So nah und doch so fern

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Lens POV 

Als ich unter dem Blättervorhang der Weide hindurchtrat, sah ich nur noch den schlanken Körper der Löwin am anderen Ende der Lichtung in die Dunkelheit des Waldes verschwinden. Sarinas Worte hallten immer noch in meinem Kopf nach und der Drang, ihr nachzueilen war so stark, dass ich meine Hände zu Fäusten ballen musste. Meine Fingernägel pressten sich daraufhin unangenehm schmerzhaft in mein Fleisch, was mir jedoch half, auf den Boden der Tatsachen zurückzufinden.

Ich konnte mir eine solche Gefühlsduselei jetzt nicht leisten. Wir hatten einen Auftrag und der musste so schnell wie möglich in die Tat umgesetzt werden.

Also schüttelte ich einmal meinen Kopf, um die trüben Gedanken zu vertreiben, und marschierte dann mit festen Schritten auf Nevis zu, der sich mit Keniir gerade ein unerbittliches Blickduell lieferte. Nur konnten die Blicke, die sie jeweils dem anderen entgegenschleuderten, nicht unterschiedlicher sein. Während Keniir ganz offensichtlich versuchte, den Werwolf nur mit Hilfe bloßer Gedankenkraft auf seinem eigenen Speer aufzuspießen, entgegnete Nevis dem sogar eher mit euphorischer Anzüglichkeit. So sagten seine Augen eher: „Na los doch, ich lass mir gern etwas von dir in meinen Körper rammen! Zwinker, zwinker.", anstatt „Hilfe, du wirst gleich meine Eingeweide mit einer glänzenden, spitzen, wahrscheinlich vergifteten Speerspitze aufspießen."

„Nevis, hör auf zu flirten und beweg deinen Hintern hierher.", knurrte ich und unterbrach so das spannungsgeladene Duell zwischen den Beiden. Doch der Austauschschüler verdrehte nur die Augen, löste sich widerwillig und kam mir entgegengetrottet.

„Ich hatte ihn fast soweit.", schmollte er nicht besonders überzeugend.

„Verschwende deine Kräfte nicht mit solchen Lappalien und konzentriere dich lieber auf den Vollmond. Du wirst dich gleich kontrolliert verwandeln müssen, damit wir es rechtzeitig zur Fabrik schaffen und wenn du dabei austickst, können wir die ganze Sache gleich abblasen."

„Schon gut. Kann ich mich wenigstens hier verwandeln?" Er spähte unauffällig über seine Schulter. „Das würde den Elf auf die Palme bringen."

„Wohl eher auf deinen Rücken und dann mit jeder Waffe, die er am Leib trägt, direkt in dein Herz.", zischte ich wütend und wünschte mir schon, die Aufgaben anders aufgeteilt zu haben. Sarina konnte mit ihm besser umgehen. Die beiden schienen sich auf eine unerklärbare Art zu verstehen, die mir bis heute immer noch ein Rätsel blieb.

„Ist ja gut. War nur ein Scherz." Nevis verdrehte erneut die Augen.

„Ich gehe mich jetzt bedanken und verabschieden. Bleib hier und warte auf mich. Wir machen uns dann erst einmal zu Fuß auf den Weg, bis wir weit weg genug von der Sonnenquelle sind.", erklärte ich ihm das Vorgehen, zu dem ich mich letztendlich entschieden hatte. Andernfalls würden wir die Nerven der Elfen nur überstrapazieren und einen weiteren Krieg konnten wir uns nun wirklich nicht leisten.

Also biss ich die Zähne zusammen und ließ bei der Verabschiedung Keniirs abfällige Bemerkungen über den Werwolf über mich ergehen, bei denen ich ihm sogar manchmal insgeheim zustimmte.

Ich war mir der Geschichte der Elfen nur allzu gut bewusst und wusste, wie sie zu Werwölfen, Erben und sogar zu uns Gestaltwandlern standen. Der letzte Krieg hatte den damals unvorbereiteten Elfen viel gekostet und keiner von ihnen hatte, so auch Keniir vorhin, die Absicht, dies erneut geschehen zu lassen.

Doch genau deswegen zeugte es von einem erstaunlichen Maß an Hilfsbereitschaft und eigentlich unverdientem Vertrauen, uns in dieser Angelegenheit beizustehen. Auch wenn ich mich eher fragte, ob sie nicht vielleicht eine Risikoabschätzung gemacht und dann nur widerwillig ein Kompromiss geschlossen hatten, uns, anstatt der Hybriden, zu unterstützen. Gestaltwandler und Elfen waren zumindest durch den großen Rat vertraglich miteinander verbunden und ein Bündnis mit dem Feind würde einem Verstoß gegen das Abkommen gleichen, sodass sie wohl oder übel nun darauf vertrauen mussten, dass wir nichts damit am Hut hatten und man es wirklich auf uns abgesehen hatten.

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