5. Kapitel

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Ich machte mich auf den Weg durch den Wald, aber da ich übehaupt keine Orientierung mehr hatte, irrte ich nur die Nadelbäume entlang und war bei jedem Sonnenstrahl erleichtet, dass ich nicht komplett in der Dunkelheit verloren war. Und plötzlich nahte die Dämmerung. Aber ich musste weiter! Musste zu meinem Dad! Es durfte nicht Nacht werden! Ich hatte doch keinen Unterschlupf... Du kannst dir ja eine Lehmhütte bauen..., sagte ich sarkastisch zu mir selbst. Ich war keins dieser supernatürlichen Kinder. Ich war kein Pfadfinder oder Wildnistyp. Ich wusste, wie man aus trockenen Ästen ein Feuer machte-theoretisch... Keine Ahnung ob das wirklich klappte oder ob es das nur in Filmen gab. Egal! Amy, du hast besseres zu tun, als über so was nachzudenken! Ich brach erschöpft zusammen. Doch da erkannte ich ein paar Meter weiter einen glatten, grauen Fels. Ich lief zu ihm und besah mir die hohe Wand. In der Hoffnung, eine Höhle zu finden, strich ich am Fels entlang und suchte etwas Höhlengleiches. Als ich schon ein paar Minuten gesucht hatte, entdeckte ich einen kleinen Überhang. Er lag etwas höher, war etwa einen Meter hoch, zwei breit und hatte ein sandiges Innenleben. Ich kletterte die kurze Strecke bis zum Unterschlupf und zwang mich zwischen die dicken, kalten Sandsteinwände. Es war typischer Sandstein: Im Sonnenschein gelblich, in der Dunkelheit grau. Glatt und kalt, sodass es sich wie Metall anfühlte. Ich dachte ein wenig über alles nach und begab mich dann ins Land der Träume.

Männerstimmen brachten mich zum Hochschrecken. Sie waren mir bekannt. Aber nicht im guten Sinne. Ich warf einen Blick auf den schmalen Trampelpfad, den ich Gesternabend erschaffen hatte, indem ich mehrmals über dieselbe Stelle gelaufen war. "Hey, ich hab was!", schrie einer. Ich erkannte einen Mann in schwarzer Uniform. Es waren rote Knöpfe am Brustbereich angenäht, seine Hose war komplett schwarz und er trug dunkle Lackschuhe. Auf seinem rechten Ärmel war ein Zeichen aufgestickt. Ich kniff die Augen zusammen um die geschwungene Schrift zu entziffern. Keine Chance aus drei Metern Höhe! Dann kam ein zweiter Mann:"Was hast du denn, hier ist sie doch nicht!" Jetzt konnte ich vermuten, was auf dem Ärmel stand. Mir war diese Uniform von Anfang an bekannt vorgekommen. Es waren Männer, die meine Mutter getötet hatten. Ich fuhr zusammen und stieß mir den Kopf. Shit! ...Nur nicht laut fluchen...! Die beiden Uniformieten verließen mich wieder. Ich atmete erleichtert aus. Nach einiger Zeit kletterte ich aus meinem Versteck und huschte um den Felsen. Als ich auf der anderen Seite war, erblickte ich eine gräuliche Spur, die hinter dem Wald begann und hinter dem Horizont endete. Ich erhöhte mein Tempo. Eine Straße! Nachdem ich sie erreicht hatte schöpfte ich wieder Hoffnung. Wenn ich es schaffte, nicht erwischt zu werden, konnte ich in einer Woche vielleicht schon bei Dad sein. Ich atmete erleichtert aus und schlenderte die glänzende Asphaltierung entlang.

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