Kapitel 12

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Thomas betrachtete den Fremden argwöhnisch. "Jonas. Aha. Und du kannst also..." "Eure Gedanken lesen, ja.", vollendete Jonas seinen Satz. Dann sah er zu Phil und schüttelte mit dem Kopf. "Und nein, wir wollen euch nichts böses. Naja, obwohl es momentan wahrscheinlich den Anschein hat." Mit einem kurzen Blick auf Thomas fügte er noch hinzu: "Ach ja. Und wir sind nicht von O.R.I.O.N. Die sind genauso scharf auf uns wie auf euch." Dann legte er irritiert den Kopf schief. "Du glaubst mir nicht." Thomas lachte grimmig. "Ach nein?", erwiderte er. "Dann Sieg doch in meinen Kopf und finde raus, wieso das so ist." Jonas schwieg einen Moment während er Thomas genau betrachtete, dann wurde er leicht blass und nickte. "Oh... ja. Tut mir leid, was du durchmachen musstest." Thomas winkte ungeduldig ab. "Gut. Und jetzt sieh in meinen Kopf, um herauszufinden, was ich mit Leuten mache, die uns entführen. Oder in dem Fall lügen, wer sie sind. Oder die mich und meinen Freund bedrohen." Das Funkeln in seinen Augen und der dunkle Ton seiner Stimme führte dazu, dass Phil -der etwas hinter Thomas' Rücken hervorgetreten war, um die Situation besser überblicken zu können- ihm einen nervösen Blick zu warf. Diese Version von Thomas erinnerte ihn nur zu sehr an den Bösewicht, den er vor einer gefühlten Ewigkeit bekämpft hatte, und außerdem wusste er genau, dass niemand von ihnen beiden in der Position war, sich mit einem ganzen Clan von solchen Leuten anzulegen. Jonas verzog leicht Das Gesicht. "Ja. Uuuh... auch wenn vieles davon nicht wirklich umsetzbar oder realistisch ist, du... du hast eine ziemlich große Phantasie." Thomas schnaubte leicht. "Ja, das hab ich schon oft gehört. Und es wäre doch eine Schande, wenn ich diese Phantasien in die Realität umsetzen müsste, nicht?" "Thomas...", mischte Phil sich ein, wobei er seinen Freund leicht am Arm antippte. "Sei vorsichtig, was du sagst. Du kannst sie nicht alle umbringen." Thomas wandte den Kopf und sah ihn halb überrascht, halb wütend an, doch bevor er was erwidern konnte, sprach Jonas weiter und riss sie beide damit aus ihrem Blickkontakt. "Ach ja. Ihr müsst und vertrauen. Genau. Wie mache ich das?", er kratzte sich nachdenklich am Kopf und sah sie beide an, als wäre seine Frage nicht rhetorisch, sondern ernst gemeint, bevor er breit grinste. "Stimmt auch wieder. Genau so." Damit pfiff er einmal hoch und schrill, was dazu führte, das die kraftunterdrückenden Manschetten von Phil und Thomas gleichzeitig einmal aufbringen, bevor die beiden silbernen Verschlüsse sich öffneten und zu Boden fielen. "So", sagte Jonas. "Ihr habt eure Kräfte wieder und könnt euch gegen uns verteidigen. Und uns damit vertrauen." Thomas sah ihn aus zu schmalen Schlitzen zusammen gekniffenen Augen an, doch diesmal war es Phil, der als erster sein Wort wieder gefunden hatte. "Das beweist noch gar nichts.", sagte er ruhig. "Ihr habt uns noch immer entführt." Jonas nickte leicht. "Ja, klar. Aber das war nicht beabsichtigt, ehrlich." "Ernsthaft jetzt?", wandte Thomas ein. "Ihr habt uns aus Versehen entführt?" Jonas lachte. "Nein, natürlich nicht.", antwortete er. "Aber ich hatte Kat nur gesagt, dass sie euch abholen soll. Und sie hatte es offenbar falsch verstanden." "Das heißt, du hast uns entführen lassen?", fragte Phil stutzig. "Nein. Ja. So ungefähr. Ich hatte eigentlich geplant, dass ihr freiwillig mitkommen würdet." Diesmal war es Thomas, der ein trockenes Lachen ausstieß. "Klar", sagte er sarkastisch. "Ihr brecht mitten in der Nacht in unser Haus ein, um uns zu fragen, ob wir nicht Lust auf einen Kaffee mit euch hätten." "Wie gesagt, Kat hatte es falsch verstanden. Ich hab schon mit ihr darüber geredet.",entgegnete Jonas. Phil hatte keine Ahnung, wer Kat sein sollte, deswegen vermutete er, dass es wahrscheinlich das Mädchen mit den türkisfarbenen Haaren sein würde. Aber momentan waren es ein paar andere Fragen, die ihm viel mehr unter den Nägeln brannten. Jonas las sie wieder aus Phil's Gedanken und nahm sich die Freiheit, für ihn zu antworten. "Das ist meine Kraft.", antwortete Phil. "Ich kann andere wie uns spüren, auch über weite Distanzen. Und auf die Weise hab ich euch gefunden. Da dachte ich, hole ich euch mal ins Boot." "Wieso?", fragte Thomas misstrauisch. Jonas sah ihn ernst an. "Immer mehr von uns verschwinden in letzter Zeit." Damit warf er einen Blick zu Thomas. "Und du weißt, wieso. Du hast dasselbe durchgemacht." Thomas senkte den Blick und seufzte leise. "Naja, und wir wollen endlich zum Gegenschlag ausholen.", fuhr Jonas fort, dabei entstand ein Funke in seinen Augen, das ihn augenblicklich größer, stärker und älter wirken ließ. Thomas aber lachte trocken. "Gegenschlag? Das wäre reiner Selbstmord.", sagte er bitter. Jonas hob unbeeindruckt eine Augenbraue. "Dafür hast du das aber schon ziemlich oft gemacht. Ich muss deine Gedanken nicht lesen, um darüber Bescheid zu wissen, wie oft Phantom of Death den Jungs von O.R.I.O.N schon Probleme bereitet hat." Dabei grinste er. "Ja schon", erwiderte Thomas leise. Sein Blick war unergründlich. "Aber meine Methode funktioniert nur, wenn 'das ganze überleben' nicht im Plan steht." "Warte", wandte Phil ein, wobei er seine Hand auf Thomas' Schulter legte, sodass dieser sich zu ihm umdrehte und ihn ansah. "Du hättest in Kauf genommen, nur für deine Rache zu sterben?" Thomas sah ihn erst lange an, bevor er den Blick von ihm abwandte und nickte. "Bevor du rausgefunden hast, wer ich bin, war es mir egal, ja.", antwortete er schlicht. "Ich hab nicht darüber nachgedacht, was ich außer meinem Leben noch verlieren könnte." "Du wärst einfach weg gewesen.", murmelte Phil leise, bei dem Gedanken daran wurde er etwas blass. "Und ich hätte nie erfahren, was mit dir passiert ist. Geschweige denn, wer du bist." "Es tut mir leid.", sagte Thomas. "Ich hatte das nicht bedacht." "Naja, auch egal.", Phil seufzte und schüttelte mit dem Kopf, was dafür sorgte, dass Thomas ihn ratlos ansah in der Hoffnung, mehr darüber raus zu finden, was Phil dachte. "Ähm... Wenn ich nochmal stören dürfte.", mischte Jonas sich ein, der das Geschehen mit einer Mischung aus distanziertem Mitleid und Verständnis, welches dennoch leicht von Verwirrung getrübt wurde, beobachtet hatte. "Selbst wenn wir gegen O.R.I.O.N nicht kämpfen können, müssen wir uns wohl irgendwann gegen sie verteidigen. Und das können wir nur, wenn wir eine relativ starke Gemeinschaft sind." "Klar. Ihr macht also einen auf Marvel Team Up, um euch gegenseitig die Angst vor O.R.I.O.N zu nehmen?", entgegnete Thomas skeptisch, doch Phil, der seinen Freund gut genug kannte um zwischen den Zeilen zu lesen, wusste, dass dieser der Idee nicht ganz so abgeneigt war, wie er es zeigte. Er wusste zudem, dass Thomas sich genau in diesem Moment unsicher war, was er tun sollte. Ob er Jonas bekämpfen oder ihm zuhören und vielleicht am Ende sogar mitmachen sollte. "Wir können uns gegenseitig helfen.", antwortete Jonas ruhig. "Du weißt viel über O.R.I.O.N, Thomas, und du Phil bist einer der stärksten Telekineten, die mir bekannt sind. Wenn ihr hier bleibt und uns helft, gewähren wir euch im Gegensatz Schutz. Und dazu...", mit den letzten Worten wandte er den Blick von Phil ab und sah Thomas fest an. "Können wir deine Blockade entfernen. Oder es zumindest versuchen." Thomas sah ungläubig zurück, bevor er mit dem Kopf schüttelte. "Nein, das ist nicht möglich.", seufzte er. "Sie ist nicht entfernbar. Nicht mal bei eurer kleinen... was auch immer. Vereinigung." Jonas lächelte. "Du hast es doch noch gar nicht versucht." "Das ist nicht dein Ernst, oder?" Thomas ballte die Hände zu Fäusten und lief ein paar Schritte auf ihn zu, doch Jonas trat nicht zurück. "Ich dachte, du kannst meine Gedanken lesen. Dann solltest du auch die Male sehen, an denen ich wieder und wieder gegen diese Mauer in meinem Kopf gerannt bin, ohne das es auch nur ein bisschen genützt hat." Jonas ging um Thomas herum an den Küchentisch, setzte sich, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah zu ihm hoch.  "Klar. Aber du hast es noch nie mit unserer Hilfe versucht." "Als wenn ihr dabei irgendwas ändern könntet.", antwortete Thomas verächtlich, bevor er sich zu Jonas herunter beugte, wobei er sich auf den Armlehnen des Stuhles, auf dem Jonas saß, abstützte, und ihn wütend anfunkelte. "Lass uns gehen, oder ich werde dafür sorgen, dass Phil und ich hier rauskommen, auch ohne dein Einverständnis." Jonas schien davon wenig beeindruckt. "Und wie willst du das machen? Willst du mich mit einer Illusion hereinlegen? Blöde Idee, kann ich vorhersehen." Er las wieder seine Gedanken und lächelte dann. "Ach ja, und ich denke, Philipp hat nicht so viel gegen uns wie du denkst. Das heißt, unterstützen wird er dich dabei auch nicht direkt." Damit wandte er den Blick von Thomas ab und sah zu Phil. Auch Thomas wandte den Kopf und sah zu ihm. "Ist das so? Denkst du ernsthaft daran, bei denen mitzumachen?", fragte Thomas, wobei er seinen Ärger und sein Missfallen an der Idee nicht verstecken konnte. Phil sah unschlüssig zurück. "Ich sehe es nicht als Fehler an, es zu versuchen.", antwortete er danach schlicht, bevor er zu Jonas sah. "Aber du irrst dich darin, dass du denkst, dass ich ihn nicht unterstützen würde. Das würde und werde ich. Selbst, wenn ich es nicht gut heiße." Jonas verdrehte die Augen. "Das weiß ich.", sagte er. "Ich hab bloß gelogen, was das angeht." Thomas beachtete Jonas nicht, sondern sah Phil an. "Wir können ihnen nicht vertrauen. Sie könnten doch von O.R.I.O.N sein. Oder uns nur böses wollen." Phil seufzte. "Das könnte in unserem Fall wohl jeder.", sagte er. "Aber trotzdem müssen wir weiter mit anderen in Kontakt bleiben. Und wenn die so sind wie wir, dann ja, dann können wir uns gegenseitig helfen." Thomas trat von Jonas weg und sah Phil weiterhin an. Dieser erwiderte seinen Blick fest. "Ich mache euch ein Angebot", mischte sich Jonas ein. "Bleibt hier. Auf Probe, nur für ein paar Tage. Ihr lernt uns, und wir lernen euch kennen. Und wenn es nicht klappt, könnt ihr abhauen und ihr hört nie wieder von uns." "Wie können wir darauf vertrauen?", fragte Thomas. "Gar nicht.", sagte Jonas. "Aber ich breche mein Wort nicht." "Also ich möchte, dass du entscheidest, Thomas.", sagte Phil. "Aber ich denke, dass es vielleicht gut ist, es zu versuchen." Thomas betrachtete Phil lange, als würde er irgendwas aus seinem Gesicht lesen, bevor er seufzte und nickte. "Gut", sagte er dann. "Dann machen wir das. Dann werden wir halt Teil der anti-O.R.I.O.N-Vereinigung." "So heißen wir nicht." Jonas grinste. "Aber guter Name." Dann sah er Thomas und Phil nacheinander feierlich an. "Dann willkommen bei uns."

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