Ich mu(T)ier(e)

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Nur noch ein Tag. Dann ist es einigermaßen überstanden.

War der erste Gedanke, den ich dachte, als ich am nächsten Morgen aufwachte. Der zweite Gedanke war, Ich muss ins Bad.

Also sprang ich auf und vollführte die gleiche Prozedur wie am Tag davor. Wütend auf meinen Körper schrubbte ich mir die Zähne und sprang unter die Dusche.

Jetzt stand ich vor dem Spiegel und betrachtete misstrauisch die Augen meines Spiegelbildes.
Hatten sie schon immer einen leichten Blaustich gehabt?

Prüfend sah ich genauer hin. Nein, das Blau war neu.

Aufregung machte sich in mir breit.
Mein Aussehen veränderte sich.

Ein Grinsen huschte über mein Gesicht. Ich zog mich an und lief nach unten. Im vorbeigehen, streckte ich meinen Kopf zum Wohnzimmer herein. Len saß gerade vor dem Fernseher und löffelte Fertigsuppe.
"Morgen."

Er schaute auf die Uhr an der Wand.
"Wohl eher Nachmittag."
Ich folgte seinem Blick und sah, dass es bereits dreiviertel Drei war.
Ich zuckte die Schultern und ging in die Küche. Dort aß ich eine halbe Banane und machte mir einen Tee. Mit der warmen Tasse in der Hand begab ich mich ins Wohnzimmer und setzte mich neben Len auf die Couch.
Er sah mich schräg von der Seite an.
"Ist was?"
"Deine Augenfarbe hat sich verändert." bemerkte er.
"Ich weiß." entgegnete ich und nahm einen Schluck Tee.

"Bist du nicht neugierig wie du aussehen wirst?"
"Doch, aber im Moment habe ich eigentlich andere Sorgen."

Er musterte mich. "Wie gesagt, es geht bald vorbei." sagte er achselzuckend.

Wow, sehr ermutigend.

"Hast du was dagegen wenn David, Cody und Seth morgen vorbeikommen?" fragte Len plötzlich, nachdem wir eine Stunde schweigend auf der Couch gesessen hatten und den Fernseher angestarrt hatten (ich habe nicht wirklich darauf geachtet was lief).

"Nein, aber nur, wenn ihr leise seid und mich nicht stört."
"Verstanden." nickte er und wir verfielen wieder ins Schweigen.

Nach ein paar Minuten beschwerte sich mein Magen über den Tee und die Banane. Also verbrachte ich den Rest des Tages damit, im Bad zu hängen und ein Buch zu lesen.

Seufzend legte ich es am späten Abend weg und lauschte dem Wind der ums Haus strich.
Ich wollte am nächsten Tag den großen Schritt wagen und wieder an die Öffentlichkeit treten.
Wie dramatisch es auch klingen mag, ich wollte mein Versprechen einlösen und einmal in der Bibliothek vorbei schauen. Ich wusste, dass es da auf jeden Fall eine Toilette gab, da Aria damals, als wir die Bücher geholt hatten, dorthin verschwinden musste.
Das alles schien schon Jahrzehnte weit weg zu sein. Sehnsüchtig dachte ich an meine Freunde. Ich vermisste sie jeden Tag mehr.
Warum konnte ich nicht einfach normal sein? dachte ich verbittert und rollte mich auf die andere Seite.

Na gut, normal im Sinne von, sich in EIN Tier zu verwandeln. Und nicht gleich in Alle.

Ich konnte nicht verhindern, dass sich ein Kloß in meinem Hals bildete.
Das ist doch lächerlich.
Verärgert presste ich meine Augen fester zusammen.
Mir kam der Gedanke, dass Len ein ganz schön einsames Leben führen musste. Gut, er hatte seine Tante, aber die war bestimmt mit anderen, wichtigeren Dingen beschäftigt, als mit ihrem Neffen.
Und noch ein Gedanke kam mir. Und zwar, dass wir die Gemeinschaft der anderen Tierklassen nie erleben würden. Sie war doch bestimmt wie eine zweite Familie. Eine große und liebevolle Familie.

Aber wir waren die oberste Stufe. Die kleinste, aber die mächtigste. Ich meine, es gibt bis jetzt drei Alphas in Europa (und warum musste ICH ausgerechnet einer der drei sein?)

Plötzlich hatte ich das Bedürfnis mit Len zu sprechen. Alle meine Fragen los zu werden, die mich schon die ganze Zeit quälten.

Nein Sarina ganz dumm, ganz dumm. Hämmerte ich mir ein und verwarf diesen Gedanken.

Ich dachte an meine Eltern und wandelte schließlich auf der Schwelle zwischen Schlaf und Wirklichkeit.


◆◇◆◇◆◇◆◇◆◇◆

"Aaaaah."

Jep, das war ich.

An diesem Morgen wurde ich nicht von einem unangenehmen Brechreiz geweckt, sondern von warmen Sonnenstrahlen die über mein Gesicht tanzten. Ich hatte geduscht und mich anschließend angezogen. Wahrscheinlich hatten sich meine inneren Wesen beruhigt und ließen mich jetzt in Ruhe. Das einzige, was noch störte, waren leichte Kopfschmerzen, aber die konnte man leicht mit einer Aspirin bekämpfen.
Also aß ich meinen Apfel, der übrigens immer noch auf dem Nachttisch gelegen hatte, und wollte wieder ins Bad zum Zähne putzen.
Und dann erblickte ich SIE.
Die Augen leuchteten wie türkise Saphire, umgeben von langen, dichten Wimpern.
Entsetzt und schreckensgeweitet blickten sie in mein Gesicht, in IHR Gesicht.
Es war makellos. Hohe Wangenknochen, eine gerade Nase, geschwungene Augenbraue. Umramt wurde es von seidenen, leicht karamellfarbenen Haaren. Sie fielen ihr wellig auf die Schultern und kräuselten sich spielerisch um den Hals und auf den Wangen. Ihr ganzer Anblick war exotisch fremd und gleichzeitig vertraut.

Tja, und dann schrie ich.
Ich schnappte mir mein Handtuch und vergrub mein Gesicht in dem weichen Stoff, taumelte rückwärts an die Wand und rutschte an ihr hinunter.

Merkwürdigerweise hörte ich wie jemand seuftzte und dann mit eiligen Schritten die Treppe hoch lief.

Inzwischen kauerte ich auf dem Boden und schluchzte. Mehr vor Überraschung, als vor Schreck.

Len kam ins Badezimmer gestürmt und erkannte die Lage mit einem Blick. Vorsichtig näherte er sich mir.
"Sarina. Ist alles in Ordnung?" fragte er widerwillig mit sanfter Stimme.
"Bitte, geh weg." brachte ich hervor.

Aber nein, Mr. Volltrottel kam noch näher.
"Nimm das Handtuch vom Gesicht." sagte er streng und kam noch näher.
"Nein." sagte ich trotzig und merkte, dass die Schreckenstränen trockneten (was wahrscheinlich hauptsächlich am Handtuch liegt) und sich mein Atem etwas beruhigte.
"Wenn du es nicht machst, dann tu ich es."
Ich drehte mich weg, aber Len überschritt den Abstand zwischen uns und hockte nun vor mir auf dem Boden.
Vorsichtig löste er meine zitternden Hände von dem Stück Stoff.
Ich blinzelte ihn von unten herauf an.
Überrascht weiteten sich seine Augen, waren aber kurz darauf genauso emotionslos wie immer.
"Bitte sag mir, dass ihr halluziniere." bat ich ihn fassungslos.

Len sah mir in die Augen.
Türkis auf Grün.

Ich wich seinem Blick aus. Er richtete sich auf und trat zwei Schritte zurück.
Ich erhob mich ebenfalls.
Als ich langsam auf das Mädchen im Spiegel zuging, bewegte es sich mit einer ungewohnten Grazie. Schleichend und lautlos.
Der Blick aus den Saphiraugen war misstrauisch. Fast katzengleich.
Ich suchte nach Anzeichen meines mein altes Gesichts.
Die Lippenpartie war die selbe und die Gesichtsform ebenfalls.Die Ohren waren gleich und der Hautton war wie immer. Erleichtert, dass die Fremde im Spiegel wirklich ich war, drehte ich mich unsicher zu Len um, der meine Inspektion still beobachtet hatte.
Meine Mundwinkel zuckten und ein zittriges Lächeln breitete sich auf meinem neuen Gesicht aus.
"Ich denke, ich weiß wer gewonnen hat."
_______________________________
Uuund? Pünktlich zum Schulbeginn
Ich habe lange über Sarinas neues Aussehen gegrübelt und es immer neu geschrieben, aber diese Variante gefällt mir letztendlich doch am meisten.
Tut mir leid, dass das Kapitel nur so kurz ist
Ich hoffe, dass es euch trotzdem gefällt♥

Bei wem fängt heute auch die Schule wieder an?

Mein neues IchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt