeigefinger, grasende Einhörner, Greifen beim Putzen des Gefieders. . . Staunend wanderte ich von einer Abbildung zur nächsten, die alle die unterschiedlichsten magischen Wesen darstellten.

Doch plötzlich fiel mir ein Bild ins Auge, das scheinbar nichts mit seinen Vorgängern zu tun hatte.

Eine Burg war abgebildet.

Verwundert trat ich näher.

Die Festung lag eingebettet in einer hohen Hügellandschaft neben einem Wald und nur vereinzelte Bäume standen außerhalb der Baumgrenze auf dem freien Feld. Sie hatte keinen Burggraben, dafür aber spitze Baumstämme, die mindestens zweieinhalb Meter hoch, in einem tödlichen Winkel vor der Steinmauer aus dem Boden ragten. Ein Eingangstor konnte ich nicht erkennen. Die Burg besaß außerdem vier hohe, schlanke Türme in jeder Himmelsrichtung, die bis zur Hälfte mit Kletterpflanzen bedeckt waren. Die Ranken umhüllten auch die undurchdringbare Burgmauer und gaben der Festung, neben der erhabenen Bauweise, ein organisches Aussehen, sodass sie fast mit der umstehenden Landschaft zu verschmelzen schien.

„Ah, Burg Blutmond." ertönte es plötzlich hinter mir und ich zuckte erschrocken zusammen. Mr. Richman trat neben mich und betrachtete das Bild andächtig. „Erbaut im Jahre 1857 vom damaligen Elfenkönig Rudolf dem 452."

Ich stöhnte innerlich auf.

Geschichte

Ich erinnerte mich daran, dass ich in der ersten Geschichtsstunde auf der Akademie eine Frage beantworten musste, die mit genau diesem Kerl zu tun gehabt hatte und ich keinen blassen Schimmer hatte, wer dieser Typ eigentlich war.

„Er erbaute sie, um im Falle eines Krieges, der zu der Zeit ziemlich wahrscheinlich war, gerüstet zu sein. Aber" Der Hausmeister zuckte mit den Schultern. „sie kam nie zum Einsatz, zerfiel in den vergangenen hundert Jahren und stand, als sie dann gebraucht wurde, nicht mehr zur Verfügung. Schade eigentlich, wenn Sie mich fragen."

„Wieso?" fragte ich und wandte meinen Kopf in seine Richtung. In den warmen, orangenen Augen des älteren Herrn blitzte Überraschung auf. Anscheinend hatte er nicht damit gerechnet, dass ich mich für die Festung interessieren würde.

Mein neues IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt