2. Begegnung

1.1K 42 0
                                    

Die Tür würde sofort aufgerissen und die zwei breit grinsenden Brüder standen im Rahmen.
"Wow, Marco nur 17 Minuten zu spät.", begrüßte Leonard mich und schloss mich dann in eine kurze Umarmung.
"Ja, du kannst mich auch mal. Alles Gute zum Geburtstag euch beiden."
"Danke." Niklas streckte gierig die Hand aus. "Wo sind die Geschenke? Ohne kommt ihr hier nicht rein."
"Da kann ich ja sehr froh drüber sein,  dass wir sogar mehrere mithaben." Ich machte eine kurze Pause um die immer größer werdenden Augen zu betrachten. "Allerdings liegen die im Kofferraum und ich würde sie dann zu gegebener Zeit für euch holen."
Niklas wollte protestieren, aber da hatte sein Bruder schon zugestimmt und machte in einer schwungvollen Bewegung den Eingang frei.
"Herzlich willkommen auf der besten Geburtstagsparty des Jahres."
"Träum weiter.", entgegnete ich und trat ein. Mario blieb dicht bei mir. Ich legte ihn meine Hände auf die Schultern und schob ihn weiter vor.
"Darf ich vorstellen, Mario, der Letzte und Beste im Bunde." Ich merkte wie er rot wurde, teils wahrscheinlich wegen meinen Worten, aber auch wegen den neugierigen Blicken der Zwillinge. "Und dies, lieber Sunny, sind Leon und Nick, die Idioten vom Dienst."
"Besser hättest du es nicht ausdrücken können.", kam es aus den  Wohnzimmer und gleich darauf erschien Schü im Flur. "Hey, ihr Beiden, schön, dass ihr da seit."
"Seh ich auch so.", rief Nick. "Auch wenn ich es ein bisschen unfair finde, dass wir selbst an unseren Geburtstag nicht von diesen dummen Sprüchen verschont bleiben."
"Tut mir leid, aber es nichts als die reine Wahrheit." Lachend ging ich an ihnen vorbei ins Wohnzimmer. Die Musik war noch auf einer normalen Lautstärke, aber ich rechnete damit, dass spätestens um neun sich dies ändern würde. Mario wurde von Schü in Beschlag genommen, der ihn gleich in ein Gespräch über die letzten Ereignisse in der Bundesliga verwickelte. Die beiden erfüllten wirklich das Klischee eines Fußballspielers.
Nick reichte mir ein Bier und stieß an. "Auf diesen Abend."
"Auf euch."
Er grinste. "Danke, das höre ich gerne."
Ich ließ meinen Blick kurz durch den Raum schweifen, mehr als 20 Leute waren es nicht. "Seid ihr vollständig?"
"Ich denke schon. Wir wollten nicht all zu viele einladen, das wäre bestimmt auch für euch stressig geworden."
"Danke."
"Kein Problem, eure Anwesenheit ist uns mehr Wert als die von irgendwelchen flüchtigen Bekannten." Nick wuschelte mir durch die Haare.
"Ey, lass das, du zerstörst meine Frisur."
"Das ist natürlich ganz schlimm.", lachte er.
"Was is' schlimm?" Leon war ganz plötzlich hinter uns aufgetaucht. 
"Nicht so wichtig."
Er nickte. "Du, Marco, ist es normal, dass Mario so schüchtern ist oder wirkt das vielleicht nur so auf mich."
"Nein, das ist immer, Fremde machen ihn Nervös.", seufzte ich.
"Komisch, im Fernsehen wirkt der nie so auf mich.", überlegte Nick.
"Frag mich nicht, ich hab auch keine Ahnung. Aber glaubt mir, nach einer Weile legt sich das und ihr werdet euch super verstehen. Mario ist ein klasse Typ."
Leon stieß mich lachend an. "Das klingt ja sehr vielversprechend." Ich wurde rot. Die Zwillinge waren die Einzigen, die wussten, dass ich auf beiden Geschlechtern stand, da ich es ihnen unter enormen Alkoholkonsum verraten hatte. Manchmal bereute ich es, aber im Großem und Ganzen war ich ganz froh, mich nicht vor allen verstecken zu müssen.  
"Seit ihr denn zusammen?", fragte Nick. Ich schüttelte hastig den Kopf. "Nein, Sunny ist nur mein bester Freund." Mein Herz zog sich bei diesen Worten schmerzhaftig  zusammen, doch ich ignorierte es. Ich war nicht in Mario verliebt, ich durfte es nicht, es könnte unsere Freundschaft zerstören.
"Schade.", antwortete Nick. "Ich finde ihr passt schon mal rein äußerlich sehr gut zusammen."
"Hm." Das Gespräch wurde mir unangenehm. "Ich gehe mal eure Geschenke holen."
"Gute Idee, ich bin gespannt!"

Mario

"Mario, hörst du mir überhaupt noch zu?"
Ich zuckte schuldbewusst zusammen. "Nein, sorry."
Schü folgte neugierig meinen Blick und starrte direkt auf den vordersten Bartisch, an den Woody und die Zwillinge standen. "Achso, klar. Du bist aufgeregt, aber mach dir keine Sorgen, die Beiden sind echt cool."
Ich nickte nur.
"Und Marco wird die bestimmt nicht die ganze Zeit in Beschlag nehmen und dann kannste bestimmt auch mal mit den reden."
"Spinnst du?!"
"Komm schon, überwinde einfach deine Schüchternheit."
"Ich will doch gar nicht mit denen reden.", murmelte ich und fummelte am Saum meines T-Shirts.
"Na klar, darum starrst du da auch so offensichtlich hin."
Nicht wegen den Zwillingen..., dachte ich, doch das würde ich nicht  zugeben.
"Hey, guck doch, Marco geht, das ist deine Chance.", rief Andre motiviert. Ich seufzte. "Ich weiß nicht."
"Stell dich nicht so an, Herr Götze." Er schubste mich in ihre Richtung. Aus den Augenwinkel sah ich, wie Marco das Wohnzimmer verließ. "Ich geh mal kurz auf Toilette.", murmelte ich entschuldigend und verschwand nach Woody aus den Zimmer.

Im Flur brannte jetzt nur noch ein gedämpftes Licht, kleine Gruppen von drei bis vier Leuten hatten es sich an den Wänden bequem gemacht. Aus einer kleinen Musikbox tönte leise die Melodie von Despacito. Ich drängte mich zwischen den Gruppen durch Richtung Haustür, bei der ich Marco entdeckt hatte. Mein Blick haftete auf der Tür und so sah ich nicht die Person auf den Boden, stolperte über sie und stieß mit jemanden zusammen.
"Ey!", beschwerte sich dieser laut.
"Entschuldige, ich bin über jemanden da gestolpert und..."
"Kenn wir uns nicht?", unterbrach mich die Person verblüfft. Ich hob kurz den Kopf und erstarrte. Das Muttermal  über der linken Braue, die scheinbar leblosen Augen und der tätowierte Stern auf der Schläfe fielen mir direkt ins Auge. Erschrocken keuchte ich auf und wich mehrere Schritte zurück. Mein Herz schien schneller zu schlagen und ein unkontrolliertes Zittern kam über mich. Bloß weg hier, schien mein ganzer Körper zu schreien.
"Na klar, Mann, das ist Mario Götze.", lallte einer seiner Kumpels.
"Oh, der Mario Götze also." Über sein Geischt huschte ein Lächeln.
"Ich muss dann auch.", stammelte ich.
"Ja, aber natürlich, vielleicht sehen wir uns noch später wieder." "Vielleicht.", antwortete ich kaum hörbar und wollte mich an ihn vorbei drängen.
"Ganz bestimmt." Er machte mir den Weg frei. "Das kann ich dir versprechen."
Bei den Worten würde wurde mir schlecht. Das durfte nicht passieren, nicht noch einmal.

Ich musste noch an zwei weiteren Gruppen vorbei, doch die machten mir sofort Platz und betrachteten mich besorgt, scheinbar sah ich ziemlich fertig aus.
Schnell riss ich meine Jacke von der Garderobe und schlüpfte durch die Haustür.
Es regnete jetzt in Strömen und auch die Temperatur schien deutlich gesunken zu sein. Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen und lauschte nur das Prasseln des Regen. Es beruhigte mich ein wenig. Erst das laute Knallen einer Autotür ließ mich wieder zusammen schrecken und ich blickte mich hastig um. Es war Marco. Gott sei Dank, nur er oder vielleicht auch gerade er.
Woody trug zwei große Tüten, wahrscheinlich die Geschenke von den er schon gesprochen hatte. Ich ging eilig auf ihn zu.
"Mario?", verwundert blieb er stehen.
"Können wir jetzt gehen?" Ich bemerkte, wie schwierig mir das Sprechen plötzlich fiel.
"Was?"
"Du hast versprochen, dass wir sofort fahren, wenn ich nicht mehr möchte."

Marco

"Aber wir sind doch gerade erst gekommen."
"Bitte." Das erste Mal sah Mario mich an. Er war blass und seine Augen waren vor Angst weit aufgerissen.
"Oh Gott, Sunny, was ist passiert?" Ich ließ die Tüten fallen und legte sein Gesicht in meinen Händen.
"Können wir einfach bitte gehen.", flehte er und in seinen Augen sammelten sich Tränen.
"Natürlich, setz dich schon mal ins Auto, ich sage eben nur Bescheid."
Er nickte.
"Okay, hier sind die Schlüssel. Bis gleich." Kurz drückte ich ihn noch einen Kuss auf die Stirn, dann griff ich nach den Tüten und eilte zum Haus.

"Na endlich." Leon kam strahlend auf mich zugelaufen, sein Blick haftete an den Tüten.
"Ja, eure Geschenke.", ich lachte kurz auf. "Hört mal, Jungs, es tut mir wirklich total leid, aber wir müssen schon gehen, Mario geht es überhaupt nicht gut."
Leons Strahlen erlosch. "Schade."
"Was hat er denn?", fragte Nick besorgt. "Können wir vielleicht helfen?"
Ich schüttelte den Kopf. "Nein, ich bringe ihn erstmal nach Hause."
"Okay." Nick drückte mich kurz. "Machs gut und gute Besserung an Mario."
"Richte ich aus. Danke euch für die Einladung."
"Immer doch." Auch Leon zog mich in eine Umarmung. "Wir sehen uns dann."
"Schönen Geburtstag noch!", sagte ich und wollte wieder gehen, beschloss aber dann mich noch von Schü und Auba zu verabschieden, den Gabuner hatte ich heute noch gar nicht gesehen.
"Hey.", rief er begeistert. "Lässt der Marco sich jetzt auch mal blicken."
Ich lachte. "Ja, nur kurz. Wollte nur sagen, wir fahren wieder, Mario geht es nicht gut."
"Wegen seiner Schüchternheit?", fragte Schü und runzelte die Stirn. "Ich finde, der sollte es endlich lernen."
"Sehe ich auch so.", meinte Auba.
"Nein, es ist etwas anderes. Aber ich weiß nicht genau was. Sunny sieht echt nicht gut aus." Ich überlegte, ob ich noch mehr verraten sollte, ließ es aber bleiben. Erst wollte ich wissen, warum Mario plötzlich so Angst hatte.  "Oh." Beide sahen mich ziemlich besorgt und nachdenklich an.
"Dann sehen wir uns beim Training?", fragte ich.
"Ja, in zwei Tagen. Versuch pünktlich zu sein.", sagte Auba. Ich lächelte. "Ich probier's."

Sunny saß ziemlich tief in Sitz gesunken im Auto und starrte unruhig aus den Fenster.
"Da bin ich." Lächelnd nahm ich Platz und startete den Motor. Er nickte nur.
"Möchtest du mir vielleicht jetzt erzählen, was los ist?"
"Nein, bitte einfach nur nach Hause.", flüsterte er.
"Okay, Musik?"
"Wenn du willst"
"Muss nicht.", antwortest ich. Meine Sorgen wurden immer größer, Was war los mit ihn? Was war passiert, dass er so eine Angst hatte? "Also dann, auf nach Hause."

Geheimnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt