Ritter des Lichts (Ruby x Cody)

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Rubys POV

(Ungefähr zeitgleich zum Kapitel: „Wenn man vor Emotionen fast verrückt wird")

November: Säugetierhaus

Ich erinnerte mich an die Kälte.

An die eisige, hartnäckige Nässe, die sich in meine Knochen setzte, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte.

An die Dunkelheit, deren bodenlose Tiefe nach mir griff und mich umhüllte wie eine aus Schatten gewebte Decke. Sie erdrückte mich, schnürte mir die Luft zum Atmen, sodass ich immer mehr das Gefühl bekam, an der Schwärze um mich herum zu ersticken.

Doch letztendlich war es nur das: ein Gefühl.

Denn ich lebte ich weiter.

Immer weiter.

Und weiter.

Egal, wie sehr sich die dicken, rauen Seile um meine Hand- und Fußgelenke noch in mein Fleisch schnitten.

Egal, wie oft meine Finger und Zehen taub wurden oder meine Kehle heiser von dem vielen, erfolglosen Schreien, das ja doch kein Mensch hören würde.

Egal, wie sehr ich betete und hoffte, dass mich jemand rettete oder sich wenigstens dazu erbarmte, mich mit einem einzigen kräftigen Stoß ins Herz zu töten, sodass ich nicht Stunde um Stunde, Tag um Tag, Nacht um Nacht am eigenen Leib erleben musste, wie es war, langsam dem Tod zu erliegen.

Denn zu dem Zeitpunkt, wo sie mich fanden, war ich mir sicher gewesen, dass er es war.

Der Tod.

Der Tod in der Gestalt meiner Freunde, um mich zu holen. Mich aus meiner Zelle zu befreien, deren Schattendecke sich mittlerweile so eng um mich gelegt hatte, dass ich kurz vor dem Ersticken war.
Und ich erinnerte mich daran, dass ich nur einen einzigen Gedanken hatte, als ich die Silhouetten im Türrahmen erblickte:
Der Tod war überraschend gnädig.

Keuchend schreckte ich aus dem Schlaf hoch. Mein Gesicht war nass, überzogen mit kaltem Schweiß und doch glühte meine Stirn. Irritiert schoss mein Blick umher.
Die seidenen Vorhänge vor den halb hochgeschobenen Fenstern bewegten sich beinahe wabernd in der leichten Brise, die durch die Öffnungen in unser Gemeinschaftszimmer hineingetragen wurde. Fahles Mondlicht ließen sie dabei wie verirrte Gespenster wirken, die sich mit ihren lakenartigen Körpern in seinem silbrigen Glühen badeten. Schaudernd wandte ich mich von dem Anblick ab und sah mich zu den anderen Seiten um. Doch der Rest des Zimmers war nur in friedliche Dunkelheit getaucht.

Ein wenig erleichterter, jedoch immer noch mit zitternden Fingern, wischte ich mir einige feuchte Strähnen aus der Stirn und setzte mich vorsichtig auf. Von den Betten meiner Freundinnen ertönte nur das leise Geräusch tiefer Atemzüge. Alle schliefen.
Nur um sicherzugehen, dass niemand von mir geweckt worden war, blieb ich noch einen Moment sitzen.

Doch alles blieb ruhig.

Nach einem Blick auf die roten Ziffern der digitalen Uhr auf meinem Nachttisch war mir klar, dass es eigentlich noch viel zu früh war, um überhaupt ans Aufstehen zu denken. Ich hatte gerade einmal zweieinhalb Stunden geschlafen. Doch mein unregelmäßiger Herzschlag und meine nervösen Hände, die haltsuchend die Bettdecke umklammerten, belehrten mich eines Besseren.

An Schlaf war jetzt nicht zu denken.

Mein Herz pumpte wie wild das Blut durch meine Adern, sodass ich weiterhin das Bedürfnis hatte, einfach aufzustehen und wegzurennen. Einfach weg, irgendwohin, das nicht hier war. Irgendwohin, wo meine Gedanken und Träume mich nicht heimsuchten.

Ich überlegte kurz und fasste dann einen Entschluss.

Leise und ganz darauf bedacht, nicht den kleinsten Laut zu verursachen, griff ich nach meinem Morgenmantel, der ordentlich zusammengefaltet am Fuße meines Bettes auf einem Stuhl lag. Dann schwang ich die Beine über die Bettkante, griff nach meinen gefütterten Hausschuhen und tappte noch immer barfuß durch das Zimmer Richtung Tür.

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