„Jetzt sei nicht so ein Langweiler! Lass uns was machen! Ich will nicht den ganzen Nachmittag im Hotel versauern", quengelte Domen und schob sich mit Nachdruck den letzten Bissen seines Kuchens in den Mund.
Er saß mit Anže in der kleinen Hotelbar, in der Hochbetrieb herrschte. Sie waren vor einer halben Stunde vom Fahrtsicherheitstraining wiedergekommen und während der Rest des Teams verschwunden war, um irgendwelche Telefonate zu führen oder Bücher zu wälzen, hatte Anže sich dazu bequemt, noch mit Domen Kaffeetrinken zu gehen, nachdem dieser ihn die ganze Rückfahrt über genervt hatte.
„Aber wir machen doch schon was", brummte Anže und rutschte demonstrativ noch ein Stück tiefer in den Sessel, während er einen Schluck von seinem Kaffee nahm.
„Wow. Atmen. Wie spannend", brummte Domen und trommelte mit seinen Händen auf der Tischplatte herum. Unruhig sah er sich um. Sah eine Gruppe Mädchen drei Tische weiter, die sich lachend unterhielten. Am Tisch neben ihnen saß ein junges Pärchen, dass sich verliebt in die Augen sah. Und so ging es weiter. Wohin Domen auch sah, überall lachende fröhliche Menschen, die ihren Urlaub und die Zeit mit ihren Freunden und Liebsten unbeschwert genossen.
Auch er fühlte sich seit dem Mittag wesentlich besser. Er war erleichtert. Irgendwie. Immerhin hatte Daniel seine Entschuldigung angenommen. Sie konnten noch miteinander reden. Es war schönes Wetter und er wollte, nein er konnte jetzt nicht einfach den Rest des Nachmittags rumsitzen. „Aber heute ist doch unser einziger freier Tag! Das müssen wir ausnutzen! Wir-", setzte er erneut an, wurde jedoch gleich wieder von Anže unterbrochen.
„Ja, um faul in irgendeiner Ecke herumzuliegen und nichts zu tun", brummte der ältere Slowene seufzend, während er auf sein Handy starrte.
Missmutig verzog Domen den Mund und lehnte sich über den Tisch: „Das kannst du auch in zwei Stunden noch machen!", beschwerte er sich und warf einen bösen Blick auf Anžes Handy, dass ihn schon die ganze Zeit ablenkte. Inzwischen benahm sich sein Zimmerkollege schon fast so schlimm wie Jernej, Jurij oder Peter. Ständig hingen sie am Telefon, als wären sie gerade auf Forschungsreise im Weltraum und seit Jahren nicht mehr daheim gewesen. Es war ja nicht so, dass er ihnen ihr Glück nicht gönnte, aber es war so- Er kam sich dabei so ausgeschlossen vor. Und das schlimmste war, dass es ihn an Daniel erinnerte. An sich. Was für ein Arsch er gewesen war. Er war einfach nur froh, dass Daniel ihm verziehen hatte, denn er war sich nicht sicher, ob das auch für ihn selbst galt. Und Daniel verzeih sowieso allen. Er würde sogar dem großen bösen Wolf verzeihen, wenn der seine Großmutter fraß. Aber jetzt war ja alles wieder in Ordnung. Es war okay.
„Kann ich nicht, denn da habe ich schon ein äußerst heißes Date mit Peter in der Hotelsauna. Aber du kannst uns gern begleiten", informierte ihn sein Zimmerkollege ohne von seinem Handy aufzuschauen. Seine Mundwinkel hatten sich leicht nach oben verschoben.
„Ahja. Und wann war gleich der Rheumadeckenverkauf? Den wollte ich ja auf keinen Fall verpassen", meckerte Domen und lehnte sich mit verschränkten Armen in seinem Sessel zurück. Er wollte Ablenkung. Spaß. Und nicht noch mehr Gespräche über Beziehungen und Liebe. Ziemlich wahrscheinlich würde es aber dort enden. Selbst Peter war nicht entgangen, wie oft der blonde Slowene seit neuestem am Telefon hing.
Amüsiert sah Anže von seinem Handy auf. „Der ist gleich im Anschluss an Gorans Seniorenbingo. Heute gibt's wieder tolle Preise."
„Haha", brummte Domen in seinen nicht vorhandenen Bart. „Aber es ist so ein schöner Tag! Wir könnten Tischtennis spielen oder-"
„Wir sollen relaxen, Domen", verdrehte sein Gegenüber die Augen und wandte seine Aufmerksamkeit erneut in Richtung des Handys. „Und außer in die Sauna, auf unser Zimmer oder in den Speisesaal werde ich mich heute garantiert nirgends mehr hinbewegen", stellte der blonde Slowene klar, während er konzentriert seine Antwort eintippte.
„Ja, schön! Ihr hattet ja alle heute schon euren Spaß. Und was ist mit mir?", fragte Domen finster. Er wollte doch einfach nur den Nachmittag nicht allein verbringen. Die Unruhe vertreiben, die ihn immer noch fest im Griff hatte, wo er doch eigentlich alles mit Daniel geklärt hatte.
„Ach, komm! Du kannst mir nicht erzählen, dass du auf dem Rücksitz keinen Spaß gehabt hast! Ich hab das freudige Glitzern in deinen Augen doch genau gesehen. Aber gut, mein Fahrstil ist auch einfach einmalig... vielleicht hätte ich doch die Formel 1 anstreben sollen", lobte Anže sich über den Klee, lehnte sich ernsthaft nachdenklich zurück und schien Vor- und Nachteile seines Gedankens abzuwägen.
Domen hatte für die Höhenflüge seines Zimmerkollegen nur ein Schnauben übrig. „Ja, ich erinnere mich an dein verschrecktes Quietschen, als du auf dem Eis die Vollbremsung hingelegt hast... deine Nerven würden deine Pläne sicher toll finden."
„Du bist doch nur sauer, weil Jensen dich nicht ans Steuer lassen wollte", tat Anže sein Argument mit einem Wink ab.
Ja, das Fahrtsicherheitstraining war bei allem im Team super angekommen. Und auch Domen hatte sich nach seinem Gespräch mit Daniel darauf gefreut, etwas zu tun zu haben. Da hatte allerdings noch keiner erwähnt, dass er, weil er noch keine achtzehn war, nur als Beifahrer fungieren durfte. Wobei, er war ja noch nicht einmal wirklich Beifahrer gewesen. Er hatte auf dem Rücksitz gesessen. Das war beinahe noch schlimmer gewesen. Und sich ständig blöde Kommentare anhören dürfen. Das nur schlecht unterdrückte Drucksen der anderen, als Jensen ihm stotternd verkündete, dass sein Nachmittag nicht so ablaufen würde, wie er es sich vorgestellt hatte, hatte er immer noch im Ohr. „Deswegen könntest du jetzt auch so nett sein-"
„Ich werde mich heute nicht mehr aus diesem Hotel hinausbewegen. Punkt. Kannst du niemanden anders fragen?", stöhnte Anže und Domens Herz setzte einen Moment aus. Er hätte Daniel fragen können. Er wollte Daniel fragen. Trotzdem saß er hier mit Anže. Nein. Es war okay. Er hatte gesagt, dass es okay war. Er konnte damit umgehen. Tief atmete Domen durch und starrte zu Anže, als ihm klar wurde, dass der immer noch auf eine Antwort wartete. Und gerade, als er zu einer Antwort ansetzen wollte, fing das Handy des blonden Slowenen an zu klingeln.
Und als hätte jemand einen Schalter bei dem Älteren umgelegt, verzog sich sein Mund von genervt zu einem glücklichen Lächeln, als er sah, wer da am anderen Ende der Leitung dran war. „Iva, schön, dass du anrufst!", nahm er das Gespräch entgegen, während er sich unter den erstaunten Augen von Domen aufrappelte.
„Nein, du störst gar nicht. Nein! Warte, ich suche mir nur ein ruhiges Plätzchen...oder weißt du was? Ich muss dir unbedingt ein Bild von der Umgebung hier schicken! Es ist traumhaft! Und ich weiß doch, wie sehr du den Wald und die Berge liebst", plapperte er bestens gelaunt und hoch motiviert drauf los, während er sich unter den fassungslosen Augen von Domen seine Jacke und seinen Hotelschlüssel schnappte und ohne sich noch einmal umzudrehen, aus der Bar in Richtung Hotelausgang verschwand.
Hatte er nicht gerade noch steif und fest behauptet, das Hotel heute nicht mehr zu verlassen?!, fragte Domen sich empört, der allein und fassungslos an ihrem Tisch zurückblieb. Finster sah er sich um. Einmal mehr wurde ihm bewusst, wie voll die Bar war. Nur er saß hier allein vor seinem leeren Teller und dem halbvollen Glas Wasser und wusste nichts mit sich und der Welt anzufangen, obwohl er das dringende Bedürfnis hatte, etwas zu tun.
Er hatte sich bei Daniel entschuldigt. Es war okay. Hatte der Norweger selbst behauptet. Und Domen hatte ihm geglaubt. Nein, er glaubte ihm, berichtigte er sich selbst. Er hatte Glück, dass Daniel kein nachtragender Mensch war. Dass er seine Entschuldigung angenommen hatte. Er selbst wusste nicht, ob er genauso... gefasst reagiert hätte. Unruhig klopfte Domen mit den Fingern auf seiner Lehne herum und vergrub sich noch ein Stück tiefer in seinen Sitz. Er sollte Daniel fragen. Immerhin waren sie befreundet. Ja, das sollte er wirklich. Und die Sache war ja geklärt.
Seufzend schloss er die Augen. Er sah Daniel vor sich, der ihn mit seinen traurigen scheiß verständnisvoll-resignierten Augen angesehen hatte. Vor dem Hotel, als sie sich verabschiedet hatten. Es war alles bestens verlaufen. Trotzdem hatte es weh getan. Es auszusprechen. Daniel so zu sehen. Aber es war okay, wiederholte er erneut diese paar Worte, an die er sich seit geraumer Zeit klammerte ohne, weil er das Gefühl hatte, sonst den Halt zu verlieren. Er hatte-
Erschrocken zuckte Domen zusammen, als jemand gegen seinen Sessel stieß. Mackenzie kam um die Ecke und ließ sich, ohne zu fragen ihm gegenüber fallen. „Oh. Hab dich gar nicht gesehen. Ist hier noch frei?", fragte der Kanadier erschöpft, als er Domen entdeckte, erweckte jedoch nicht den Eindruck, als würde er jemals wieder aufstehen, selbst wenn Domen ihn wegschicken wollen würde.
Stumm nickte der junge Slowene und fragte sich gerade, was mit Mackenzie passiert war, als Kevin sich um die Ecke schleppte und ebenfalls auf einen der Sessel kroch. Beide sahen nicht unbedingt fit aus. Sie wirkten ziemlich erschlagen, um genau zu sein. Sie rollten sich auf den Sesseln zusammen und sahen wirklich ganz danach aus, als hätten sie vor, hier die nächsten Stunden schlafend zu verbringen.
Gerade als Domen dazu ansetzten wollte, seine Fragen laut zu verbalisieren, tänzelte Will mit einem Tablett voller Kaffeetassen um die Ecke. „Und da haben wir das Allheilmittel gegen jegliche Form von Schlappheit", trällerte er und stellte den beiden die Tassen vor die Nase, bevor er sich selbst setzte, sich seine Sonnenbrille vom Kopf zog und sie einsteckte. Genüsslich führte er sich seine Tasse an die Nase. „Immer wieder eine Wonne!", seufzte er zufrieden und absolut hellwach, ganz im Gegensatz zu den anderen beiden, die es nicht einmal fertig brachten sich aufzusetzen. „Ach, ich freu mich schon darauf, Innsbruck endlich mal kennenzulernen. Weihnachtsmarkt, das Schloss, die Hofkirche, der Stadtturm... Wird bestimmt toll!"
„Sicher", brummte Mackenzie schwach, während er seine Sonnenbrille aus der Tasche zog und sie sich aufsetzte. Deutlicher konnte man ein: Lass mich in Ruhe schlafen wohl nicht ausdrücken.
„Das is ne gute Idee...", kommentierte Kevin und tat es seinem Teamkollegen gleich, während er herzhaft gähnte.
„Echt, selbst Schlaftabletten sind aufgeweckter als ihr!", beschwerte Will sich missbilligend.
„Was ist mit euch denn passiert?", neugierig sah Domen zwischen den dreien hin und her und war insgeheim froh, über die Ablenkung. Wobei...Ablenkung traf es nicht ganz. Er brauchte ja keine. Immerhin war doch eigentlich alles in schönster Butter. Butterprinzessin. Seufzend sah er Daniel vor sich. Mit hängenden Schultern. Er hasste es. Er hasste es, dass er dafür verantwortlich war.
„Bine hat heut noch ein bisschen mit uns trainiert", erzählte Will schulterzuckend.
Mackenzie schnaubte: „Das war kein Training. Das war Folter!"
„Ja, und das über drei Stunden lang! An unserem freien Tag", empörte sich auch Kevin, rührte sich dabei erstaunlicherweise aber keinen Millimeter in seinem Sessel.
„Wieso beschwert ihr euch? Wir haben doch abgestimmt, dass wir heute etwas mehr machen, dafür dann morgen aussetzen, damit die Beine frischer sind", erinnerte Will seine Teamkollegen an die Diskussion des gestrigen Abends.
Allerdings schienen weder Mackenzie noch Kevin etwas davon wissen zu wollen: „Und genau das ist der Grund, warum Demokratie nicht funktioniert: Die Minderheit wird immer unterdrückt", schnaubte Mackenzie, während Kevin zustimmen nickte und Will anfing zu lachen.
„Jetzt schau dir nur mal an, was das für Waschlappen sind!", forderte er Domen auf, der die drei Nordamerikaner vor sich musterte, die ganz eindeutig nicht nur Kollegen, sondern auch gute Freunde waren. Ob es jemals so mit Daniel werden würde? Immerhin waren sie gerade dabei gewesen, Freunde zu werden. Im nächsten Moment schüttelte Domen über sich selbst den Kopf. Wie kam er denn darauf? Sie hatten das geklärt. Es war in Ordnung. Das würde schon wieder werden.
Aber es fühlte sich nicht so an, schoss es ihm durch den Kopf. Es war, als hätte er einen Fehler gemacht. Als würde ihm etwas entgehen. Und damit meinte er nicht nur seine dämliche Reaktion auf den Kuss.
„Hola, wen haben wir denn da?", pfeifend setzte Mackenzie sich wiedererweckt von den Toten in seinem Sessel auf und schob sich die Sonnenbrille auf die Nasenspitze, um anerkennend drüber hinwegsehen zu können. Verwirrt sahen sie sich um und folgten seinem Blick, der an der Bar hängen geblieben war. Dort stand neben Tom und Anders eine blonde Frau, die sich angeregt mit den beiden Norwegern unterhielt. Mackenzie, William und Kevin schienen von ihrem Anblick wie hypnotisiert zu sein, während Domen sich wünschte, dass sie aufhören würden zu starren. Er wollte Anders nicht auf sich aufmerksam machen, der ihn in den vergangenen Tagen schon öfter mit seinen Blicken erdolcht hatte. Der Norweger schien nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen zu sein und er konnte es ihm nicht einmal verübeln. Genaugenommen wunderte er sich, dass sein Kopf überhaupt noch mit dem Rest seines Körpers vereint war.
„Perfekte Beine", flüsterte Kevin beinahe andächtig neben ihm, während Domen sich fragte, was sie an der Blonden so interessant fanden. Aber gut, er hatte auch nur kurz hingesehen.
„Vergiss die Beine! Sieh dir nur mal ihr Engelsgesicht an", riet William seinem Freund. Sein Gesicht hatte sogar einen ganz verträumten Ausdruck angenommen, stellte Domen irritiert fest.
Mackenzie hatte nur ein abschätziges Schnauben für den Amerikaner übrig. „Ehrlich, wo schaut ihr denn hin? Eine Etage tiefer, das verdient Aufmerksamkeit!", belehrte der Kanadier sie grinsend.
Und während die drei auszudiskutieren begannen, welches ihrer diversen Körperteile nun die meiste Aufmerksamkeit verdiente, kam Domen nicht umhin festzustellen, dass er die Begeisterung der Jungs einfach nicht nachvollziehen konnte. Grübelnd lenkte er seinen Blick für einen kurzen Moment möglichst unauffällig zu den Norwegern: Sie hatte ein hübsches Gesicht. Einen schlanken durchtrainierten Körper. Alles in allem sah er jedoch nichts, was die Begeisterung der Nordamerikaner auch nur annähernd erklären würde, dachte er, als er sich schnell wieder umdrehte. Es war wieder wie in der Schule nach dem Sportunterricht in der Umkleide, wenn sich seine Klassenkameraden über ihre diversen Dates und Abenteuer ausgelassen hatten. Da hatte er auch immer nur danebengestanden und verständnislos, um nicht zu sagen desinteressiert, gelauscht und ab und an das ein oder andere nicht definierbare Schnauben von sich gegeben.
„Okay, dann entscheidet Domen."
„Was?!", schreckte er aus seinen Gedanken auf und bemerkte, dass alle drei ihn neugierig ansahen. Nervös fuhr er sich durch die Haare. Was sollte er sagen?
„Beine, Gesicht oder Brüste?", hakte William ungeduldig nach.
Sie würden merken, dass er keine Ahnung hatte. Es war ihm unangenehm. Er war siebzehn Jahre alt und war nicht in der Lage, sich über Frauen zu unterhalten! „Ähm..." Scheiße! Was fand er an Frauen interessant, fragte er sich fieberhaft und in seiner Nervosität schob sich Daniels Bild vor sein inneres Auge. Ich stehe auf Mädchen. Ja, er wusste selbst, dass er das zu Daniel gesagt hatte, dachte er grimmig, weil seine Gedanken sich einmal mehr selbstständig machten. Was hätte er auch anderes tun sollen? Er hätte ihn schlecht anlügen können. Trotzdem fühlte er sich schlecht deswegen. Wobei, es zumindest dazu keinen Anlass gab. Es war alles bestens, rief er sich zur Ordnung und rutschte unruhig in seinem Sessel herum. Daniel kam damit klar.
„Du musst schon auch hinsehen", forderte Mackenzie Domen auf, der immer noch überfordert vor den drei Nordamerikanern saß.
Ja, das hatte er schon befürchtet, dachte er nervös. Aber wahrscheinlich musste er wirklich nur genau hinsehen, dann würde er es schon erkennen. Würde die richtige Antwort kennen. Er wusste, er sollte irgendetwas an ihr attraktiv finden, doch so sehr er sich auch bemühte, es gab einfach nichts, was ihn wirklich tangierte. Gut, sie hatte ein hübsches Gesicht. Ihre leichten Locken erinnerten ihn an Nika. Eine niedliche Stupsnase. Ein angenehmes Lachen. Nicht aufgesetzt. Der Rest erschien ihm ziemlich unspektakulär. War es das vielleicht schon? Wenn er sich die drei Nordamerikaner so ansah, dann vermutlich eher nicht. Aber was war dann die richtige Antwort?Ich stehe auf Mädchen. Er wusste, es war richtig Daniel nicht zu belügen. Aber er konnte sein schlechtes Gewissen einfach nicht abstellen. Diesen Klumpen in seinem Magen, der sich durch seinen Körper fraß, obwohl es dazu keinen Grund gab. Es war alles okay. War es doch.
Fahrig rief er sich zur Ordnung. Die Nordamerikaner starrten ihn immer noch an und warteten. Er erinnerte sich an die Gespräche in der Umkleidekabine zurück. Dort hatten die weiblichen Brüste zu den meistdiskutierten Themen gehört. So viel hatte selbst er mitbekommen.
Unsicher wandte er sich um. „Eindeutig die Brüste", presste er schließlich leise heraus. Mackenzie klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Erleichtert atmete Domen aus.
„Selbst Domen hat mehr Ahnung als ihr", verkündete der Kanadier triumphierend und die anderen stöhnten genervt auf, als er fortfuhr: „Wunderbar gleichmäßig geformt, nicht zu groß, aber auch nicht zu klein-"
„Und du wunderst dich, warum du keine abkriegst!", verpasste Will ihm eine Kopfnuss, die er jedoch nur mit einem verschmitzten Grinsen quittierte.
„Ich bin eben ein Sklave meiner Triebe", zuckte er entschuldigend mit den Schultern und sah nicht so aus, als würde er diese Tatsache sonderlich bedauern. „Aber jetzt ernsthaft: Jemand ne Ahnung, wer sie ist? Denn ganz offensichtlich gehört sie zu uns. Naja. Nicht direkt. Zu den Norwegern. Aber damit ja auch irgendwie zu uns. Schließlich sind wir alle eine große Familie."
„Wenn wir wirklich eine Familie wären, dann wäre das, was dir gerade in deinem Kopf herumschwirrt, definitiv illegal und moralisch höchst fragwürdig, Mackenzie", erwiderte Kevin schadenfroh.
„Inzest, ein Spiel für die ganze Familie", gab der Kanadier geistesabwesend von sich, während er den Blick nicht von der Norwegerin lassen konnte.
Blondie, wie Domen sie heimlich getauft hatte, beugte sich gerade nichtsahnend über einen der Sessel und kramte mühsam ihr Handy aus ihrer Tasche hervor, was Mackenzie mit einem „Oder vielleicht doch der Arsch?", quittierte.
„Ehrlich gegen dich ist jeder pubertierender notgeiler Teenager, der reinste Mönch", kommentierte Kevin das unmögliche Verhalten seines Freundes, der ihn empört ansah.
„Hey, Gleichberechtigung für alle bitte", forderte er und zeigte anklagend auf den Slowenen. „Domen war schließlich auch für die Brüste!"
Abwehrend hob Domen die Arme, der nicht so recht wusste, was er sagen sollte. „Ich wollte mich nur auf das allgemeine Gesprächsniveau einlassen." Mal unabhängig davon, dass er von dem ganzen Thema keine Ahnung hatte. Es kam ihm so vor, als gäbe es einen Entschlüsselungscode für derartige Gespräche, den alle besaßen, nur er nicht. Dabei sollte es nicht so sein, oder? Ich stehe auf Mädchen. Er würde sich dafür nicht auch noch entschuldigen. Er hatte eben seine persönliche Traumfrau noch nicht gefunden. Man konnte halt nichts erzwingen, dachte Domen, als Bine Norčič am Eingang der kleinen Bar erschien und auf seine Uhr zeigte.
„Auf nach Innsbruck! Weihnachtsmarkt, Kramschläden wir kommen!", klatschte William begeistert in die Hände und sprang auf. Er sammelte ihr Geschirr zusammen und drängte die anderen beiden zur Eile. „Man sieht sich", winkte er Domen zum Abschied und war Sekunden später mit einer Melodie auf den Lippen verschwunden.
Kopfschüttelnd und bei weitem nicht so enthusiastisch rappelte Kevin sich auf. „Egal was Will nimmt: Es ist zu viel", brummte der Amerikaner und er und Mackenzie trabten ihm schwerfällig hinterer. Mackenzie ließ es sich dabei allerdings nicht nehmen, Blondie noch einen letzten sehnsüchtigen Blick zuzuwerfen.
Seufzend starrte Domen auf die verwaisten Sessel, während ihn die Geräuschkulisse auf unangenehme Art und Weise daran erinnerte, dass er schon wieder allein dasaß. Scheiße! Er hatte gesagt, es war in Ordnung. Wieso sollte er also nicht Daniel fragen können, ob er Lust hatte, etwas mit ihm zu unternehmen?! Vielleicht war es ihm ja unangenehm, nachdem er ihm einen Korb gegeben hatte? Aber er hatte gesagt, es war okay. Dass er damit umgehen konnte. Das hatte er ihm gesagt und Domen war ein Stein vom Herzen gefallen, denn es hatte ihn einiges an Überwindung gekostet, Daniel den Korb zu geben. Ihm war immer noch ganz komisch, wenn er nur daran dachte. Alles hatte verrückt gespielt. Er hatte keinen klaren Gedanken fassen können und absoluten Unsinn von sich gegeben, sodass er sich eigentlich gern auf die Suche nach einer Höhle irgendwo in der Wüste machen würde.
„Scheiße." Unbehaglich rutschte er in seinem Sessel hin und her. Er war so ein Idiot. Aber er kam damit klar. Sicher doch. Grübelnd starrte er aus dem Fenster auf der anderen Seite. Er hatte sich wie ein Arsch benommen und sich entschuldigt. Daniel hatte die Entschuldigung angenommen. Wahrscheinlich, weil er sich insgeheim immer noch die Schuld für all das gab, was Domen immer noch maßlos aufregte. Dann hatte er ihm zu allem Überfluss auch noch einen Korb geben müssen. Geschenkt. Es war okay. Hatte er gesagt.
Aber er hatte es anders gemeint, schoss es Domen durch den Kopf. Da waren sie wieder: unendlich resignierte enttäuschte Augen in Hoffnungslosgrün. Das war ein Abschied gewesen. Auf irgendeine verdrehte Art und Weise war das ein Abschied gewesen. Es ist okay. Ich verstehe, wenn du nicht damit klarkommst und gehst. Das war es doch, was Daniel gemeint hatte. Das war es, was Domen sich nicht eingestehen wollte. Er war immer noch völlig von der Rolle gewesen. Total nervös. Und Daniel hatte das bemerkt.
„Ich bin ein bisschen enttäuscht, wirklich."
War er auch und trotzdem musste er das nicht jedem auf die Nase binden, dachte er verbittert, als er sich zur Stimme seines Bruders umdrehte, der hinter seinem Sessel hervorkam, mit einem Tee und seinen Büchern in der Hand und sich ungefragt zu ihm setzte. „Natürlich darfst du dich zu mir setzten", bemerkte Domen spitz. Cene konnte er gerade gar nicht gebrauchen.
„Wenn du Rat in Sachen Frauen brauchst, solltest du vielleicht doch besser zu mir kommen", verkündete sein Bruder ohne ersichtlichen Zusammenhang und Domen stöhnte gequält auf. Als ob er nicht schon genug Probleme hatte. „Ach komm schon. Ihr wart von da drüben kaum zu überhören!", fuhr Cene tadelnd fort und zeigte auf eine Ecke irgendwo hinter Domen. Aha. Deswegen hatte er ihn also nicht gesehen. „Du kannst froh sein, dass Peter euch nicht gehört hat. Sonst hättest du jetzt eine ganze Vortragsreihe zum Thema Frauen sind kein Freiwild am Hals."
„Wolltest du nicht lernen?", brummte Domen und wünschte sich weit weg. Er hatte dagestanden und nichts erwidert. Er hatte es hingenommen. Weil er nicht wusste, wie er damit umgehen sollte. Mal wieder!
„Domen. Jetzt mal ehrlich: Du kannst offensichtlich nicht schlafen. Du leidest an Appetitlosigkeit, wirkst unkonzentriert-"
„Klingt ganz nach Magen-Darm", unterbrach Domen die Ausführungen seines Bruders und wünschte sich, er würde aufhören.
„Gereiztheit, dazu noch deine sehnsuchtsvollen Blicke gestern zu den Freunds... Das sind die klassischen Symptome einer Verliebtheit", diagnostizierte Cene selbstsicher und Domen hätte ihm am liebsten den Hals umgedreht.
Sein Bruder bewies mal wieder, dass er keine Ahnung hatte. „Ich bin nicht verknallt, okay? Und ich wollte auch keinen Rat von-"
„Was definitiv besser ist. Lass dir eines gesagt sein: Frauen erobert man nicht mit plumpen Sprüchen. Man muss sie langsam verführen. Sie von sich überzeugen. Du solltest-"
„Cene, für dich auch gern noch einmal: Ich bin nicht verknallt. Nicht. Da liegt die Betonung", wehrte er sich verärgert, doch Cene grinste ihn nur weiter wie ein Bekloppter an.
„Das muss dir doch nicht peinlich sein! Wir haben alle mal bei Null angefangen", fuhr Cene gönnerhaft fort und blickte zur Bar. „Aber eins muss man den dreien ja lassen. Geschmack haben sie ja", nickte er anerkennend, als Blondie von ihrem Handy auf und genau in ihre Richtung sah und bei Cene hängen blieb. Erschrocken wandte dieser sich ab und verschüttete etwas von seinem Tee auf seine Hose. „Shit!"
Amüsiert musterte Domen seinen Bruder. „Was wolltest du mir doch gleich über Frauen erzählen?", fragte er ihn kichern, während er nicht ohne eine gewisse Genugtuung feststellte, dass das Gesicht seines Bruders inzwischen jeder Tomate problemlos Konkurrenz machen konnte.
„Das ist alles Taktik", murmelte Cene und strafte seiner Worte Lügen, indem er noch ein ganzes Stück tiefer in seinen Sessel rutschte und nach Servietten griff, um seine Hose trocken zu tupfen.
„Lass mich raten: eher der experimentelle Ansatz?", fragte Domen, der seinen Bruder belustigt bei seinem Tun zusah. Das nannte man dann wohl ausgleichende Gerechtigkeit. Fragte sich nur, wo sein ganz persönlicher Blitzschlag blieb.
„Jaja, mach dich nur lustig über mich. Aber ich bin hier nicht derjenige, der bis über beide Ohren verknallt ist und es nicht zugeben kann", schnappte Cene verärgert.
„Wenigstens bin ich nicht der Möchtegerncasanova mit nasser Hose", grummelte Domen finster. Nein, er war nur der verklemmte Arsch, der nicht damit klarkam, dass sein Kumpel schwul war und ihn geküsst hatte, dachte er verbittert und seine Lippen begannen verräterisch zu prickeln, während ihm unangenehm heiß wurde. Scheiße, er wollte so nicht sein. Aber er konnte nicht einfach- und er wollte Daniel nicht noch mehr wehtun. Vielleicht war es besser. Auch wenn er nicht wollte, dass es so war, als hätten sie nie mehr als ein paar Worte über das Wetter getauscht.
„Entnehme ich dieser Aussage etwa Neid? Aber ich kann dich beruhigen, das ist alles keine Hexerei-"
„Danach hat es gerade auch nicht unbedingt ausgesehen", brummte Domen dazwischen und erntete einen weiteren bösen Blick seines Bruders, was ihn nicht sonderlich störte. Er war gefangen in seinen Gedanken, die sich seit Tagen immer wieder im Kreis zu bewegen schienen und das war etwas, mit dem er nur schlecht umgehen konnte.
„-sondern, alles eine Frage der Übung."
„Eine Frage der Übung?" –
„Naja, du weißt schon: Irgendwann wird es leichter. Die ersten Dates sind immer schrecklich verkrampft. Man weiß nicht, was auf einen zukommt. Wie der andere reagiert und irgendwann lässt man die ganzen Unsicherheiten hinter sich, gewöhnt sich dran..."
Entgeistert musterte Domen seinen Bruder. Eine Frage der Übung. Konnte das wirklich die Lösung seines Problems sein? Statt weiter damit beschäftigt zu sein, seiner Überforderung das Ruder zu überlassen, lieber auf das altbewährte System der Konfrontation zu vertrauen? Festzustellen, dass alles nicht so schlimm war, wie er sich einredete. Dass er maßlos übertreib. Das war wie nach einem Sturz: am besten noch am selben Tag wieder zurück auf den Bakken, damit die Angst keine Zeit hatte, anzugreifen. Sich in seinen Gedanken festzusetzen. Er sollte dieses komische etwas, dass sich zwischen ihnen breitgemacht hatte, an den Hörnern packen, statt sich einzureden, dass er das nicht konnte.
„Hallo?! Sag mal hörst du mir überhaupt zu, wenn ich schon so nett bin und meine Erkenntnisse mit dir teile?", hatte Cene sich zu ihm herübergebeugt und wedelte mit seiner Hand verärgert vor seinem Gesicht herum.
„Ja...ich...manchmal bist du vielleicht doch zu was zu gebrauchen", rutschte es Domen unüberlegt heraus, bevor er überhaupt darüber nachdenken konnte, was er brabbelte.
„Also ich weiß jetzt wirklich nicht, ob das ne Beleidigung oder ein Lob sein soll", runzelte Cene verwirrt über die Aussage seines Bruders die Stirn und sah dabei zu, wie dieser aufstand und seine Sachen zusammensammelte. „Musst du los?"
„Ich-ja. War nett, mit dir zu plaudern", verabschiedete Domen sich und eilte zum Ausgang, wo er beinahe Peter über den Haufen rannte.
Peters nicht sonderlich amüsierten Ruf ignorierend, überlegte er fieberhaft, wo er Daniel am besten finden konnte. Scheiße. Er wollte so nicht sein. Diese Freundschaft war ihm wichtig und er wollte sie nicht einfach in die Tonne treten, nur weil er überfordert war!
Domen lief suchend durch die große Eingangshalle des Hotels und schlängelte sich zwischen zahlreichen Gästen und Gepäckstücken hindurch. Er musste Daniel dringend mal nach seiner Handynummer fragen, dann würde er sich das Gesuche künftig sparen können, wenn er wieder mal das Gefühl hatte, zu Kreuze kriechen zu müssen. Unsicher, was er tun sollte, blieb er stehen und sah sich um. Das Beste würde wohl sein, wenn er einfach an der Rezeption nachfragte, sonst würde er den Norweger nie finden und am Ende überlegte er es sich vielleicht doch noch anders, dachte er als er zufällig mit dem Blick an der Bank draußen vor dem Hotelfenster hängenblieb. Dort saß Daniel. Allein. Das Gesicht in Richtung Sonne gerichtet, die Augen geschlossen. Es wirkte, als würde er Kräfte sammeln, seinen Frieden mit der Situation machen, um drüber hinwegzukommen und weiterzumachen. Und es war nicht so, dass Domen ihm das nicht wünschte. Keiner verdiente ein bisschen Frieden mehr als Daniel, aber etwas daran gefiel ihm ganz und gar nicht.
Nervös bewegte Domen sich langsam Richtung Ausgang. Der Weg aus dem Hotel heraus kam ihm wie eine Ewigkeit vor. Draußen sog er kalte Luft in seine Lungen. Ganz rhythmisch. Ein und aus. Immer wieder ein und aus. Während er um das Hotel herumlief. Ein und aus. Bis er unsicher keine fünf Meter vor der Bank auf der Daniel saß stoppte, der ihn noch nicht bemerkt hatte. Was zum Teufel sollte er jetzt sagen? Scheiße, gerade war er sich doch noch so sicher gewesen.
Jetzt komm schon, Prevc. Das hier war doch nur Daniel. Gib dir einen Ruck, versuchte er sich selbst Mut zu machen, während er die ebenmäßigen Gesichtszüge des Norwegers betrachtete. Normal. Sei einfach ganz normal, dachte er verzweifelt und versuchte zu ignorieren, dass sein Herz ihm halb aus der Brust sprang, sein Puls ihn längst verraten haben musste und seine Hände seit neuestem einen Rasensprengermodus besitzen mussten. Er reagierte eindeutig über und verlor die Nerven. Wenn er jetzt nicht sofort etwas sagen würde, würde er es nie schaffen. Er atmete kurz durch, rief sich in Erinnerung, dass das da vor ihm nur Daniel war und stolperte ein paar Schritte vorwärts. Er musterte seine Hände die seinen Jackentaschen vergraben waren, um sie gegen die Kälte zu schützen. Er erinnerte sich noch genau daran, wie sie ihn sanft aber bestimmt gepackt hielten. Wie er sich in seine Oberarme gekrallt hatte, vor lauter Panik zu fallen. Er sah zu seinen Haaren, eine Strähne lag quer über Daniels Gesicht. Sanft waren sie über seine Wangen gestrichen. Er erinnerte sich an den verzweifelten Ausdruck seiner Augen, die voller Hoffnung und Angst gewesen waren. Wusste noch genau, wie sich sein Atem auf seiner Wange angefühlt hatte. Seine Lippen-
Nein! Stopp! „Lahmarsch! Ganz allein unterwegs?", platze er panisch heraus und war beinahe so erschrocken wie Daniel, der verstört aufsah.
Gezwungen lächelte Domen dem Norweger entgegen, während er sich fragte, ob es nicht noch ein bisschen schlimmer ging. Bis jetzt hinkte seine Konfrontationstherapie gewaltig. Um seine Verlegenheit zu überspielen und irgendetwas zu tun zu haben, setzte er sich ungefragt neben Daniel auf die Bank.
„Hast du mich erschreckt!", würgte der Norweger schließlich belegt hervor, nur um anschließend wieder in Schweigen zu verfallen.
Das lief ja prima, dachte Domen und starrte geradeaus auf die Straße. Scheiße, er war derjenige, der sich ungefragt gesetzt hatte. Er war derjenige, der Probleme hatte. Nicht Daniel. Ihm sollte schleunigst was einfallen, um diese Stille zu überbrücken, bevor es noch peinlicher wurde, dachte er, als an ihnen der Mannschaftsbus der Nordamerikaner vorbeifuhr und einen kompletten Kurzschluss in seinem Hirn auslöste.
„Willst du mit mir gehen? Also nach Innsbruck? Ich meine- den Nachmittag verbringen?", sprudelte er heraus und wünschte sich wirklich, er hätte die Macht, die Zeit zurückzudrehen.
Schockiert sah Daniel ihn an und Domen dachte, dass er sicherlich gleich erbrennen würde, vor lauter Scham. „Das hab ich gerade wirklich gesagt, oder?", fragte er fassungslos, richtete seinen Blick wieder auf den Parkplatz und sein Kopf unangenehm heiß wurde.
„Jap", kam es knapp von Daniel, der hin und her gerissen war zwischen seinen Gefühlen. Irgendwie hatte er mit einem Ende gerechnet. Er war wirklich davon ausgegangen, dass es das gewesen war und er war bereit gewesen, es zu akzeptieren. Was hätte er auch tun sollen? Trotzdem saß Domen jetzt neben ihm und war einfach... Domen.
„Okay, nachdem ich diese Peinlichkeit auch abgehakt habe, die wirklich kaum noch zu überbieten ist, wenn ich das mal so bemerken darf, kann es eigentlich nur besser werden, oder?", fragend sah er zu Daniel, der nur zögerlich sein Lächeln erwiderte. Daniel verstand die Botschaft hinter den Worten, aber er wusste nicht, ob das wirklich eine gute Idee war. „Also? Was ist?", wollte Domen nervös wissen.
„Ich weiß nicht, ob-"
„Aber ich. Und mir ist wirklich schrecklich langweilig. Sterbenslangweilig. Mein Puls ist quasi schon nicht mehr existent", unterbrach er den Norweger und sah ihn leidend an. Daniel wirkte schon wieder so melancholisch. Düster. Als würde er nicht glauben, dass Domen es ernst meinte. Dabei meinte er es todernst. Er ertrug es nicht, ihn so zu sehen und das war für ihn Antrieb genug. Sich nur auf Daniel zu konzentrieren. Seine eigenen Befindlichkeiten zurückzustellen. Er würde nicht diese Person sein, die einfach ging, wenn es schwierig wurde. Dafür war ihm Daniel zu wichtig. „Und du willst doch bestimmt nicht, für den plötzlichen Tod eines siebzehnjährigen Kindes verantwortlich sein, oder?", setzte er ganz unschuldig noch eins drauf. Sein Magen schlug einen kleinen Salto, als er sah, wie sich Daniels Mundwinkel leicht anhoben. Und wenn er sich komplett zum Clown machen musste. Es war ihm egal. Schließlich hatte er Wiedergutmachung zu leisten. „Biiittee?"
„Okay. Und was schwebt dem slowenischen Großmeister vor?", gab Daniel zögerlich nach. Was hatte er dem Slowenen auch groß entgegenzusetzen, wenn er ihn so angrinste? Wusste Domen eigentlich, was er da mit ihm tat, fragte er sich und rutschte ein klein wenig zur Seite.
„Ähm...ja..." Mist. Was hatte Will doch gleich alles aufgezählt? „Sightseeing halt. Innsbruck soll ja ne tolle Stadt sein... so mit dem Weihnachtsmarkt...und den ganzen anderen...Gebäuden", stammelte er ein wenig hilflos, während sich auf Daniels Gesicht tatsächlich so etwas wie stilles Amüsement breitmachte. Obwohl ihm nicht entging, dass er dabei kurz gequält zur Seite sah. „Okay, ich hab keine Ahnung, was es in Innsbruck so alles gibt, aber dafür betreibt man doch Sightseeing, oder nicht?", gab Domen schließlich nervös zu und sah Daniel abwartend an. Er kämpfte immer noch.
Domen schluckte. „Hör mal, ich verstehe, wenn du nicht willst. Wirklich." Tat er tatsächlich, aber er wollte nicht, dass es so war. „Ich war nicht unbedingt nett. Und wenn wir mal ehrlich sind, dann bin ich immer noch- Ach, das ist Mist. Was ich sagen will: Ich geb mir Mühe und wahrscheinlich werde ich die nächsten Stunden, solltest du mitkommen, nur damit beschäftigt sein, mich bei dir zu entschuldigen und sinnloses Zeug zu stammeln, weil ich einfach die Angewohnheit habe, sämtliche Fettnäpfchen zielsicher zu treffen, trotzdem wäre es doch Schade, wenn du wegen meines... Trampelgens den Nachmittag dieses Tages verpassen würdest und stattdessen nur hier vor dem Hotel hockst, oder? Und ich meine, ich könnte natürlich auch allein gehen, allerdings hätte ich dann nicht annähernd so viel Spaß und das wäre doch irgendwie Schade, oder?", grinste er Daniel entwaffnend an und hob hilflos die Arme, weil er nicht wusste, was er sonst tun konnte.
Er sah wie Daniel jedes seiner Worte genau abwägte. Ihn musterte. Domen zwang sich, ihm in die Augen zu sehen und jegliche Unsicherheit zu verbannen. Er wusste, es war richtig, Daniel die Möglichkeit zu geben, irgendwie wieder aus der Situation herauszukommen. Das war nur fair. Er zwang sich ruhig zu bleiben und sich nicht anmerken zu lassen, wie stark er unter Strom stand.
Daniel seufzte, als er ihn ansah: „Dann kann ich ja fast nicht ablehnen, oder? Ich meine, ein schlecht gelaunter Domen Prevc, der Godzilla gleich durch Innsbruck stapft? Was wäre ich nur für ein Mensch, wenn ich das zulassen würde?!", antwortete Daniel mit einem schwachen Lächeln und zuckte seinerseits mit den Schultern. Was hatte er schon zu verlieren?
Pure Erleichterung und Vorfreude durchflutete Domen, als er registrierte, dass Daniel tatsächlich mitkommen würde: „Na dann, Lahmarsch: Lass uns die Stadt mal in Angst und Schrecken versetzen!"
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Hello Hurricane
Fanfiction(Domen Prevc x Daniel-André Tande) Sie sind jung, beliebt, feiern einen Erfolg nach dem anderen und die Skisprungwelt liegt ihnen zu Füßen: Domen, der mit seinen gerade mal 17 Jahren schneller an der Weltspitze angekommen ist, als je jemand gedacht...