2. Kapitel

1K 62 10
                                    

In wenigen Sekunden war das Schloss des Supermarkts geknackt, sodass Black Flash mit ihrem Einkaufskorb hineinspazieren konnte. Leider Gottes hatten sie das Schloss getauscht und ihr geklauter Schlüssel passte nicht mehr, doch die beiden Haarnadeln taten es auch. Die Alarmanlage war bereits ausgeschaltet worden, dieses Mal hatte sie es selbst geschafft. Im Hacken war sie nicht so gut wie ihre Untergebenen, doch so ein Supermarkt war ja nun wirklich nichts Besonderes. Die junge Frau summte ein Lied dahin, während sie den Korb anfüllte. Sie achtete nicht darauf, was genau darin landete, denn die Aufschrift würde sie sowieso nicht lesen können, es war zu dunkel. Die Taschenlampe zu benutzen, wäre zu auffällig gewesen.

Als sie ihren Einkauf erledigt hatte, holte sie ihre neu gestohlene Sprühdose hervor. Mit der roten Farbe schrieb sie eine Kombination auf die Wand des Ladens: 170S 4Z 6W.

Grinsend machte sich Minerva auf den Weg und erfreute sich dabei an dem Adrenalin. Noch würde weder die Polizei noch L verstehen, was sie damit meinte, doch das würde schon noch kommen. L würde schon noch auf sie aufmerksam werden.

Jeden Tag wurde eine neue Wand verschönert. 122S 21Z 1W am zweiten Tag, 376S 3Z 9W am dritten Tag, 1011S 17Z 17W am vierten Tag. Am fünften und somit letzten Tag malte sie ein wunderschönes L an das Polizeigebäude. Dabei wäre sie fast erwischt worden, wenn sie ihre beiden Waffen nicht gehabt hätte. Sie schoss den Polizisten immer wieder gerne ins Bein, das würde niemals langweilig werden.

Langweilig.

Bei dem Wort drehte sich ihr der Magen um.

Nach der Aufregung fiel sie mit ihrem Lieblingsbuch in ihr Bett und grinste die ganze Zeit, während sie es las. Das Buch war der Schlüssel. Ob L das herausfinden würde?

Vor ihm lagen fünf Tatortfotos. Alle waren in Sapporo geschossen worden, alle zeigten rotes Graffiti, alle zeigten Zahlen und Buchstaben. Der Detektiv war zu dem Schluss gekommen, dass die genauen Standorte nichts zu bedeuten hatten. Supermarkt, Wohnhaus, Bücherei, Wohnhaus, Polizei. Es war wahllos ausgewählt worden. Die Kombinationen zu entschlüsseln gestaltete sich als schwieriger, als L gedacht hatte. Das letzte Foto zeigte bloß ein L, das offensichtlich klarstellen sollte, dass die Botschaft an ihn gerichtet war. Er ersetzte die Zahlen mit den zugehörigen Buchstaben. Nichts. Er überprüfte Koordinaten. Nichts. Er addierte sie, er subtrahierte sie. Nichts. Er stellte alles auf den Kopf und versuchte etwas zu erkennen. Nichts. Dann versuchte der Schwarzhaarige den Buchstaben, die auf jedem Foto gleich waren, eine Bedeutung zu geben. S, Z und W. Orte? Ergab keinen Sinn. Personen? Ergab keinen Sinn. Waren es Zahlen? 19, 26 und 24? L ging nochmal alles durch, doch nichts führte ihn zu etwas von Bedeutung. Es war auch keine Telefonnummer oder ähnliches. Es war zum Haareraufen, also beließ er es dabei und berechnete die Wahrscheinlichkeit, dass Black Flash dafür verantwortlich war. Über 90%.

"Watari, ich benötige Black Flashs Fallakte", sagte L zu dem Mann, der ihm gerade Kekse vor die Nase stellte. Das war es, was er brauchte.

"Sofort", nickte Watari und verschwand. Während seiner Abwesenheit rief der Detektiv sich alles in Erinnerung, was er wusste. Aufgrund ihrer Spielchen mit der Polizei war darauf zu schließen, dass sie waghalsig, naiv, selbstsicher, verspielt aber ebenso hinterlistig war. Sie machte den Eindruck, als wäre sie ein ungezogenes Kleinkind, was die Tatsache, dass sie machte, wonach ihr beliebte, nochmals unterstrich. Vielleicht stand das S für Spielplatz? Womöglich. Da passte etwas nicht in das Bild, das L von Black Flash hatte. Sie mochte Bücher. Natürlich bestand die geringe Möglichkeit, dass sie sie hasste, doch dann würde sie wohl eher Schulen überfallen und keine Bibliotheken. Nein, sie war schlau, vielleicht sogar gebildet. Stand das Z für Zahl? Für Zeit? Für Zorn?

"Hier, bittesehr", sagte Watari und legte die Akte behutsam neben den Teller voller Kekse. L hatte ihn nicht kommen hören. Er sah die Akte mit dem Daumen auf seiner Lippe an, doch mehr tat er nicht.

Black Flash verletzte nur Männer. Stand das W für Waffe? Oder etwa für Wahnsinn? L seufzte und schob sich einen Keks in den Mund. So weit entfernt konnte er doch nicht sein, sie war nur eine Kleinkriminelle, die seine Aufmerksamkeit haben wollte. Sie war wirklich ein Kind. Genau wie er eines war.

"Was soll das heißen, du schaffst es nicht?", schrie Minerva in ihr Telefon und ballte ihre Hände zu Fäusten, sodass sich ihre Nägel in die Haut gruben.

"Du wusstest es, Black Flash, ich wusste es auch. Es tut mir leid, okay? Ich habe es ja versucht", versuchte Alex, ihr Hacker, sie verzweifelt zu beruhigen.

"Nicht genug! Du hast es nicht gut genug versucht! Wie kannst du es nur wagen, mir das auch noch zu sagen?" Die Verbrecherin schlug gegen den Spiegel in ihrer Garderobe. Sie war gerade von einem entspannten Spaziergang zurück gekommen und dann so etwas. Ihre Hand blutete, der Spiegel war hinüber.

"Bitte, Minnie, ich werde den nächsten Auftrag gratis erledigen, einverstanden?"

"Minnie", flüsterte sie grinsend, dann lachte sie, "Minnie? Wie Minnie Mouse? Oh, Alex, du bist so ... so ... tot." Ihr Gelächter verebbte langsam. Nachdem sie aufgelegt hatte, schrieb sie an Jack Summer den nächsten Namen. Ihre Hand wurde schnell verbunden, doch ihr pochender Schädel schien nicht so leicht zu verarzten zu sein. Keine Tablette half gegen Wut, das hatte sie versucht. Auf dem Sofa atmete sie tief durch und öffnete eine Dose Energydrink.

Ein Monat.

Es war ein ganzer Monat vergangen und L hatte noch immer nichts zu Stande gebracht. Minerva war mehr als nur enttäuscht. Die Trauer darüber schien sie innerlich aufzufressen. Sie hatte sich auf ein kleines Abenteuer gefreut. Sie hatte gehofft, einen Spielgefährten gefunden zu haben, doch er schien sich unter ihrem Niveau zu befinden. Oder aber er hatte ihren Fall noch immer nicht angenommen. Vielleicht war sie ihm noch immer zu langweilig. Der Gadanke war viel schlimmer und tat Minerva regelrecht weh. In der Brust, da schnürte es sich zu. Warum tat es das? Warum geschah das? Minerva legte ihre Hand auf die schmerzende Stelle, doch es schien nur von Sekunde zu Sekunde schlimmer zu werden.

Nach einer halben Stunde war der Schmerz noch immer da, doch Minerva fühlte sich nun taub. Sie wusste, was zu tun war. Wie von selbst wählte sie eine Nummer, die sie lange nicht gewählt hatte.

"Hallo?"

"Hier Black Flash. Ich will Ecstasy. Jetzt", forderte sie kurz und knapp.

"B-black Flash? Oh, lange nichts von dir gehört. Bist du noch böse wegen dem, du weißt schon, Backpulver im Koks?" Der Drogendealer klang verängstigt. Das hätte Minerva sonst amüsiert, doch sie hatte ein Tief.

"Ich sagte jetzt", wiederholte sie genervt.

"Natürlich, kannst du haben. Ich bin sogar in der Nähe von Sapporo, du musst nur -"

"Nein", unterbrach sie ihn mit schneidender Stimme, "ich muss gar nichts. Du musst es mir liefern, zumindest, wenn dir viel an Geld liegt."

"F-fein, na schön. Ich verlange einen Aufpreis von 1000 Yen." Minerva sagte nichts. Das reichte, um dem Dealer die Anforderung zurücknehmen zu lassen. Er erhielt die Adresse und war auch schneller da, als Minerva gedacht hatte. Die Drogen halfen. Es ging ihr schnell wieder besser.

Black Flash [L x OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt