Kapitel 23

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Nachts wurde Thomas von dem leisen Klicken der Tür geweckt, als Phil sie öffnete und in sein Zimmer trat. Müde setzte Thomas sich auf und warf ihm einen verwirrten Blick zu. "Was ist los?", fragte er. "Wieder schlecht geträumt?" Phil antwortete nicht, sondern schloss die Tür hinter sich und ging durch das Zimmer auf ihn zu. Thomas konnte seine Silhouette durch das silbrig blasse Mondlicht zwar sehen, jedoch nicht genau genug, um seine Gesichtszüge zu erkennen. Phil stand nun direkt vor ihm. "Du solltest mitkommen", sagte er. "Wir müssen reden." Seine Stimme klang merkwürdig neutral, fast kalt, doch Thomas schob es darauf, dass es noch mitten in der Nacht und er müde und zu paranoid war. "Phil, du weißt schon, wie spät es ist, oder? Kann das nicht bis morgen warten?" "Nein", entgegnete Phil so ungewohnt scharf, dass Thomas leicht zusammenzuckte. "Komm mit", zischte er, wobei er seinen Freund am Handgelenk packte. Thomas sah ihn erschrocken an. Was war in Phil gefahren? Hatte er irgendetwas falsch gemacht? Thomas konnte sich nicht erinnern, überhaupt etwas gemacht zu haben, was sein Freund hätte nicht gutheißen können. Und selbst wenn, hatte Thomas ihn noch nie so seltsam erlebt. Er schien in einer seltsamen Sphäre zwischen Gefühlskälte und Wut zu schweben. Normalerweise war Phil anders, selbst wenn er sauer auf ihn war. "Was ist los mit dir?", fragte Thomas ihn besorgt. "Erzähle ich dir gleich. Und jetzt komm mit", gab Phil knapp zurück. "Wohin?", fragte Thomas, doch er war sowieso schon aufgestanden. "Zurück zum Haver-Anwesen. Durch den Port." Thomas betrachtete ihn. Wieso wollte Phil zurück? War irgendwas zwischen ihm und Jonas vorgefallen, sodass er mitten in der Nacht fliehen wollte? Oder war etwas mit den Anrufen, die er am Nachmittag getätigt hatte? Aber wenn es das wäre hätte Phil bestimmt erst seine Sachen zusammengepackt und wäre dann zu ihm gegangen. Dann hätte er eine Tasche dabei. Oder wollte Phil ihm einen Streich spielen? Nein. Phil wusste, dass Thomas sowas überhaupt nicht mochte. Aber was war dann los? Thomas Gedanken drehten sich um Verwirrung, Sorge um Phil und sogar Angst, sodass er nicht klar denken konnte. "Also gut", murmelte Thomas schließlich, während er aufstand und sein Handgelenk aus Phils Hand riss. Er mochte vielleicht verwirrt und besorgt von Phils Verhalten sein, aber alles in allem war es mitten in der Nacht und Thomas nahm sich vor, ziemlich sauer zu sein, wenn es jetzt nichts wichtiges war. Er ging auf den Schrank zu, öffnete ihn und hielt wie jedes mal inne, wenn er den Port begutachtete. Sein Gehirn hatte noch immer nicht so ganz verstanden, wie er durch etwas gehen konnte, bei dem seine Augen wie auch sein Instinkt ihm sagte, dass er gleich gegen eine Holzplatte gehen würde. "Geh schon durch", fuhr Phil ihn an, während er ihm einen harten Stoß gegen den Rücken versetzte. Thomas musste sich zurückhalten nicht aus Reflex herumzufahren und Phil ins Gesicht zu schlagen, wie er es in dem Moment bei jeder anderen Person getan hätte, doch er konnte nicht verhindern, dass er einmal heftig zusammen zuckte. Phil schien es überhaupt nicht zu kümmern, was nur dazu beitrug, dass Thomas sich allmählich bewusst wurde, dass irgendetwas ziemlich schief lief. Und langsam begann er, sich zu wünschen, dass einfach alles ganz normal war. Er stieg in den Schrank hinein, lief durch seine Rückwand und fand sich kurze Zeit später wie geplant im Haver Anwesen wieder. Er sah sich um und ließ seinen Blick durch die Eingangshalle schweifen. Er erinnerte sich daran, wie er das Haus zum ersten Mal betreten hatte, als sie vor O.R.I.O.N geflohen waren. Wie ihm selbst in der Dunkelheit der Nacht alles so riesig vorgekommen war, und wie er sich selbst da schon gefragt wurde, wieso Phil ihm nie davon erzählt hatte. Auch als er zum ersten Mal die Halle betreten hatte, hatte zwischen Phil und ihm dicke Luft geherrscht. Es schien ihm jetzt kaum anders, nur mit dem Unterschied, dass der Vollmond ein etwas helleres Licht in den Raum warf als damals, sodass man -ohne das Licht einzuschalten- bis auf Farben relativ gut und genau sehen konnte. Und Phil schien nun aggressiver und wütender zu sein als damals. Thomas drehte sich schnell zum Port und trat ein paar Schritte zurück, um eine Distanz zwischen sich und Phil zu bringen, der gerade aus dem Port trat. "Also", begann Thomas. "Was ist los mit dir? Was willst du?" "Wir müssen reden", entgegnete Phil nur. "Reden, ja?", gab Thomas zurück. "Gut. Echt super Idee, aber hätte das nicht bis morgen warten können?" "Nein." Damit machte Phil ein paar rasche Schritte auf ihn zu. Thomas versuchte, die Distanz zwischen ihnen beiden zu halten, indem er seinerseits wieder ein paar Schritte zurück machte, doch er musste bald feststellen, dass er nicht weiter zurück konnte, weil er von einer Kraft festgehalten wurde. Mist. Phil benutzte seine telekinetischen Kräfte um ihn davon abzuhalten, sich weiter zu bewegen. "Versuch gar nicht erst, mir auszuweichen. Oder abzuhauen", warnte Phil ihn. In seiner Stimme schwang etwas mit, dass Thomas nur als Hass interpretieren konnte, so weh ihm diese Erkenntnis auch tat. Phil überbrückte den restlichen Abstand zwischen ihnen beiden und griff erneut nach Thomas' Handgelenk, während er mit seiner Hand einen kleinen Gegenstand aus seiner Tasche zog, den Thomas erst erkannte, als es zu spät war und das kalte Metall der Manschette sich um sein Handgelenk schloss. Die vertraute Panik, die noch aus seiner Zeit bei O.R.I.O.N herrührte und die sich immer in ihm breit machte, wenn er eine solche Manschette auch nur sah wallte in ihm auf, fuhr bis in die letzte Zelle seines Körpers und sorgte dafür, dass seine Nackenhaare sich aufstellten. Er sah Phil mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und Angst an, die dieser nur mit einem kalten Blick erwiderte. "Keine Tricks. Keine Illusionen. Wir werden reden", sagte er, bevor er sich umdrehte und in Richtung der Küche los lief. Thomas folgte ihm widerstrebend, was auch daran lag, dass Phil ihm immer noch mit seinen Kräften im Nacken saß und ihn per Telekinese zu sich stieß. Als er da ankam, deutete Phil auf einen Stuhl am Küchentisch. "Setz dich." Thomas setzte sich. Phil blieb stehen und beobachtete Thomas schweigend mit abfälligem Blick. "Willst du mir jetzt endlich sagen, was los ist?", fragte Thomas. Phil lachte ein trockenes, gefährliches Lachen. "Das weißt du nicht mal? Das musst du noch fragen?" Dann fixierte er Thomas mit ernstem Blick. "Es gibt einen Grund, warum ich dich bekämpft habe. Du bist eine Gefahr. Für uns alle, für die Allgemeinheit. Du tust Dinge, die nicht richtig sind. Du bist böse, durch und durch; und von deinem Wunsch nach Rache vollkommen geblendet. Ich muss dich weiter bekämpfen und die Tatsache, dass wir mal Freunde waren, ändert nichts daran." Für eine Weile starrte Thomas seinen Freund nur an, als würde er auf den Moment warten, an dem seine ernste Miene einem Grinsen weichen würde. So viel Thomas jedoch dafür gegeben hätte, so sehr wusste er, wie unwahrscheinlich dies war. Jedes einzelne Wor, das Phil sagte, schien sich wie ein Dorn in sein Herz zu bohren, während sein Verstand immer noch abstreiten wollte, dass das alles gerade passierte. "Bekämpfen brauchst du mich jetzt wohl nicht mehr", entgegnete er, wobei er sich bei jedem einzelnen Wort konzentrieren musste, um ruhig zu bleiben. "Schließlich hast du das alles hier geschickt eingefädelt, nicht wahr?" "Du bist nicht das erste Mal in so einer Situation", antwortete Phil, seine Stimme klang eisig kalt. "Du wirst versuchen, einen Weg raus zu finden bei dem hier. Und genau daran werde ich dich hindern." "Und wie?", fragte Thomas. Er spürte, wie sein Herz in der Brust pochte und seine Muskeln sich anspannten, als wollte er gleich aufspringen und davon laufen. Das alles war so falsch, so verdammt falsch. Der, der vor Thomas stand, konnte nicht Phil sein. Phil würde nie so mit ihm reden. Aber er konnte sich auch nicht erklären, was sonst mit ihm los war. "Ich werde dich umbringen, wenn nötig", entgegnete Phil ruhig. Eine eisige Kälte schwang in seiner Stimme mit, die Thomas verriet, dass - egal ob das vor ihm sein Freund war oder nicht - er in echten Schwierigkeiten steckte.

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