13. Kapitel

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Als sich L wieder im Arbeitsraum befand, hatte er plötzlich einen Plan, wie er zu Luna durchdringen konnte. Alle Anwesenden hatten ihre Augen auf den Detektiven gerichtet. Sie hatten offensichtlich mitgehört. Ls Blick wanderte zu Matsuda, welcher erstarrt in der Gegend stand, als hätte er einen Geist gesehen.

"Hatte Luna recht?", fragte L ihn.

"Hä? Womit?" Der Detektiv antwortete nicht, damit Matsuda selbst verstandand, was er meinte. Tatsächlich schien dem jungen Polizist ein Licht aufzugehen. "Oh! J-ja ... Ich dachte wirklich, sie hätte Sie umgebracht! Ich dachte, es wäre aus!" L wandte sich zufrieden ab, wobei nichts von der Zufriedenheit zu merken war. Die ehemalige Verbrecherin hatte jemandes Reaktion vorhersehen können, das zeugte von Einfühlungsvermögen. Zwar war das noch kein Mitleid, doch sie schien den Menschen zu verstehen.

Das Problem war ihre Vergangenheit. Die Zeit vor ihren kriminellen Aktivitäten musste er mit ihr bereden. Wenn Luna das richtig verarbeiten würde, dann wäre sie zu mehr fähig. Vielleicht würde sie dann an Ls Niveau herankommen.

Die Yotsuba Group wurde in Augenschein genommen. Jedem tat es gut, wieder richtig arbeiten zu können und nicht nur still da zu sitzen. Bis auf Matsuda, denn dieser bekam trotzdem nichts Wichtiges zu erledigen zugeteilt. Bis auf Kaffee holen und Lunas Nacken massieren. Irgendwann reichte es ihm und er bat um richtige Arbeit, da er hilfreich sein wollte, also wurde er zum Manager von Misa. Er ergriff die Gelegenheit bei einem Fotoshooting und besuchte das Hauptquartier der verdächtigen Organisation. Als die Task Force Wind davon bekam, lachte sich Luna, die sich nach dem Vorfall schnell wieder zu den Anderen gesellt hatte, halbtod. Vor allem das Telefonat zwischen Matsuda und L fand sie amüsant, da sie nicht erwartet hatte, das der emotionslose Detektiv schauspielern konnte. Selbst wenn er wirklich lausig war.

Matsudas Rettung wurde eingeleitet. Zuerst wollte L die Literatur-Studentin nicht in den Plan miteinbinden, doch sie weigerte sich, im Gebäude zu bleiben und zu warten. Wenn er Luna alleine hier lassen würde, käme sie womöglich auf dumme Gedanken. Gerissene Gedanken. Also beschloss er, sie mitzunehmen. Luna wurde dazu eingeteilt, die Krankenschwester zu spielen, was sie nur widerwillig tat. Die Mission verlief sehr gut, Matsuda war in Sicherheit, sowie alle Anderen der Task Force. Im Fluchtfahrzeug saß der junge Polizist verzweifelt auf der Trage.

"Matsuda, Sie Vollpfosten", lachte die Schwarzhaarige.

"Es tut mir so leid, es war dumm. Ich wollte nur - Verzeihung." Ihr Lachen verebbte und sie setzte sich neben ihn. Seufzend legte sie ihre Hand auf seine Schulter.

"Ach, vergessen Sie es einfach. Sie haben es zumindest versucht", tröstete die Verbrecherin ihn. Sie merkte jedoch, dass es ein Hauch zu nett für ihre Verlhältnisse war. "Ich werde mich trotzdessen immer darüber lustig machen."

Still saß die Schwarzhaarige an ihrem Laptop und spielte gewalttätige Spiele. Zwar war genug zu tun, doch sie hatte schlichtweg beschlossen, sich an diesem Tag mit ihren vernachlässigten Hobbys zu beschäftigen. Trotzdem saß sie im Kontrollzentrum, wo L, Light und die Polizisten arbeiteten, um nichts Spannendes zu verpassen. Dazu summte sie leise ein Lied vor sich hin, welches zurzeit oft im Radio zu hören war. Nicht, dass Luna die Möglichkeit hätte, Radio zu hören. Sie hatte das getan, als sie noch ihre Wohnung unter den vier jungen Männern gehabt hatte. Wenn diese zu laut gewesen waren, hatte sie immer mit diesem Song zurückgeschlagen. Bei dem Gedanken schmunzelte Minerva - und fuhr mit ihrem geklauten Auto ins Meer.

"Scheiße!", fluchte sie und klappte den Laptop kraftvoll zu.

"New game", sagte L mit vollem Mund. Verwirrt sah sie ihn an. "Du kannst das Spiel nochmal starten und es neu versuchen."

"Das ist mir schon klar", entgegnete Luna langsam und versuchte herauszufinden, was der Detektiv meinte.

"Warum tust du es nicht?", fragte er. Sie wusste sich keine Antwort darauf, darum kam sie sich dumm vor. Sie verspürte den Drang, weiterzuspielen, doch sie tat es aus bloßer Sturheit nicht. Sie verschränkte ihre Arme und erwiderte nichts darauf. L sah schon; Luna hatte wieder eine Kleinkindphase, also beschloss er, sie auch so zu behandeln.

"Luna, wenn du nicht produktiv bist, kannst du ebenso gut auf dein Zimmer gehen." Nur für den Bruchteil einer Sekunde konnte der Detektiv die Enttäuschung und den Schmerz in der Mimik der jungen Frau erkennen. Luna hatte das Gefühl, ausgeschlossen zu werden, das wollte sie nicht. Schnell hatte sie ihre Äußerung der Gefühle wieder unter Kontrolle und sah ihm wütend entgegen. Ihr ging durch den Kopf, ob sie nun in ihr Zimmer gehen oder am Fall arbeiten wollte. Bei Letzterem würde sie genau das tun, was L wollte, doch sie wollte sich auch nicht von ihm und den Polizisten entfernen. Ihr Zimmer war zu einsam. Es strahlte die Einsamkeit ihrer Vergangenheit aus, die sie seit der Task Force nicht mehr gefühlt hatte.

"Das Meeting der Yotsuba-Group, welches wir belauschen wollen, ist erst morgen. Was soll ich denn bis dahin tun?", knurrte sie.

"Du könntest Watari mit dem Essen unterstützen", schlug der Schwarzhaarige vor. Luna schnalzte bloß mit der Zunge.

"Weil Frauen deiner Meinung nach in die Küche gehören?"

"Weil Watari viel Arbeit hat und dir langweilig zu sein scheint."

"Ich will jetzt nicht kochen. Schlag was Anderes vor." Light stieß einen Seufzer aus und sah L und Black Flash genervt an.

"Ihr benehmt euch wie Kinder. Tut allen einen Gefallen und verlagert eure Diskussion in einen anderen Raum." Luna wollte schnippisch verneinen, doch L stand tatsächlich auf, um sie am Handgelenk mit sich in einen anderen Raum zu schleifen. Lights womöglich nicht mal ernst gemeinte Bitte kam ihm gerade gelegen.

Verwirrt setzte sich Luna auf das Sofa, bei dem L ihr Handgelenk wieder freiließ. Er selbst setzte sich ihr gegenüber auf einen gemütlichen Sessel. Stumm sah die junge Frau dem Detektiven entgegen und wartete gespannt darauf, dass er das Wort erhob. Es kam jedoch nichts. L sah ihr bloß direkt, analysierend in ihre blauen Augen. Schwarz und Blau war eine faszinierende Mischung. Lunas Lippen waren gespalten, während sie sich wie in Trance in der dunklen Unendlichkeit verlor.

"Wer ist Black Flash?", fragte L leise, um in der Stille nicht zu laut zu wirken. Er hatte diesen einen Satz die gesamte Zeit überdacht, das wusste Minerva. Ihr gefiel es aber nicht. Sie wollte, dass er den Moment genauso gedankenverloren erlebte wie sie selbst.

"Ich", antwortete sie kurz und bündig.

"Wer bist du?"

"Black Flash." L wollte eine richtige Antwort und die würde er bekommen.

"Was würdest du von Black Flash denken, wenn du nicht hinter dem Synonym stündest?" Sie musste nachdenken.

"Ich würde Black Flash vielleicht bewundern, schließlich ist er furchtlos und setzt seinen Willen durch. Ich betrachte diese Eigenschaften als bewundernswert. Würde ich aber die Person hinter dem Namen kennen, ihre Geschichte, würde ich ... Mitleid und Abscheu zugleich empfinden." Schon wieder überraschte Luna ihn. Mit Mitleid und Hass hatte er nicht gerechnet, schließlich schien sie stets selbstverliebt. In ihren Augen war sie selbst perfekt, hatte er gedacht. Aber anstatt sich zu ärgern, war der Detektiv fasziniert. Er sah sie stumm an, um ihr Weiteres zu entlocken.

"Ich hab eben viel Scheiße gebaut. Vieles getan, was ich nicht hätte tun sollen. Ich wurde dazu getrieben, es war unausweichlich."

"Das ist es nie", meinte L ruhig. Beinahe ängstlich sah Luna ihn an. "Man ist für die eigenen Taten selbst verantwortlich." Sie fühlte die Tränen, doch gestattete ihnen nicht, die Wangen hinunterzukullern.

"Aber jeder macht doch Fehler", versuchte sie sich aus der Schlinge zu ziehen. Er erwiderte nichts darauf. Er sah sie bloß stumm an. "Oder?" Dass sie von ihm nicht getröstet wurde, ließ sie verzweifeln. Er sagte einfach nichts dazu und beschuldigte sie somit. L sah in ihr die Kriminelle, die sie wirklich war. Sie wollte in seinen Augen ein guter Mensch sein. Einer, der den Kira-Fall lösen konnte, gemeinsam mit ihm.

"Es tut mir leid", entschuldigte sie sich und hoffte, dass es dadurch besser werden würde. L lächelte sanft, als sie sich erstmals entschuldigte, das war ein großer Fortschritt. Es wurde nichts mehr gesprochen, jeder hing seinen eigenen Gedanken hinterher.

Black Flash [L x OC]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt