15. Kapitel

679 49 6
                                    

Es war dunkel im Hauptquartier der Kira Task Force. Die Polizisten waren schon lange nach Hause gegangen, sie würden in wenigen Stunden sogar wieder da sein. Auch Light und Misa waren auf ihre Zimmer gegangen, um zu schlafen. Nur noch L und Luna saßen vor ihren Computern und wurden ihrem grellen Licht ausgesetzt. Luna war um diese Zeit meist bereits in ihrem Bett, doch in dieser Nacht spielte sie noch gedankenverloren ein Videospiel. Es war zu spannend, um es beenden zu können, also tat sie dies auch nicht. L hingegen saß unbeweglich da und blickte durch den Bildschirm hindurch, der Yotsubas Daten zeigte. Er überlegte, doch seine Gedanken kreisten gewiss nicht um den zu lösenden Fall. Er hatte eine Idee, doch die musste er noch verfeinern und alle möglichen Konsequenzen abschätzen. Gähnend schob Luna ihre Kopfhörer von ihrem Kopf in ihr Genick und schloss das Spiel. Müde streckte sie sich und ließ dabei sogar ihren Rücken knacken. Als der Computer heruntergefahren war, wollte sie sich erheben.

"Du hast heute behauptet, eine Ermittlerin zu sein", erhob L seine tiefe Stimme. Luna lehnte sich in ihrem Sessel nochmal zurück und drehte sich in seine Richtung.

"Falsch", erwiderte sie und zog seinen Blick auf sich, "das war gestern." Sie schmunzelte ihm entgegen, er sah sie ausdruckslos an. Trotzdessen wusste die junge Frau, dass er zum Teil erleichtert war, keine ernsthafte Korrektur von ihr zu hören und zum Teil resigniert von ihrem Einwurf war.

"Warum hast du das getan?", fragte der Schwarzhaarige scheinbar unbekümmert weiter. Luna legte ihre Füße neben ihren Computer und seufzte. Sie sah zur Decke hinauf.

"Frage keine Fragen, auf die du die Antwort kennst", murmelte sie. "Du weißt, warum ich Aiber verheimlicht habe, Black Flash zu sein."

"Du möchtest in seinen Augen kein schlechter Mensch sein."

"Richtig."

"Weil Aiber dir viel bedeutet." Sie gab keine Antwort mehr. Auch wenn es kein Geheimnis war, wollte sie es nicht zugeben, einen Menschen gern zu haben. Somit war sie verletzlich, sie war zu erpressen. L benötigte keine Bestätigung mehr. Er entschied sich, seinen Plan fortzufahren.

"Ich wollte eigentlich gerade -", begann Minerva.

"Würdest du gerne ein Detektiv sein?", unterbrach er sie dreist. Erschrocken sah sie ihm entgegen, ob er das auch ernst meinte, allerdings riss L selten Witze.

"Was ist das denn für eine Frage?", entgegnete Luna. Als L nichts darauf sagte, sprach sie weiter. "Selbst wenn ich die Möglichkeit hätte, plötzlich einen solchen Weg einzuschlagen, würde ich ihn nicht beschreiten. Ich bin zu ... kaputt, zu böse, zu unkontrolliert, zu unwissend, zu ... zu ... Ich bin nicht ausreichend."

"Du weißt, dass du die Möglichkeit hast."

"Ich bin nicht die Richtige für einen solchen Job, L", seufzte sie und schüttelte den Kopf.

"Und doch machst du ihn gerade", meinte er, "und zwar freiwillig. Du hast sogar Spaß dabei, könnte man meinen." Sein Blick wich nicht von ihr. Er musterte ihre Gestik, ihre Mimik. Er sah ihr zu, wie sie angespannt da saß und schließlich aufstand, um auf und ab zu gehen. Er sah ihr zu, wie sie die Augenbrauen zusammenschob und die Lippen aufeinanderpresste.

"Hast du schon vergessen, wie wir uns kennen gelernt haben? Was ich alles getan habe?"

"Du scheinst es jedoch zu bereuen." Sie schnalzte bloß mit ihrer Zunge und ging in die Richtung der Treppen. L erhob sich, um ihr zu folgen, was ihr nicht verborgen blieb. Sie fuhr zu ihm herum und sah zu ihm mit Tränen in den Augen hoch.

"Ich habe diese Möglichkeit nicht, L!"

"Ich gebe sie dir." Verwundert blinzelte Luna zu ihm hoch, er zuckte nicht mit der Wimper. Sie suchte in seinem Gesicht nach einer Lüge, doch sie erkannte keine. Mittlerweile konnte sie den jungen Mann schon so gut lesen, wie kein Anderer, deshalb war sie sich auch sicher, dass er nichts als die Wahrheit sagte. Er gab ihr die Möglichkeit, ein Detektiv wie er zu werden, zumindest hatte sie das so verstanden. Ein Synonym zu werden, das hörte sich in ihren Ohren zu verlockend an, viel zu verführerisch. Für den Moment malte sie sich ihr Leben als weltbekannte Ermittlerin aus, wobei L das Leuchten in ihren Augen wahrnahm. Er sah jedoch auch, wie es wieder erlosch, als Luna auf den Boden der Tatsachen zurückkam.

"Kira und ich haben etwas gemeinsam. Wenn dieser verfluchte Fall gelöst ist, werden wir beide entweder hinter Gitter oder unter der Erde verweilen. Ich habe keine Zukunft, L, das weiß ich doch", meinte Luna monoton wie L. Ihm gingen Sachen durch den Kopf, für die er noch nicht bereit war, sie der ehemaligen Verbrecherin mitzuteilen. Wenn er es aussprechen würde, würde es nicht mehr rückgängig gemacht werden können, dann würde er seinen Plan voll und ganz durchziehen müssen. Und davor hatte er Angst.
Luna lächelte traurig, als sie ihren Kopf schief legte und vergebens auf Ls Stimme hoffte. Sie drehte sich langsam um und setzte ihren Weg in ihr Zimmer fort. Sie wollte wenigstens zwei Stunden Schlaf zusammenkratzen. Wahrscheinlich würden ihre Gedanken sie daran hindern.

Auch der Detektiv wandte sich schließlich wieder an seinen Computer. Was würde nach dem Kira-Fall mit der jungen Frau passieren? Es lag eigentlich nur an ihm, er alleine musste diese Entscheidung fällen. Wenn sie bis dahin noch leben würde, und auch dafür war er verantwortlich, dann sollte er sie unverzüglich ins Gefängnis stecken. Sie würde vermutlich nicht mal rebellieren. Diese Tatsache machte ihn zum Einen traurig und zum Anderen glücklich. Luna würde nicht mehr gegen ihn kämpfen. Es würde kein Katz-und-Maus-Spiel mehr geben, denn sie bereute ihre Taten. Sie würde keine Verbrechen mehr begehen. Sie war zu einem guten Menschen geworden, mit einem gesunden Gewissen. Ein Lächeln huschte über Ls Züge, blieb in seinen Augen hängen, als er sich zur Vernunft rief. Der ewige Kampf zwischen ihr und ihm würde niemals beendet werden, selbst wenn er nicht wie früher ablaufen sollte. Immer würden zwischen ihr und ihm Meinungsverschiedenheiten entstehen, immer würden sie und er streiten. Sie und er. Immer. Naja, bis Luna ins Gefängnis musste. Ls Augen wurden noch dunkler, als sie bereits waren. Ein Schatten legte sich über sie, bei der Vorstellung, einer so junge Frau, eine so schöne und vor allem intelligente Frau, die Freiheit zu nehmen. Ihr enormes Potential würde verloren gehen, würde verschwendet werden. Und L selbst wäre Schuld daran. Nein, er sträubte sich dagegen, so zu verfahren. Er würde Luna das Leben und die Freiheit schenken. Er würde ihr die Möglichkeit geben.

Luna saß in diesem Augenblick auf ihrem Bett, hatte bereits eine Jogginghose und ein Tang-Top angezogen und musterte ihren Handrücken, auf dem das Bild einer Pistole zu sehen war. Das tätowierten hatte ziemlich wehgetan, aber damals fand sie das toll. Die junge Frau schmunzelte und schüttelte den Kopf über sich selbst. Sie war schon ein ziemlich dummes Mädchen gewesen. Nein, dumm war sie nie gewesen, aber naiv und größenwahnsinnig. Wahnsinnig. Es war eine grausame Zeit gewesen, die sie damals durchlebt hatte, doch wenn sie die Macht hätte, die Vergangenheit zu ändern, so würde sie dies nicht tun.
Sie legte sich unter die Bettdecke und verschränkte ihre Arme unter ihrem Kopf. Sie war irgendetwas zwischen hellwach und hundemüde. Ls Worte verließen ihren Kopf nunmal nicht. Was er sich dabei nur gedacht hatte, das konnte sie sich nicht so richtig vorstellen. Was hatte er nur gemeint, als er gesagt hatte, er gäbe ihr die Möglichkeit? Meinte er dabei wirklich die Möglichkeit, nach der Lösung des Falls weiterhin eine Detektivin zu bleiben? Sie konnte es nicht verleugnen, ihr würde es gefallen. Sie war glücklich mit den Polizisten um sich, mit Watari und sogar Light und Misa um sich. Mit L um sich, ja, das machte sie wirklich glücklich. Es glich einem viel zu schönen Traum, wenn Minerva daran dachte, dass das auch ihre Zukunft sein würde.
Die Schwarzhaarige seufzte entspannt, schloss die Augen und glitt endlich in einen entspannten Schlaf.

Black Flash [L x OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt