Als Kat am nächsten Morgen mit Adaine, Daria und Anne zusammen am Wohnzimmertisch saß, kam Thomas zu ihnen. Anne sah schüchtern und verwirrt zu ihm, Adaine zog skeptisch eine Augenbraue hoch und Kat selbst versuchte, ihn mit ihren Blicken zu töten. Schließlich war ihm immer noch nicht zu trauen, auch wenn Jonas aus irgendeinem Grund einen Narren an ihn gefressen hatte. Aber auch Gedankenleser konnten sich in Menschen irren, und bei Thomas war Kat sich ganz sicher, dass dies passiert sei. Sie beobachtete, wie er sich langsam an sie heranpirschte, immer begleitet von einer Aura, die in einer Mischung aus tiefrot, schwarz, gelb und Schlamm-grün pulsierte. Tiefrot war dabei der Zorn, Schwarz der Kummer, gelb war Angst. Und dieses Schlamm-grün, das alles umgab, waren Schuldgefühle. Kat konnte vielleicht Menschen nicht so gut lesen, wie Jonas es konnte, aber sie war sich sicher, dass niemand, der solche Gefühle so tief in seinem Inneren verankert hatte, gut sein konnte.
Thomas beachtete Kat nicht, sondern ging geradewegs auf Daria zu, die als einzige relativ ruhig und gelassen wirkte. "Und?", fragte er ohne ein weiteres Wort der Begrüßung. "Dir auch einen guten Morgen", entgegnete Daria trocken, dann seufzte sie. "Nichts Besonderes. Keine Rückstände von dem Gift. Er wird bloß relativ müde sein heute. Wie geht's deinem Arm?" "Tut noch weh", sagte Thomas knapp. Daria nickte. "Das wird noch ein wenig so bleiben, aber wenn sonst nichts weiter ist, ist die Verletzung bereits verheilt." "Ähm... wenn ich euer Geflirte kurz stören dürfte", mischte sich Kat ein. "Was genau ist gestern passiert?" Thomas musterte sie kurz, dann zuckte er mit den Schultern. "Egal" "Egal?", erwiderte Kat aufgebracht. "Ihr habt gerade von Gift gesprochen!" Doch Thomas beachtete sie nicht weiter und sah wieder zu Daria. "Können wir es ihm gegenüber eher nicht ansprechen? Ich will, dass er sich einredet, dass es nur ein Traum war - wenn er sich überhaupt erinnert." Daria nickte. "Klar." "Ach, und jetzt wollt ihr auch noch irgendwas unter den Teppich kehren? Oh nein, ich will sofort wissen, was hier los ist." Thomas seufzte genervt. "Das geht dich nichts an." "Ach ja?", gab Kat schnippisch zurück. "Gut, dann stelle ich mal Vermutungen an: Du hast dich wieder in dein superenges Bösewichtskostüm gequetscht und bist eine Bank ausrauben gegangen, wobei du Leute vergiftet hast. Dabei wurde dir in den Arm geschossen, und Daria durfte das jetzt still und heimlich behandeln, weil du nicht willst, dass dein Phil rausfindet, dass du einen kriminellen Rückfall hattest." "Glaub was du willst", sagte er. Kat konnte sehen, wie das Rot seiner Aura etwas stärker wurde. Anschließend drehte er sich um und ging weg, bevor Kat irgendwas entgegnen konnte. Diese wendete sich sofort an Daria. "Sag schon. Was hast du mit dem zu schaffen?" Daria zuckte nur mit den Schultern. "Ich hab ihn behandelt. Er war verletzt."
"Und wovon?"
"Kat", sagte Daria ruhig. "Ich werde dir nicht sagen, was passiert ist. Ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht." "Klar", schnaubte Kat. "Das ich nicht lache. Du bist nicht mal eine Ärztin." "Vielleicht hat er auch einfach nur seine Arm zu viel zum... 'ihr-wisst-schon' gebraucht", wandte Adaine ein. Daria lachte leicht und Anne blickte verwirrt drein, Kat warf ihrer Freundin einen angeekelten Blick zu. "Ich bitte dich. Das will ich mir nicht vorstellen. Erst recht nicht bei dem." "Klar, du würdest lieber selbst was mit ihm anfangen", sagte Adaine trocken. "Du... also...", Kat lief tiefrot an, und als sie keine passende Erwiderung finden konnte, boxte sie Adaine gegen die Schulter. "Ich würde mit diesem... diesem Verrückten nie etwas anfangen, dass das klar ist!" Wütend funkelte sie ihre Freundin an, die wiederum nur mit den Schultern zuckte. "Wie du meinst, Kat." "Ihr beide habt sie nicht mehr alle", kommentierte Daria. "Wir?", erwiderte Kat aufgebracht. "Adaine hat doch angefangen!"Thomas ging unterdessen in die Küche, wo Jonas bereits saß und nachdenklich aus dem Fenster blickte, während er in seinem Tee rührte. "Morgen", murmelte Thomas. "Ist auch Tee für mich da?" Aus seinen Gedanken aufgeschreckt sah Jonas zu ihm. "Was? Äh... oh... Guten Morgen. Und ja warte, ich hole dir einen Becher." Damit sprang er auf und suchte für Thomas Becher, Löffel und Zucker zusammen, bevor er ihm etwas von der Kanne auf der Arbeitsplatte einschenkte. "Setz dich doch", sagte er dann, während er den Becher auf den Tisch stellte. Thomas tat, wie ihm geheißen und Jonas setzte sich wieder ihm gegenüber.
Ein kurzes Schweigen entstand zwischen den beiden. Thomas wie Jonas versanken in ihren eigenen Gedanken und die einzigen Geräusche, die zwischen ihnen zu hören war, war das Rühren der Löffel in den Teebechern. "Tut mir leid", begann Jonas schließlich. Thomas sah hoch. "Was?" "Ich weiß, dass ich deine Gedanken nicht lesen soll, also sei nicht sauer, wenn ich es jetzt doch tue. Aber... wegen dem, was gestern Nacht passiert ist. Ich... Phil war anders, aber ich dachte nicht, dass sowas passieren würde." Thomas sah Jonas ernst an. "Wie war er denn?" "Ich kann es nicht genau sagen." Jonas spielte unruhig mir dem Saum seines Shirts. "Er hatte dieselben Gedanken wie sonst auch, aber... keine Ahnung. Irgendwie wirkte es falsch." Thomas nickte, antwortete jedoch nicht sofort. "Du hast meine Gedanken dazu schon gelesen, du weißt, was ich darüber denke, oder?" Jonas nickte. "Ja, tut mir leid." "Lass mir trotzdem die Möglichkeit, selbst zu antworten." "Ja. Ja klar", antwortete Jonas hastig. "Hätte ich sowieso." Thomas nickte, bevor er wieder eine Weile nachdachte. Jonas wandte den Blick ab, als wenn er dadurch Thomas' Gedanken nicht mehr lesen konnte. "Phil war nicht er selbst", sagte er schließlich knapp. "Es war irgendein anderer Verrückter, gegen den ich gestern Nacht gekämpft habe, und deswegen ist das keine große Sache." Jonas nickte. "Ich würde bloß gerne wissen, was sowas ausgelöst hat. Wenn das die anderen hier auch betrifft...", murmelte er besorgt. Thomas jedoch schüttelte mit dem Kopf. "Ich hab bei O.R.I.O.N mal gehört, wie zwei sich über so etwas unterhalten haben. Es ist ein spezielles Gift, das einem injiziert wird und dem, der es produziert anschließend ermöglicht, in dessen Kopf rumzupfuschen. Die, die es bei Phil gemacht hat, hat seine Gedanken an mich als Freund unterdrückt, sodass nur noch unsere Rivalität blieb. Und sein alter Wunsch, das Phantom zu besiegen." Wieder nickte Jonas. "Verstehe", sagte er leise. "Ich hab Phil da raus geholt, in dem ich den Spieß umgedreht habe. Dadurch, dass ich mich geweigert habe, ihn zu bekämpfen war ich nicht mehr sein Feind sondern sein Opfer. Und das spricht wohl irgendwie gegen den Kodex eines Helden." Dabei starrte er leicht betreten in seinen Teebecher. Jonas betrachtete ihn genau. "Aber du hast nicht geplant, dass Phil dadurch wieder zu sich kommt, oder? Das war nur ein Glücksfall. Du hast dich schlichtweg geweigert, zu..."
"Guten Morgen", murmelte Phil, der genau in diesem Moment die Küche betrat. Thomas warf Jonas einen warnenden Blick zu, der sofort aufhörte zu reden und schnell zu Phil sah. "Äh... ähm... dir auch... einen guten Morgen und so." Thomas verdrehte genervt die Augen. Jonas konnte es wohl nicht noch auffälliger gestalten. Phil bemerkte dies natürlich und sah verwirrt zu den beiden rüber. "Also Geburtstag hab ich nicht, von daher müsst ihr keine Überraschungsparty planen und mir darüber was verheimlichen." "Haben wir auch nicht", entgegnete Thomas, der Jonas mit Blicken zu einem Schweigegelübde zwang. Dieser nickte Thomas kurz zu, bevor er sich wieder Phil zuwandte. "Ach was, was sollten wir schon planen?", fragte er. Dabei klang er immerhin etwas weniger nervös und unsicher. "Ich bin bloß heute Morgen etwas durcheinander. Hab wohl nicht gut geschlafen." Dabei lächelte er Phil an. Dieser seufzte. "Erzähl mir nichts vom schlecht schlafen", klagte er. "Ich fühle mich, als wäre ich im Schlaf erschlagen worden." Dabei nahm er sich etwas zu trinken und setzte sich zu den beiden. Dabei beäugte er Thomas, bevor er leicht mit dem Kopf schüttelte und seufzte. "Ich hab Kopfschmerzen. Und völligen Schwachsinn geträumt." "Du scheinst öfter schlecht zu schlafen in letzter Zeit", antwortete Thomas in einem besorgten Ton, den er nicht mal spielen musste. "Daria hat einen Kräutertee dagegen", fügte Jonas hinzu. "Mit Baldrian und Passionsblume und so." Phil nickte leicht. "Vielleicht sollte ich den echt mal probieren." "Das ist wahrscheinlich sowieso nur die Aufregung", versuchte Thomas in einem tröstenden Ton zu erklären. "Eine völlig neue Situation, neue Leute, momentan ist vieles neu."
Phil nickte leicht, beäugte Thomas jedoch misstrauisch. Er reagierte nicht so, wie Phil erwartet hatte. Normalerweise tat er sowas einfach ab oder bezeugte seine Besorgnis etwas subtiler. Aber wahrscheinlich hingen die Bilder aus seinem Traum einfach noch zu sehr nach, als dass er rational denken konnten. "Ja, das ergibt Sinn", murmelte er schließlich langsam."Also, was ist der Plan heute?", fragte Thomas, um Phil schnell von seinen Überlegungen abzubringen. Jonas zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht, wie ich die anderen darauf vorbereiten soll, dass sie alle irgendwann von O.R.I.O.N angegriffen werden könnten", murmelte er resigniert. "Felix und Charlie sind nicht mehr als Kinder, und die anderen... Sie sind nicht darauf vorbereitet, gegen eine riesige Organisation zu kämpfen. Klar, laut Kat könnte es sofort losgehen, aber es würde so niemals funktionieren. An eine Art Training hatte ich auch schon gedacht", antwortete er auf Phils Gedanken. "Aber ich weiß nicht, wie ich es anstellen, oder was ich den anderen beibringen sollte." "Macht Kat nichts mit den anderen? Schließlich hat sie auf den Trainingsraum bestanden", fragte Phil, doch Jonas schüttelte mit dem Kopf. "Nein... das heißt ja, ab und zu trainiert sie mit den anderen, aber es ist..." "Nichts, womit man sich gegen O.R.I.O.N verteidigen könnte", vollendete Thomas Jonas' Satz. "Damit gebt ihr den anderen nur das Gefühl, sicher zu sein, hab ich recht?" Jonas nickte betreten. "Naja, vielleicht könnten Thomas und ich den anderen etwas beibringen", schlug Phil vor. "Was?!", entgegnete Thomas entgeistert. "Naja, du weißt zumindest ein paar Dinge über O.R.I.O.N. Und du weißt, wie man seine Kräfte gut zur Abwehr einsetzt. Und mir hast du es ziemlich gut beigebracht. Ich denke, bei den anderen wirst du es auch schaffen. Und ich kann dir dabei helfen." "Das ist Schwachsinn", antwortete Thomas harsch. "Die anderen würden nichts von mir lernen wollen, und es gibt eben keine 'Anti-O.R.I.O.N-Kampftechnik', die sie in ein paar Sitzungen lernen können." "Nein, aber es wäre zumindest ein Anfang", kommentierte Jonas. "Klar ist O.R.I.O.N damit noch längst nicht besiegt und wir brauchen noch immer einen Plan oder zumindest eine Idee, aber es würde nicht schaden, wenn bis dahin alle ihre Kräfte vollends beherrschen und im Team arbeiten können."
Thomas seufzte. "Schon klar. Aber ich bin nicht die Typ Mensch, die ein guter Lehrer wäre." "Dafür hast du ja mich", sagte Phil, ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen. "Ich tröste sie dann, wenn du zu hart zu ihnen warst." Thomas sah ihn nachdenklich an. Phil schien es wirklich zu wollen. Und obwohl er sich noch immer nicht wirklich mit dem Rest der chaotischen Truppe auseinander setzen wollte, wollte er Phil nicht enttäuschen. Außerdem war es vielleicht gut, ihn abzulenken. Andernfalls bestand die Gefahr, dass Phil zu viel nachdachte, sich an die Geschehnisse von letzter Nacht noch weiter erinnerte und es schlussendlich nicht mehr für einen Traum halten würde. Um jeden Preis wollte Thomas das verhindern, also nickte er widerwillig. "Gut. Okay. Wir fangen heute an. Im Garten, denn der Trainingsraum ist viel zu winzig für uns alle. Aber sollten die anderen rebellieren oder sich auf unnötige Weise blöd anstellen, breche ich das Ganze ab. Ich bin kein Clown, und muss die anderen nicht unterhalten." "Schon klar", entgegnete Jonas, der sich ein Grinsen kaum verkneifen konnte. "Ich rufe alle zusammen."
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Roommates
ActionPhil und Thomas sind beste Freunde und Mitbewohner. Doch jeder der beiden hat sein eigenes, großes Geheimnis, welches jeweils die Leben wie auch die Freundschaft der Beiden gefährden könnte.