12. Kapitel

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Die Ermittlungen gingen schlagartig voran und jedes Mitglied der Task Force schien motiviert zu sein, Kira-drei zu fassen. Die gute Laune tat dem Hauptquartier sehr gut, vor allem L, der nach dem Rückschlag sehr deprimiert gewesen war.

Auch mit Luna machte es etwas, in ihr schien sich etwas zu ändern. Seit sie die Ermittlungen in Richtung Lösung geschubbst hatte, misstrauten die Polizisten ihr etwas weniger, sie nahmen sie von da an als Mitglied wahr. Ein Teil von etwas zu sein, war neu für sie, deshalb konnte sie nicht genau sagen, ob sie sich wohl fühlte, oder es ihr nicht gefiel. Es war regelrecht merkwürdig, dass sie selbst nicht im Mittelpunkt stand, dass sie nicht das zu lösende Problem darstellte.

Luna hatte ein Ziel. Und dieses teilte sie auch noch mit anderen Menschen. Mit Polizisten. Es wirkte absurd.

Als sie sich diese Tatsache nochmals durch den Kopf gehen ließ, schüttelte sie diesen schmunzelnd.

"Woran denkst du?", fragte L augenblicklich. Mit erhobener Augenbraue sah sie zu dem Mann, der sie mit dem Daumen zwischen den Zähnen anstarrte. Die junge Frau kicherte.

"Wie heißt du in Wirklichkeit?", stellte sie eine Gegenfrage. Natürlich wusste sie, dass er nicht antworten würde, deshalb konnte auch L nicht mit einer Antwort rechnen. Für einen kurzen Moment dachte Luna, der Schwarzhaarige würde schmollen, doch da war sie sich nicht sicher, ob sie sich das nicht eingebildet hatte.

"Hideki", antwortete L dann. Tatsächlich musste Minerva abwägen, ob sie ihm vielleicht glauben konnte, doch sie entschied sich dagegen und lachte.

"Ach ja? Ich habe mir gerade vorgestellt, wie du mit jemandem den Koitus vollziehst." Aizawa schien sich plötzlich an etwas verschluckt zu haben, auch Yagami verzog das Gesicht und Light presste die Lippen aufeinander.

"Hä?", fragte Matsuda, worauf sich Luna halbtot lachte. Ihr stiegen sogar Tränen in den blauen Augen.

"Warum stellst du dir das vor? Und was bedeutet dein Kopfschütteln?", fragte L unbeeindruckt weiter. Das Gelächter verstummte. Sie sah den Mann bloß an. Dann geschah etwas, das sie zur Weißglut trieb, sie wurde rot. Gereizt schnaubte die junge Frau und überlegte, ob sie den Detektiven nicht womöglich in die Weichteile treten sollte.

"Leute", lenkte Light mit dem Blick auf dem Bildschirm ein, "ich hab' da was." Luna konnte nicht sagen, was ihr am meisten gegen den Strich ging. Dass Light ihren Plan unterband, dass er etwas gefunden hatte, das wahrscheinlich auch noch wichtig war, oder seine dumme Aussage. Ich hab' da was. Die junge Frau hatte da auch was, eine Faust zum Beispiel. Sie wollte ihn vulgär beleidigen, doch das schien ihr in diesem Moment nicht richtig. Es siegte ihre Neugier und sie beschloss, nichts zu tun und den Neuigkeiten zu lauschen.

"Die Opfer, welche keine Kriminellen waren, arbeiteten allsamt in Firmen. Sie waren hochangesehen und erfolgreich, deshalb geht es den Firmen nun nicht so gut. Eine hat jedoch gerade großen Erfolg, das ist die Yotsuba Group." Ein weiteres Mal schnaubte die Schwarzhaarige und wünschte sich, dass Blicke töten konnten.

"Sehr gut, Light, wir werden sie observieren", sagte L, klang jedoch so desinteressiert wie eh und je.

Luna verließ den Raum.

Etwas in ihr schien zu kochen, sie glaubte, es war Eifersucht. Die Schwarzhaarige fragte sich, wohin sie eigentlich wollte. Etwas zog sie weg von den Anderen, sonst würde sie ihnen noch wehtun, sonst würden alle sehen, wie sie sich nicht kontrollieren konnte. Noch mehr Wut kam hinzu, als sich Minerva bewusst wurde, dass diese fehlende Kontrolle eine ihrer größten Schwächen war. In diesem Punkt war ihr L überlegen. Noch mehr Wut.

"Luna?", ertönte eine Stimme, die sie beinahe aufschreien ließ. Misa lief ihr über den Weg, obwohl sie sich doch nichts mehr als Einsamkeit wünschte. Diese hatte sie so lange nicht mehr gefühlt. Diese hatte sie noch verrückter gemacht, als sie es ohnehin schon gewesen war. Diese hatte ihr den Verstand so vernebelt, dass alles nur spaßig war.

Wutentbrannt holte Minerva aus, um der Blonden eine schallende Ohrfeige zu geben, doch sie stoppte. Ihre Fingernägel bohrten sich in ihr Fleisch und sie schrie auf, um dem Druck in ihrer Brust Freiheit zu gewähren. Dann lief sie an dem verängstigtem Mädchen vorbei.

In ihrem Zimmer angekommen zerstörte sie alle Kameras, von denen sie wusste. Alle. Als sie sich sicher war, dass niemand sie sehen konnte, trat sie gegen den gläsernen Tisch neben dem Sofa. Er zerbrach in unzählige Scherben. Lunas Faust wurde gegen die Wand geschlagen, sodass sich in jener stechener Schmerz ausbreitete. Obwohl sie wusste, dass man sie hören konnte, schrie sie nochmals gequält auf und sank auf die Knie. Tränen suchten sich ihre Wege aus ihren blauen Augen, doch sie wurden schnell weggewischt. Lunas Frustation stieg ins Unermessliche.

Sie wusste, dass sie aus dem Raum gestürmt war, damit die Task Force nicht schlecht von ihr dachte, immerhin hatte sie sich in den letzten Tagen einen besseren Ruf erhascht. Sie wusste außerdem auch, warum sie von ihnen akzeptiert werden wollte. Sie mochte diesen Haufen Idioten, sie fühlte sich bei ihnen wohl und wollte weiterhin ein Teil von ihnen sein, oder zumindest bei ihnen bleiben.

Das war so abstoßend. Dieser Wunsch der Zugehörigkeit. Einer Familie.

"L, wenn du in den nächsten 30 Sekunden nicht mein Zimmer verlässt, wirst du es bereuen", zischte Luna, als sie seine Anwesenheit hinter sich spürte.

"Du lässt mir keine andere Wahl, nachdem du die Kameras zerstört hast." Es wunderte die Frau, dass er nicht darauf bestand, Ryuzaki genannt zu werden. Sie musste sich nicht mal zu ihm umdrehen, um sich sicher sein zu können, dass es der Detektiv war. Nur er hätte den Mut, sich ihr in diesem Moment zu nähern. Nur er konnte auch noch so ruhig dabei klingen. So ruhig, dass Lunas Kopf abzukühlen schien.

Sie wusste nicht, was sie sagen sollte, deshalb sagte sie nichts. Auch L schien sich dazu entschieden zu haben, so breitete sich Stille aus. Angenehme Ruhe.

Es vergingen Minuten, in denen sich Luna beruhigen konnte. Schließlich holte sie Luft, erhob sich langsam und setzte sich auf den Sofasessel, welcher gegenüber dem Sofa stand, auf dem L hockte. Er beobachtete sie, doch sie wich seinem Blick aus.

Weitere Minuten vergingen und Luna wurde müde. Sie stellte sich vor, wie die Polizisten angespannt auf ein Geräusch von ihnen wartete. Matsuda drehte bestimmt gerade am Rad, weil er dachte, sie hätte den Detektiven umgebracht. Der Gedanke zauberte ihr sogar ein Lächeln auf die Lippen.

"Woran denkst du?", fragte L. Die wiederholte Frage nervte die Verbrecherin. Sie überlegte, ob sie ihn nach seinem Namen fragen sollte, doch dann könnte sie auch gleich schweigen. Das wollte sie allerdings auch nicht.

"Warum fragst du?"

"Weil ich es wissen möchte." Tja. Das war wohl die Wahrheit, also schuldete Luna ihm auch die Wahrheit. Sie hätte einfach schweigen sollen.

"Ich habe mir gerade vorgestellt, wie Matsuda durchdreht vor Angst, ich hätte dich umgebracht", antwortete Minerva. "Und als du gerade nach meinen Gedanken gefragt hast, hat die ganze Kommandozentrale bestimmt erleichter aufgeatmet." Wieder schmunzelte sie.

"Und das amüsiert dich?", fragte er weiter. Das erste Mal, seit er in ihr Zimmer gekommen war, sah sie ihn direkt an.

"Offensichtlich. Du hast es nicht so mit menschlichen Gefühlen, was?"

"Du auch nicht." Sie kicherte leise, doch es klang eher bitter. Minerva wandte ihren Blick wieder ab.

"Zumindest mit meinen eigenen habe ich es nicht so, da magst du richtig liegen. Aber das meinst du nicht, du willst auf Empathie hinaus." Er nickte stumm, was sie aus dem Augenwinkel wahrnahm.

Wieder Stille. Minuten vergingen.

"Was war vor dem Doppelmord 2000?" Luna wandte sich an ihn und ließ ein wahres Feuerwerk an Gefühlen in ihren Augen spiegeln. Verwirrung, Erkenntnis, Angst, Schmerz. Dann kniff sie die Seelenspiegel zusammen und schüttelte den Kopf.

"Was war vor L?", fragte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. Er sollte sie in Ruhe lassen. Dieser Teil ihres Lebens war in ihrem Hintekopf vergraben und hatte ihn nicht zu interessieren. "Geh. Verlass mein Zimmer." Sie hatte ihm nicht mal die Zeit gegeben, antworten zu können, aber sie wollte nichts von ihm hören. Keine Lüge, keine Wahrheit. Sie wollte nur an etwas Anderes denken, damit das Kopfweh verschwand.

Nach kurzer Zeit hörte sie, wie der junge Mann ging. Mit ungläubigem Blick starrte sie auf die Tür, die er hinter sich geschlossen hatte. Sie wusste nicht, ob sie dankbar oder traurig sein sollte.

Black Flash [L x OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt