Der Beginn

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"Len, jetzt warte doch mal!", rief ich meinem Freund zu, der mich unerbittlich hinter sich her zog. Wir hatten mittlerweile die Eingangshalle erreicht, in der es nur so von Lehrern, schwarz gekleideten Magiern und panischen Schülern wimmelte, doch der Alpha machte keine Anstalten, stehen zu bleiben.

Erbost zog ich meine Augenbrauen zusammen, bevor ich plötzlich schlagartig anhielt und ihn somit ins Straucheln brachte.

Ich entriss ihm meinen Arm und rieb mir das schmerzende Handgelenk.

"Bleib stehen, ich kann nicht so schnell laufen."

Mein Artgenosse drehte sich um.

Die smaragdgrünen Augen sahen mich ausdruckslos an und mit einem Mal war mein Ärger verschwunden. Meine zuvor vor Wut hochgezogenen Schultern senkten sich und Sorge machte sich in mir breit.

Langsam streckte ich eine Hand nach meinem Freund aus.

"Komm, lass uns kurz an die Luft gehen."

Er nickte und nahm sie vorsichtig entgegen.

Mit einem schnellen Handgriff streifte ich meine hohen Schuhe von den Füßen und raffte mein Kleid.

"Aber es ist kalt draußen.", protestierte Len schwach.

"Na ja, wir wollen ja nicht campen.", lächelte ich leicht, aber er ging nicht darauf ein.

Ich seufzte.

"Keine Sorge, ich hole meine Stiefel aus der Garderobe."

Wenig später standen wir am Fuße der großen Treppe, die zum Hauptgebäude führte. Manche Schüler eilten noch hin und her, doch die patrouillierenden Lehrer und Magier lotsten sie geschickt wieder in die Eingangshalle.

Einige kamen auch auf uns zu, doch sobald sie erkannten, wer wir waren, machten sie kehrt und ließen uns in Ruhe.

Ich stand ein wenig abseits von Len und beobachtete aus einiger Entfernung, wie er mit hochgezogenen Schultern und tief in den Jackentaschen vergrabenen Händen in den klaren, sternenbedeckten Himmel starrte.

Das silberne Licht des Mondes reflektierte auf dem Schnee zu unseren Füßen und versetzte der sonst so düsteren Nacht ein strahlenden Funkeln. Es hatte etwas Idyllisches an sich, erinnerte mich jedoch auch an die glitzernde Spur, der wir gefolgt waren, um Ruby zu retten.

Mit einem Mal bekam ich Gänsehaut.

Richtig, dieser märchenhafte Augenblick war nichts weiter als eine Illusion.

Kaum zu glauben, dass vor einigen Minuten unser ärgster Feind inmitten unserer Reihen stand und wir rein gar nichts dagegen tun konnten.

Verbissen kämpfte ich gegen aufsteigende Tränen an.

Ich wollte mir nicht vorstellen, wie es Len gerade gehen musste.

Er stand immer noch bewegungslos wie eine Statue in der glitzernden Landschaft und sah in die endlose Dunkelheit des Himmels.

Ich wusste, er wollte im Moment allein sein, doch ich konnte es nicht ertragen, ihn dort allein stehen sehen. Manchmal war es vielleicht besser, jemandem seine Unterstützung zu versichern, auch wenn dieser sie im Moment nicht wollte.

Zögernd setzte ich mich in Bewegung und steuerte auf meinen Freund zu. Der Schnee knirschte unter meinen Füßen und war somit das einige Geräusch, das in diesem Moment zu vernehmen war.

In einem Meter Abstand zu Len blieb ich letztendlich neben ihm stehen.

Wir schwiegen.

Nach einiger Zeit fasste ich mich und setzte zum Sprechen an.

Mein neues IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt