5. Kapitel

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L hatte einen vagen Plan. Er würde womöglich mehr über ihre Identität herausfinden, wenn er wüsste, wen sie getötet hatte und aus welcher Intuition. Der Schwarzhaarige war sich sicher, dass es ein oder mehrere Männer waren. Die Wahrscheinlichkeit war recht hoch, dass es dieselben Männer waren, die ihr Leid zugefügt hatten, doch L wollte sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen und somit andere Szenarien ausschließen. Er kontrollierte sämtliche unaufgelösten Morde in Sapporo und in dessen Umgebung, vorerst wollte er sich dabei auf die männlichen Opfer fokussieren. Es lagen ganze fünf Morde vor, bei denen kein Mörder gefunden wurde und die sich innerhalb der letzten dreißig Jahre ereignet hatten. L konnte das Alter nur sehr schwer eingrenzen, also blieb er großzügig. Er konnte sich sogar noch erinnern, dass er bei drei von ihnen kontaktiert wurde, doch er war entweder anderweitig beschäftigt oder der Fall war schlichtweg nicht sonderbar genug gewesen. Vor einiger Zeit war der Detektiv sogar noch wählerischer gewesen.

Nakoto Konamito, 1981, seine Kehle wurde in seiner Wohnung aufgeschlitzt. Diese wurde danach vollkommen ausgeraubt, was Black Flash ähnlich sehen würde, jedoch wäre es schwierig, dies vollkommen alleine zu tun.

Saguchi Gamanaka, 1996, ein dumpfer Gegenstand war gegen seinen Hinterkopf geschlagen worden. Er starb in einer dunkler Gasse, die für zwielichtige Geschäfte bekannt war, also half ihm niemand. Er lag dort eine Woche.

Yuchi Amazuki, 2000, er wurde im Keller eines alten Hauses, das eigentlich niemandem gehörte, erdrosselt. Andere Wunden deuten auf einen Kampf hin.

Azachi Sumura, 2000, wurde im selben Haus vorgefunden, jedoch im Erdgeschoss. Ein Kopfschuss hatte ihn getötet, doch die Waffe, welche ihm gehört hatte, war verschwunden.

Taneka Neminaka, dieses Jahr, also 2005, er wurde brutal zu Tode geschlagen. Er war so zugerichtet worden, dass man ihn nur noch schwer identifizieren konnte. Er wurde auf der Toilette einer Bar gefunden. An seinem Fall wurde noch gearbeitet.

L schloss die Morde aus 1996 und 2005 aus, da er nicht glaubte, dass Black Flash einen Mord in aller Öffentlichkeit begehen würde, schon gar nicht auf einer Herrentoilette. Auch 1981 schien eher unglaubwürdig, da das so lange zurücklag und er nicht glaubte, dass Black Flash mit einem Parter agieren würde. Er selbst war damals nicht mal auf der Welt gewesen.

Also die beiden 2000er-Jahre-Fälle. Sie klangen vollkommen plausibel und lagen zeitlich auch nicht zu weit weg. L war sich sogar sicher, dass das die Männer waren, nach denen er gesucht hatte. In seinem Kopf bildete sich das Szenario wie von selbst. Black Flash warim Keller festgehalten worsen, doch sie hatte es schlussendlich geschafft, ihren Entführer mit dem Seil, welches sie gefesselt hatte, zu erdrosseln. Ihn zu erwürgen, hätte niemals funktioniert, dazu schätzte L sie als zu zierlich ein, schließlich war sie schnell. Nachdem das getan worden war, war sie die Treppe hochgelaufen, wo bereits sein Kollege auf sie gewartet hatte, da er von den Geräuschen alarmiert worden war. Er hatte seine Waffe auf sie gerichtet. In diesem Fall hätte sie die Möglichkeit gehabt, den stämmigen Mann mit ihrer Schnelligkeit zu überlisten und sich die Pistole zu schnappen, doch L bevorzugte ein anderes Vorgehen. Sie hatte das verletzte Mädchen gespielt, Krokodilstränen geweint und die Waffe ergattert, als sich Sumura entschieden hatte, dass von ihr keine Gefahr ausgegangen war und sich ihr genähert hatte. Der Kopfschuss war eine Portion Glück und eine Priese Intuition. Dann war sie geflohen.

Nachdem der Schwarzhaarige herausgefunden hatte, dass die beiden Mordopfer vorbestraft waren, fühlte er sich, als hätte er Black Flash so gut wie gefasst, doch dann landete er in einer Sackgasse. Im Haus wurden Fingerspuren von einer nicht existenten Person gefunden.

Minerva hatte bloß einen Rucksack mit ihren wichtigsten Sachen gepackt, um mit ihm ihr Zuhause zu verlassen. Sie war bereit, ihre Stadt hinter sich zu lassen. Sie würde in den Süden gehen, vielleicht Hokkaido verlassen. Das würde sie spontan entscheiden, erstmal nahm sie den nächsten Zug. Sie fuhr natürlich schwarz. Das gefälschte Ticket hatte sie vor Jahren angefertigt und es funktionierte noch immer. Noch im Zug kontaktierte sie die Personen, die auch sie erreichen sollten, denn sie hatte sich ein neues Telefon zugelegt, nachdem sie ihres zertrümmert hatte. Danach kümmerte sie sich um ihre Vertretung. Minerva hatte sich dazu entschieden, einige Trickbetrüger und Kleinkriminelle zu beauftragen und ihnen, so gut als möglich, zu vertrauen. Zwei kümmerten sich um die Supermärkte, einer um die Codes für L und einer würde Sonderaufträge erhalten. Im Gegenzug wurden sie bezahlt. Mit Geld konnte man von Menschen alles haben, es war zum Totlachen.

Genervt musste Minerva feststellen, dass sich jemand in ihr stilles Abteil setzte und sie ihren Anruf abbrechen musste. Es handelte sich um einen großen Mann mit blondem Haar und recht freundlichen, grünen Augen. Er strahlte etwas Zwielichtiges aus. Minerva beschloss, ihn zu verabscheuen. Anstatt ihn weiterhin feindselig anzustarren, klappte sie ihren Laptop auf und schrieb eine Mail an eine junge Frau, welche leicht zu beeinflussen war und deshalb Aufträge für Black Flash erledigte, ohne diese zu hinterfragen. Kurz gesagt: Sie war dumm. In der Mail befahl sie ihr, in einem Monat um Mitternacht in Sapporo zu sein. Dort würde sie weitere Anweisungen bekommen.

Der nächste Streich folgte sogleich. Ihre Sonderaufträge-Vertretung erhielt die Anweisung, um dieselbe Zeit am selben Ort zu sein, um dort eine junge Frau zu bedrohen, sie aber vorerst nicht zu verletzen. Danach würde Minerva ihr eine Nummer zuschicken, die sie wählen sollte, um das Telefon danach ans Ohr des Opfers zu halten. Die Frau sollte einen Code in das Handy sagen, welchen Minerva ihr ebenfalls zukommen lassen würde. Sobald L ihn entschlüsselt hatte, würde er kommen, da war sie sich sicher. Und dann wäre eine dritte Person anwesend, die ein Foto schießen würde. Sie selbst. Denn niemand Anderem auf dieser Welt würde sie jemals diese Aufgabe anvertrauen.

An dem Augenwinkel sah sie dem blonden Mann nach ihrem Handy fischen, welches sich auf dem kleinen Tisch zwischen ihnen befand.

"Hey", fuhr sie ihn an und schenkte ihm ihren kältesten Blick, "sofort das Handy her." Minerva streckte ihre eine Hand aus, während sie in der Tasche ihres Hoodies nach ihrer Waffe griff. Der Mann grinste bloß ertappt und gab ihr gerhorsam das Gerät.

"Du bist wachsam, Kleine. Ich dachte, du wärst abgelenkt, du schienst sehr konzentriert", meinte der Mann und legte sein Kinn auf seine Handfläche.

"Ich habe Ihnen gleich nicht getraut. Verlassen Sie nun dieses Abteil, ich muss arbeiten", sagte sie. Anstatt zu tun, was sie ihm befahl, streckte er lächelnd seine Hand aus.

"Nenn mich Aiber", stellte der Mann sich vor. Minervas eisblaue Augen verengten sich zu Schlitzen.

"Ich sagte, Sie sollen mein Abteil verlassen." Sie griff wieder nach ihrer Waffe. Aiber seufzte und ließ die Hand sinken.

"Der Zug ist voll, du musst mich maximal sieben Stationen erdulden." Minerva versuchte, ihm nicht an die Gurgel zu springen.

"Halten Sie wenigstens die Klappe", sagte sie bemüht ruhig, was umso bedrohlicher wirkte.

"Nur, wenn du mir deinen Namen verrätst, Kleine. Das wäre nur fair, du weißt schließlich meinen."

"Ich bin mir sicher, dass Aiber nicht wirklich Ihr Name ist."

"Du bist gut, Kleine." Dieser Name ging ihr so dermaßen auf die Nerven und das wusste er.

"Luna", log sie spontan.

"Gefällt mir", lachte Aiber, "aber du bist gebürtige Japanerin, stimmt's?"

"Sie dürfen nun schweigen", entgegnete sie ihm und wandte sich wieder an ihren Laptop. Nach einem kurzen amüsierten Laut war der Mann endlich still.

Black Flash [L x OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt