Luna saß seit über zehn Stunden vor dem Bildschirm ihres Computers und sah sich die Aufnahmen der Yotsuba-Group immer und immer wieder an. Die Kameras waren von Wedy installiert worden, was der Schwarzhaarigen nicht in den Kram passte. Sie hätte das selbst machen können, doch L war dagegen gewesen. Wie auch immer, sie hatten einige Sitzungen aufgenommen und konnten sich sicher sein, dass einer von ihnen Kira war. Kira Nummer drei laut Lunas Devise. So oft sie kleine Stellen auch zurückspulte und nochmal und nochmal ansah, keiner der Mitglieder stach heraus oder ging unter. Es war ihr nicht möglich, einen Verdächtigen auszuwählen und das störte sie. Sie analysierte jede Mimik, jeden Ausdruck der Augen, jede Aussage der Mitglieder und war dabei so konzentriert, dass Luna Zeit und Raum völlig vergaß.
L beobachtete sie. Ihm wurde wie ihr auch nicht langweilig. Sie schien viel zu vielfältig zu sein, als das L aufhören könnte, sie zu analysieren, zu betrachten. Ihm gingen dabei Gedanken durch den Kopf, die er nicht steuerte, nicht bremste. Sie war auf dem besten Weg, eine weltklasse Ermittlerin zu werden, das zeigte ihm ihr Ehrgeiz, Kira zu finden. Obwohl die beiden nicht wieder von der Zeit nach dem Kira-Fall gesprochen hatten, wusste L, dass sie die Möglichkeit, die er ihr geboten hatte, annahm. Das ermitteln machte ihr Spaß, sonst würde sie sich nicht solche Mühe machen.
L musterte sie, wie sie ihren Kopf auf ihre Handinnenfläche stützte. Sein Blick wanderte zu ihrem Handrücken, auf dem das Bild einer Waffe zu sehen war. Dieses Tattoo war das einzige, dass Luna noch mit Black Flash verband. Die Pistole erinnerte an ihren Wahnsinn und ihre Unbarmherzigkeit, doch wenn sich der Detektiv die junge Frau neben sich so ansah, war nichts mehr von den beiden Eigenschaften übrig. Da war nur Gelassenheit, Konzentration und Ehrgeiz. Natürlich war Luna noch immer unberechenbar, das würde sie für ihn vermutlich auch immer bleiben. Diese Tatsache störte ihn kaum.
L glaubte, Luna schon gut zu kennen und doch kannte er nicht mal ihren wahren Namen.
"Wie ist dein Name?", fragte er daraufhin, ohne darüber nachzudenken. Seltsam. Die Schwarzhaarige sah überrascht zu L, dann wieder zu der Aufnahme, die sie stoppte.
"Mein Name?", wiederholte sie verwirrt, ihren Blick nicht vom Bildschirm abwendend. "Was interessiert dich mein Name?" L wusste die Antwort, doch die würde er ihr nicht mitteilen. Er wollte nicht, dass sie wusste, wie sehr sie ihn beschäftigte. Da Luna keine Antwort erhielt, seufzte sie und drehte sich zu ihm. Sie wog ab, was sie tun sollte. Etwas in ihr sträubte sich, ihm ihren wirklichen Namen preiszugeben. Sie würde sich somit öffnen, gänzlich. Es könnte auch einer seiner Tests sein und den würde sie verlieren, wenn sie ihm ihren Namen preisgab.
Sie sah ihm nachdenklich in die schwarzen Augen, die nur von den Bildschirmen beleuchtet wurden.
"Minerva", sagte sie leise, jedoch nicht flüsternd. Die beiden hielten Blickkontakt. Es war angenehm still im Hauptquartier. Keiner von ihnen hatte erwartet, dass das passieren würde. L fühlte einen angenehmen Schlag, der seinen Körper durchfuhr, bis in die kalten Fingerspitzen. "Und deiner?"
Der Detektiv hatte nicht damit gerechnet. Weder mit ihrer ehrlichen Antwort, noch mit der darauffolgenden Frage. Aber es war ihm nicht möglich, ihr denselben Dienst zu erweisen. Niemand bis auf Watari kannte seinen Namen. Sie könnte Kira sein, sie könnte seinen Namen an Kira weiterleiten und er könnte sterben. Es war ihm nicht möglich, ihr so großes Vertrauen entgegenzubringen wie sie es tat. Aber war das die Gerechtigkeit, die er immerzu anstrebte? Nein.
Minerva drehte sich lächelnd von ihm weg und wollte das Video wieder starten. Es tat ihr ziemlich weh, keine Antwort zu erhalten, aber das hatte sie auch nicht erwartet. Von ihrem Schmerz war ihr nichts anzusehen.
"Schon gut", murmelte sie.
"Lawliet." Die beiden Herzen klopften schneller, als sich ihre Blicke trafen. Der jungen Frau wurde warm, vor allem auf ihren Wangen. Die Ermittler bemerkten, wie sich die Verbindung zwischen ihnen stärkte, doch wagten es nicht anzusprechen. Sie sprachen kein Wort. Keine Silbe verließ ihre Lippen. Nur Stille erfüllte den Raum, sodass beide dachten, ihr erhöhter Herzschlag wäre zu hören. Lawliet. Der Name hallte in Minervas Kopf wieder. Lawliet. Er war nicht loszuwerden, nichts Anderes hatte in ihrem Kopf Platz. Lawliet. Der Name passte zu ihm.
Die beiden jungen Erwachsenen im Raum hatten sich vollkommen einander geöffnet, eines ihrer größten Geheimnisse preisgegeben, einfach so. Somit hatten sie bewiesen, dass sie einander voll und ganz vertrauten. Ihre zukünftigen Handlungen würde dies vermutlich beeinflussen. Vertrauen war diese eine merkwürdige Sache, die die beiden noch nicht erübt hatten. Lieber hatten sie den Menschen misstraut, doch diesmal nicht. Diesmal handelte es sich um einen ganz besonderen Menschen.
Noch immer sahen sie einander an und warteten auf eine Reaktion des jeweils Anderen. Sie wussten nicht, wie damit umzugehen war.
"Nenne mich trotzdem Ryuzaki", fügte L nach langer Zeit hinzu. Luna gab einen Laut von sich, den man zwischen Lachen und Schauben einordnen konnte. Die Schwarzhaarige nickte wortlos grinsend. Nachdem sie sich sicher war, dass er nichts mehr sagen würde, wandte sie sich wieder zu ihrem Bildschirm, um das Video weiter zu analysieren, wobei ihre Konzentration beinahe im Keller war.
L beobachtete sie.
Vor Luna stand Misa, die ihr Handy stolz ausstreckte. Auch die Polizisten, Light und L hörten die Aufnahme von der Blonden und ihrem scheinheiligen Date mit einem der Yotsuba-Group-Mitglieder. Diese simple Aufnahme war der Beweis, dass Higuchi Kira war. Das machte Luna rasend vor Wut, schließlich hatte sie Tag und Nacht versucht, Kira ausfindig zu machen. Misa dagegen klimperte bloß mit ihren zu stark geschminkten Augen und schon hatte sie es geschafft. Woher, fragte sich Luna, hatte dieses Mädchen nur gewusst, dass Higuchi es war? Woher? Das war doch nicht fair. Es musste sich schlichtweg um einen Zufall handeln, denn Misa Amane konnte ihr unmöglich überlegen sein. Und trotzdem hatte sie es geschafft und Luna nicht. Die Schwarzhaarige schluckte den Drang, auf die Schauspielerin loszugehen, erfolgreich hinunter. Sie rief sich zur Besinnung und reflektierte die Situation objektiv. Es war ein Fakt, dass Misa nicht von alleine auf die Idee kommen konnte, dass Higuchi Kira Nummer drei war. Jemand oder etwas musste sie unterstützt haben, sie musste Hilfe gehabt haben. Die Frage war bloß wer oder was das war. Womöglich Light, der als Kira-eins über alle anderen Kiras die Kontrolle hatte. Womöglich Higuchi, der sie um die Nase führen wollte. Dies war jedoch unwahrscheinlich, da Luna nicht einsah, welchen Vorteil er sich daraus ziehen könnte. Die Ermittlerin hatte vor Wochen eine verrückte Theorie aufgestellt, mit der sie Ls Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte. Laut Luna waren Shinigami ein bedeutender Teil dieses Falles. Gab es nur einen Shinigami, der alle Fäden zog, oder handelte es sich um mehrere? Ein Shinigami für jeden Kira? Ein Notizbuch für jeden Kira?
Luna erweiterte ihre blauen Augen, als sie die Erkenntnis traf. Der Shinigami war es, der Misa geholfen hatte. Dieser Todesgott gehörte vor Misas Verhaftung zu ihr, doch dann verlor sie die Erinnerung. Der Gott suchte sich Kira-drei. Dann kam Misa wieder. Und dann? Luna fand keine Erklärung dafür, weshalb der Shinigami ihr geholfen hatte. Die Schwarzhaarige schüttelte den Kopf, um ihre Theorie zu streichen.
"Luna? Was geht dir durch den Kopf?", fragte Light. Er zog sie zurück in das Hier und Jetzt.
"Ich habe mir vorgestellt, wie du an Misas Stelle Higuchi verführen würdest. Allerdings hast du nicht den entsprechenden Charme dazu", entgegnete sie. Matsuda gab ein kurzes Lachen von sich, danach lag die Aufmerksamkeit der Anwesenden nicht mehr auf Luna. Sie konzentrierte sich auf Ls Plan, wie sie Kira-drei schnappen sollten.
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Black Flash [L x OC]
FanfictionMinerva ist eine 21-jährige Verbrecherin, die aufgrund ihrer schwarzen Kleidung und ihrer Schnelligkeit Black Flash genannt wird. Sie lebt ihr Leben, wie es ihr passt und nimmt keine Rücksicht auf Gesetze. Sie stiftet in Sapporo nun schon seit fünf...