Kapitel 10

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Als Thomas aufwachte, wusste er sofort, dass etwas nicht okay war. Das mochte an seinem Instinkt liegen oder aber an der Tatsache, dass es ein lautes, dumpfes Knallen war, das ihn überhaupt erst geweckt hatte. Das Adrenalin,was sofort durch seine Adern schoss, machte ihn wach und sorgte dafür, dass seine Sinne gefühlt doppelt so scharf waren wir normal. Bedacht darauf, nicht zu viel Lärm zu machen, sprang er auf und zog sich schnell eine Jeans und eine Strickjacke über sein Nachtzeug, bevor er zur Tür ging, die Klinke geräuschlos hinunter drückte und sie dann einen Spalt öffnete und vorsichtig durch den Spalt blickte. Auf dem Flur war niemand, aber von der Bibliothek, die sich ein Stockwerk unter seinem Zimmer befand, drangen Stimmen zu ihm. Sie waren zu leise als dass er verstehen konnte, was sie sagten, aber aus ihnen konnte er Phil's Stimme raushören. Er war also da, mit anderen. Vielleicht bedrohten sie ihn, oder taten ihm weh. Die wenigsten, die nachts in ein Haus einbrachen, führten dabei etwas gutes im Schilde. Thomas Angst begann wieder, sich in seinem Kopf auszubreiten und die Überhand zu gewinnen. Was, wenn O.R.I.O.N sie gefunden hatte? Wenn sie jetzt hier waren und gerade Phil danach befragten, wo Thomas sich aufhielt? "Verdammt...", murmelte Thomas leise, bevor er die Tür ganz öffnete und sich auf den Weg nach unten machte. Dabei manipulierte er das spärliche Licht der Nacht so, dass es nicht auf seinen Körper fiel, wodurch er quasi unsichtbar wurde. Er schlich den Gang entlang und dann die Treppe nach unten, wobei er immer darauf bedacht war, an der Wand entlang zu laufen, wo die alten Dielen nicht so sehr knartschten. Unten angekommen waren die Stimmen deutlicher. "Ich hab keine Ahnung, was ihr von uns wollt." Das war Phil's Stimme. Er klang ruhig und gefasst, schon etwas diplomatisch. Thomas war sich sicher, dass Phil es sogar schaffen könnte, sich aus der Gefangenschaft von O.R.I.O.N rauszureden. Obwohl er bezweifelte, dass so etwas überhaupt möglich war. Aber irgendwie bewunderte er Phil dafür, dass er so ruhig bleiben konnte. Schließlich waren es Einbrecher, die sie bedrohten. Höchstwahrscheinlich sogar die Männer von O.R.I.O.N. "'Uns'? Das heißt, dass der andere noch hier ist. Also, wo ist er?" Die Stimme kannte Thomas nicht. Sie klang weiblich, harsch und höhnisch, als würde sie es genießen, Phil zu bedrohen. Thomas spürte, wie er wütend wurde, doch in seine Wut mischte sich Verwirrung. Sie hatte ohne Zweifel von ihm gesprochen. Aber wenn es die Leute von O.R.I.O.N wären, hätten sie seinen Namen gewusst. Waren sie doch nicht von O.R.I.O.N? Nein, dass war unlogisch. Wer sollten sie sonst sein? Das war bestimmt ein Trick. Sie taten so, als wären sie einfache Einbrecher oder so, um sie leichter gefangen nehmen zu können. Wirklich logisch war Thomas' Theorie nicht, doch für den Moment reichte sie ihm. Es war auch völlig egal, wer sie waren, sie waren nachts in ihr Haus eingebrochen und bedrohten nun Phil. Sie wollen bestimmt mehr als sich nur etwas Zucker zu leihen. Thomas wusste, dass er etwas tun musste. Vorsichtig schlich er durch die halb geöffnete Bibliothekstür. Er musste leicht blinzeln, weil das Licht, dass sie angeschaltet hatten, ihn blendete. Als seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, nahm er die Situation in den Blick, sie sich ihm bot. In dem Raum waren fünf Leute, Phil eingeschlossen. Dieser stand in der Mitte des Raumes und hatte den Rücken zur Tür gewandt. Das dunkelhaarige Mädchen, was hinter ihm stand, sollte ihn Offenbar in Schach halten. Thomas erkannte an Phil's rechtem Handgelenk etwas was aussah wie ein schmales Armband, das im Licht der warmgelben Bibliothekslampe kaltsilbern glänzte. Es sah unscheinbar aus, doch da Thomas genau wusste, was es war, spürte er die kalte Angst und die Wut von neuem in sich aufsteigen. Die -wer auch immer die waren- hatten Phil eine Art von Manschette angelegt, die die Kräfte unterdrückte. Da O.R.I.O.N die einzigen waren, die die Art von Manschetten nutzten, wusste Thomas, wovon er ausgehen konnte, wer die Einbrecher waren. Gegenüber von Phil stand jemand, den Thomas kannte -zumindest vom sehen her-, denn es war das Mädchen mit den meerschaumtürkisen Haaren, das sie bei ihrem Einkauf beobachtet hatte. Am Fenster standen noch zwei andere, ein rothaariger Junge und ein etwas kleineres, blondes Mädchen, die das Geschehen nur beobachteten, doch Thomas konzentrierte sich auf das türkishaarige Mädchen. Sie hatte sie also wirklich beobachtet, sie irgendwie verfolgt und war jetzt hier. Sie war, wenn man von der Manschette ausging, eine von O.R.I.O.N. Und ihrem Blick nach zu urteilen bereitete das ganze ihr einen höllischen Spaß. "Ich weiß nicht, wen ihr meint.", sagte Phil ruhig, worauf sie hell lachte. "Das weißt du genau.", entgegnete sie, bevor sie ihren Blick genau auf Thomas fixierte. "Aber du brauchst gar nicht mehr zu antworten, denn er ist schon da." Verwirrt und verunsichert trat Thomas einen Schritt zurück. Er war unsichtbar, wie also konnte sie ihn sehen? Oder hatte sie wie Phil und Thomas selbst auch irgendwelche Kräfte? Gehörte sie zu denjenigen, die für O.R.I.O.N arbeiteten, um nicht selbst in Gefahr zu geraten? Was auch immer es war, sie hatte ihn entdeckt, und es brachte nun nichts mehr, sich zu verstecken. Thomas machte sich wieder sichtbar und starrte sie wütend an. Sie wandte sich von Phil ab, lief um ihn herum und näherte sich Thomas, um ihn zu betrachten. Phil drehte sich auch um und sah Thomas mit einer Mischung aus Verwirrung, Angst und Unsicherheit an. Anscheinend war er nicht so ruhig, wie es in seiner Stimme geklungen hatte. Thomas nickte ihm kurz zu und versuchte ihm mit seinem Blick irgendwie zu sagen, dass er einen Weg aus dieser Situation wusste, doch in Wirklichkeit hatte er keine Ahnung, was er tun konnte. Er bezweifelte, dass sie beide es zu zweit mit vier Leuten aufnehmen konnten, noch dazu, weil er davon ausging, dass wenn das türkishaarige Mädchen irgendwelche Kräfte hatte, die anderen Drei auch irgendwas können mussten. "Was wollt ihr?", fragte Thomas, wie auch schon Phil vor ihm. Dabei versuchte er auch, ruhig und vor allem stark zu wirken. "Wir wollen euch. Ihr sollt mitkommen.", erwiderte das Mädchen. Dann griff sie nach seinem Handgelenk und legte den Zeige- und Mittelfinger darauf, als würde sie seinen Puls messen. Thomas zog die Hand schnell weg und trat einen Schritt zurück nach hinten. "Fass mich nicht an!", fuhr er sie an. "Wir kommen nicht mit." Dich das Mädchen lächelte nur, bevor sie den Kopf schieflegte. "Seltsam. Man hat mir gesagt, dass du stark bist, aber nicht, dass du ein Waver bist." Sie zuckte mit den Schultern. "Naja. Wenn auch ein verkrüppelter. Blockade, oder?" Thomas sah sie schockiert an. Sie wusste zu viel über ihn, und dass nur durch eine Berührung. Oder sie rezitiert die Informationen, die O.R.I.O.N ihr gegeben hatte und tat so, als würde sie es aus ihm rauslesen können um ihn zu verspotten oder selbst stärker zu wirken. Thomas zuckte nur mit den Schultern. "Und wenn schon?" "Tut mir leid, aber wovon zum Teufel redet ihr?", schaltete Phil sich ein, der verwirrt zwischen Thomas und dem Mädchen hin und her blickte. Das Mädchen sah zu Phil und runzelte leicht die Stirn, bevor sie antwortete. "Ein Waver ist ein anderes Wort für Fluktuant.", erklärte sie. Als Phil darauf hin noch verwirrter aussah, seufzte sie theatralisch, bevor sie sich wieder Thomas zuwandte. "Oh man, du hast ihm nicht erzählt, was deine Kräfte sind?" "Thomas?", fragte Phil dazwischen. "Was soll das heißen?" "Na, dass dein Freund etwas mehr kann, als nur das Licht zu manipulieren. Hat er dir etwa nichts gesagt? Ups...", antwortete das Mädchen höhnisch grinsend, bevor Thomas überhaupt zu einer Antwort ansetzen konnte. Da Phil immernoch völlig verwirrt schien, korrigierte sie sich etwas. "Jedenfalls konnte er es, aber diese Bastarde von O.R.I.O.N haben ihm offenbar eine Blockade eingesetzt, wie es scheint. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch Kräfte hat. Muss echt wehtun, sie zu benutzen." Mit den letzten Worten sah sie zu Thomas und betrachtete ihn, als würde sie eine erklärende Antwort erwarten, doch Thomas ging nicht darauf ein. "Wieso tut ihr so, als würdet ihr nicht zu O.R.I.O.N gehören?", fragte er. "Wir? Zu O.R.I.O.N?", das Mädchen lachte. "Ich weiß nicht, ob ich geschmeichelt oder beleidigt sein soll. Aber sei dir sicher: Wir sind nicht von O.R.I.O.N. Und ihr solltet froh sein, was das angeht." "Ach, und die Manschetten?", gab Thomas zurück. "Geklaut.", antwortete das Mädchen schlicht. "Als wenn ihr O.R.I.O.N bestehlen könntet.", sagte Thomas, wobei er darauf achtete, dass er die selbe Menge an Spott und Sarkasmus in seine Stimme legte, die das Mädchen ihm entgegen brachte. "Ihr könnt ja nicht mal Leute richtig beschatten." "Ach, du meinst das im 'Naughty and Nice'? Naja. Du warst ja auch so paranoid drauf, dass du jeden verdächtigt hättest, Mitglied von O.R.I.O.N zu sein. Ich hab noch nie so viel Unruhe und Angst bei jemandem gesehen." In ihrer Stimme lag eine seltsame Mischung aus Spott und Interesse, die Thomas in diesem Moment aber nur noch wütender machte, als er es eh schon war. "Trotzdem lag ich anscheinend richtig, was dich anging. Ich weiß nicht,was in dem Fall so schlecht an meiner Paranoia sein soll." "Touché", erwiderte das Mädchen knapp, bevor sie sich umdrehte und den beiden zuwandte, die immernoch an der Fensterbank standen. "Wir müssen wieder zurück, Charlie, übernimmst du die zweite Manschette?", sagte sie. Der rothaarige Junge nickte, holte eine zweite Manschette hervor und ging damit auf Thomas zu. Dieser trat einen Schritt zurück, hob abwehrend den Arm und sah Charlie wütend an. "Oh nein. Nein danke, du kannst mich gerne in Ruhe lassen." Charlie seufzte. "Wir können euch nicht vertrauen. Die Manschetten sind nur zu unserem Schutz, damit ihr euch nicht wehrt." "Ach, echt?", entgegnete Thomas bissig. "Wer ist denn bitte in unserem Haus eingebrochen. Ja, euch vor uns zu schützen ist eine gute Idee, denn ich hab mir noch gar nicht ausgedacht, was ich am liebsten mit euch machen würde, aber glaube mir, es wird etwas unglaublich kreativ gemeines sein. Aber an deiner Stelle würde ich zum Schutz meiner selbst jetzt keinen Schritt weiter gehen, denn ich lasse mir dieses Teil nicht kampflos anlegen." Charlie schien kurzzeitig aus der Fassung gebracht zu sein, doch das türkishaarige Mädchen mischte sich ein. "Charlie mach es einfach.", sagte sie genervt. "Hör auf dich aufzuregen. Ihr werdet so oder so mit uns mitkommen.", fügte sie an Thomas gewandt hinzu. "Oh nein.", antwortete Thomas schnell. "Nein. Ihr werdet erst Phil dieses blöde Teil abmachen, dann werdet ihr so schnell ihr könnte verschwinden und uns in Ruhe lassen. Wie wäre es damit?" Das Mädchen lächelte nur kurz, dann sah sie zu Charlie mit einem auffordernden Blick. Dieser nickte, bevor er die letzten Schritte zu Thomas überwandt und nach seiner linken Hand griff. Thomas jedoch zog sie schnell zurück und schlug gleichzeitig seinem Angreifer ins Gesicht. Er traf ihn etwas über dem rechten Auge, sodass die Augenbraue aufplatzte und er zurück stolperte. "Lasst. Uns. In. Ruhe.", zischte Thomas wütend, wobei er erst zu Charlie und anschließend zu dem anderen Mädchen blickte. Diese sah ihn nur wütend an, bevor sie zu dem dunkelhaarigen Mädchen sah, was bis zu diesem Moment hinter Phil gestanden hatte. "Übernimmst du das, Adaine?" Adaine nickte, bevor sie mit einer beängstigenden und bestimmten Ruhe zu Thomas ging und ihm eine Hand auf die Schulter legte. Dieser wollte sie zuerst wegreißen, merkte dann aber, wie ihm plötzlich schwindelig und schwarz vor Augen wurde, und wie alle Kräfte ihn zu verlassen schienen. "Was... habt ihr...", sagte er, doch weiter kam er nicht, denn in diesem Moment knickten seine Beine unter ihm weg und er fiel bewusstlos zu Boden. "Thomas!", rief Phil bestürzt, bevor er zu ihm lief und sich neben ihn kniete, leicht an seiner Schulter rüttelte, und -als dieser nicht reagierte- wütend zu den anderen sah. "Was habt ihr getan?", fragte er. "Entspann dich. Er schläft nur.", sagte das türkishaarige Mädchen, während sie gleichzeitig mit den Schultern zuckte. Dann sah sie zu Charlie. "Alles okay?", fragte sie. Dieser nickte. Als Phil ihn ansah, beobachtete er staunend, wie die Wunde an seiner Augenbraue rasend schnell verheilte, bevor nur noch etwas trocknendes Blut an seiner Stirn klebte. "Aber es tat trotzdem weh. Ich will nicht immer derjenige sein, der was abbekommt, nur weil es ihm am wenigsten ausmacht.", sagte er dann, doch der leichte Anflug eines Grinsens verriet, dass er es nicht ernst meinte. Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern, bevor sie zu dem Mädchen stand, was immer noch an der Fensterbank und die Szenerie distanziert betrachtete. "Ich glaube, wir können los, Anne.", sagte sie. "Beamst du uns zurück?" Anne nickte, bevor sie sich kurz konzentrierte. Im nächsten Augenblick waren alle aus dem Raum verschwunden.

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