5. Von Käse und Reifen

817 39 6
                                    

Eine Stunde später erreichten wir das Hallenbad. Es war noch früh am Morgen und kaum etwas los, was mich etwas beruhigte. Oftmals wurden wir an öffentlichen Orten wie zum Beispiel das Schwimmbad von Fans angesprochen, an sich nichts schlimmes aber irgendwann wollte man auch seine Ruhe haben und seine Freizeit genießen.
Mario holte die Karten und unterschrieb gleich auf der Cap vom Bademeister am Eingang.

"Er hat gesagt, dass nur ein Seniorenschwimmkurs und wenige einzelnde Personen da sind.", erzählte  er mir zufrieden und drückte mir meine Karte in die Hand. Kurz streiften sich unsere Finger und ich hielt den Atem reflexartig an. Dann nahm ich eilig das Stück Papier, schultere meine Tasche und ging als erster durch das Tor um mein laut klopfendes Herz zu ignorieren. "Kommst du?", fragte ich, denn Sunny schien in eine Art Starre gefallen zu sein. Vielleicht wegen der Berührung, flüsterte eine leise Stimme in meinen Kopf, aber ich schob den Gedanken schnell weg, ich wollte mir keine falschen Hoffnungen machen. "Schon unterwegs." Mario folgte mir nervös lachend. "Tut mir leid, war irgendwie nicht ganz anwesend." Ich muss lächeln. "Mein Tagträumer." Er wurde rot und senkte den Blick, so süß!
Wir steuerten auf die Einzelumkleiden zu.
"Wenn du eher fertig bist warte bitte in den Duschen.", sagte ich noch schnell bevor ich hinter einen der Türen verschwand.
Während ich mich umzog gingen meine Gedanken zum vorherigen Abend zurück. Ich wusste immer nich nicht, was gestern mit Mario passiert war, aber es schien wieder vorbei zu sein. Er war heute morgen doch wieder mein Sunny gewesen, der über alles Lachen konnte und dauerhafte gute Laune hatte, oder? Auch wenn ich immer noch neugierig war, beschloss ich ihn nicht auf dem Vorfall gestern anzusprechen, hauptsache er blieb wie er war.
Ich war fertig, verstaute meine Tasche in einen der Schließfächer und ging nur mit Handtuch zu den Duschen. Mario erwartete mich schon grinsend.
"Auch mal fertig, Prinzessin?", fragte er frech und stellte eine der Duschen an. Ich tat es ihm nach, nahm eine gegenüber und beobachtete ihn verstohlen aus den Augenwinkel. Er stand mit den dem Gesicht zur Wand und ich starrte auf seinen trainierten Rücken. Die Muskeln bewegten sich geschmeidig unter der gebräunten Haut. Neben ihn kam ich mir vor wie ein Käse. Er wurde schon in der Frühlingssonne braun und ich hatte selbst nach den Sommer am Strand nicht mehr als einen Sonnenbrand bekommen.
Plötzlich drehte sich Mario grinsend zu mir um. "Habe ich etwas am Rücken oder warum starrst du so?" Ich wurde rot. "Nein, also ... ich ... du ... Nein, ich beneide nur deine Hautfarbe, weil ... nun ja ... Ich seh noch immer aus wie ein Schmierkäse.", druckste ich unbeholfen. Sunny legte den Kopf schief und schien mich länger zu betrachten. "Ich mag Schmierkäse.", sagte er schließlich schulterzuckend und verließ die Duschen. Etwas bedröppelt blieb ich stehen. Was hatte das denn zu bedeuten? Die Aussage verwirrte mich. War es ein Kompliment? Meine Wangen fühlten sich heiß an, wahrscheinlich sah ich gerade aus wie eine Tomate. Tomaten mit Schmierkäse, na toll.
"Kommst du? Die anderen Leute wollen dich auch bewundern, Schmierkäse!", hörte ich Mario rufen und wusste gleich das er gerade ein fettes Grinsen im Gesicht hatte und auch ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. So ein Idiot!
Sunny stand schon bis zur Brust im Wasser. Ich folgte ihn langsam. Scheiße, war das kalt! Reflexartig schnappte ich nach Luft und schlang meine Arme um mich.
"Stell dich nicht so an, ein paar Bahnen und es wird schon gehen.", meinte Mario belustigt und schwamm voraus. Wir begannen unsere Zeit im Schwimmbad immer mit ein paar Bahnen bevor der richtige Spaß erst begann. Ich musste an die Rutschen denken. In der einen kam man mit einen Reifen durch die Röhre. Diese trug den sehr originellen Namen *Reifenrutsche*  und war erst seit kurzen hier. Das erste Mal war Mario aus den Reifen gerutscht, da er zu klein für die Öffnung war. Der Gedanke daran brachte mich zum Schmunzeln. Diesmal sollten wir nicht die riesigen Reifen nehmen und uns stattdessen mit den normal großen begnügen.

"Wäre die normale Rutsche nicht besser?", fragte Mario zögernd und wahrscheinlich erinnerte auch er sich nur zu gut an das erste und letzte Mal.
"Nö." Ich griff nach einen Reifen für zwei Personen und zog Sunny die Treppe hoch.
"Kannst du dir das mal abgewöhnen?", motzte er.
"Was?"
"Mich wie ein Stofftier hinter dir her zu schleifen."
Ich blieb stehen und sah ihn grinsend an. "Nö."
Er seufzte. "Warum bin ich mit dir eigentlich befreundet?", murmelte er dann leise, aber trotzdem hörte ich es.
"Hey! Werde bloß nicht frech.", empörte ich mich lachend. "Du bist gerade in einer scheiß Lage dafür, einmal Schubsen und du fällst die Treppe wieder herunter."
"Warte mal, erklärst du mir gerade, wie du  mich umbringen willst?"
Ich nickte.
"Das würdest du nicht machen." Er grinste breit. "Du hast mich viel zu lieb, Als das du mich 38 Stufen wieder runter schubsen würdest."
"Du hast die Stufen gezählt?" Ungläubig betrachtete ich ihn. Ein zustimmendes "hm" war die Antwort.
"Und so etwas nenne ich meinen besten Freund.", zweifelte ich laut.
"Jetzt wirst du aber frech!", beschwerte er sich. Ich lachte nur, zog Sunny die letzten Stufen zum Eingang der Rutsche hoch und platzierte den Reifen im Wasser, immer darauf bedacht, diesen bloß nicht los zu lassen. "Komm steig ein."
Zögernd folgte Mario meiner Anweisung. Ich setzte mich hinter ihn und schlang meine Arme um seine Taille. Seine Haut fühlte sich warm und weich an. Er lehnte sich zurück, platzierte seinen Kopf auf meine Brust und sah mich mit großen Augen an. Mein Herz schlug dreifach so schnell  bei diesem Anblick und wieder schlich sich der Gedanke in meinen Kopf in einfach zu küssen. Aber natürlich tat ich es nicht sondern drückte uns stattdessen ab. Während wir durch die Rutsche sausten, redete ich mir immer wieder ein, dass es richtig gewesen war, ein Kuss kam nicht in Frage, bis ich es irgendwann selbst glaubte.

Hätte ich damals nicht nur an mich gedacht, sondern auch an Marios sehnsüchtigen, traurigen Blick hätte ich vielleicht anders gehandelt. Es hätte vieles erspart.

Geheimnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt