22. Von Johns Vermutung und Marios Gesundheit

602 28 2
                                    

Marco

"Das klingt nicht gut." John drehte den Salzstreuer in seinen Händen. "Es klingt krank."
"Natürlich klingt es krank, er hat schließlich auch irgendeine Krankheit. Ich habe schon gegoogelt. Tuberkulose könnte sein, da soll man radikal schnell abnehmen."
"Nein, Marco, so meine ich das nicht. Ich denke eher an eine psychische Krankheit. Du sagst, dass er zu dir sagte, dass er unzufrieden mit sich ist."
"Indirekt."
John warf mir einen strafenden Blick zu, weil ich ihn unterbrochen hatte, dann sprach er weiter: "Depression oder eine Essstörung oder so."
"Quatsch!" Ich sprang wütend auf. "Mario doch nicht!"
"Du sagst das so, als wäre so etwas eklig."
"Nicht wirklich eklig, eher falsch. Solche Krankheiten bekommen nur Leute mit einen Knick im Kopf. Leute, die nicht alle Tassen im Schrank haben."
"Du weißt, dass das nicht stimmt.", meinte John ruhig. "Vielleicht ist es dir gerade im Moment nicht ganz klar, aber eigentlich weißt du es."
"Du spinnst!" Ich schrie schon fast und musste mich für einen kurzen Moment zusammenfassen um dann mit leiser und gepresster Stimme weiterzureden. "Mario ist kein Verrückter."
Dann lief ich aus dem Restaurant, so schnell es ging um bloß keine Antwort von John zu bekommen.

Mario

"Ich tue das richtige, ich tue das richtige.", flüsterte ich leise und pausenlos, wurde immer schneller, bis die Wörter zu einem wurden: "ichtuedasrichtige."
Man musste es sich nur oft genug sagen, dann glaubte man es sich selbst. Zumindest so die Theorie.
"Mario?", schallte Joes Stimme durch den Raum.
"Ja?"
"Wir sehen uns morgen." Dann verschwand er ohne weitere Worte. Das passierte in letzter Zeit öfter. Seine Besuche wurden kürzer und wortkarger. Manchmal glaubte ich, dass er mich gar nicht mehr wahrnahm. Nicht einmal er. Ich war ein Nichts und langsam löste ich mich immer weiter auf. Dabei wollte ich dieses unbedingt vermeiden. Ich musste mehr hungern, mehr Sport machen, mehr kotzen. Hauptsache die Kalorien wurden weniger und mit ihnen das Fett. Ich hatte heute zwar kein Training, dafür den ganzen Morgen und Vormittag Sport getrieben.
Mit zitternden Händen griff ich nach der Wasserflasche. Das Training war anstrengend gewesen, in letzter Zeit fiel es mir immer schwerer zu trainieren. Meine Kräfte waren wie aufgebraucht, zudem machte mein Kreislauf ständig Probleme. Ich verstand es nicht, müsste ich nicht durch mehr Training besser werden?
Am Abend wollten sich ein paar aus der Manschaft treffen und Marco wollte unbedingt, dass ich mitkam.
Ich hatte Angst. Angst vorm Essen. Angst vor der Schwäche. Angst vor den anderen. Die Leute aus dem Team analysierten mich regelrecht. Es machte mich nervös. Ich fühlte mich unwohl und darum zog ich mich immer weiter zurück. Doch anstatt mich in Ruhe zu lassen, schien es die Herrschaften nur neugieriger zu machen.

Das Klingeln nahm ich nur leise, leicht rauschend war. Erschöpft hievte ich mich vom Sofa. Wie spät war es? Wie lange hatte ich auf der Couch verbracht? Ich war irgendwann, nach dem Duschen am Mittag, eingeschlafen. Eigentlich sollte es nur ein kurzes Nickerchen sein um das Mittagessen zu vergessen.
Als ich ein paar Schritte gegangen war, verschwamm mein Blick, schwarze Flecken traten in mein Sichtfeld. Halbblind stolperte ich weiter in den Flur. Was war los mit mir? Je näher ich dem Eingang kam desto stärker wurde das Rauschen, ein Druck auf den Ohren. Es war ein Schmerz, wie wenn man zu tief im Wasser tauchte oder der erste Moment, wenn das Flugzeug abhob, nur, dass er andauerte. 
Aus dem Klingeln wurde ein ungeduldiges Hämmern. "Mario?!"
Ich riss die Tür auf. Verschwommen nahm ich Marcos Gesicht wahr. "Hey, Woody.", flüsterte ich heiser.
"Alles gut?", fragte er.
Ich nickte. "Klar."
Er schien mich einen kurzen Moment zu Mustern, dann seufzte er ungeduldig. "Wir müssen in zehn Minuten da sein und du willst dort dich nicht wirklich in diesem Outfit auftauchen."
"Hab verschlafen." Warum hörte dieses verdammte Rauschen nicht auf? Warum sah ich nicht richtig?
"Dann beeile dich."
Ich nickte erneut und taumelte und Schlafzimmer - aufrecht gehen war kaum möglich. Natürlich war mir klar, dass es Marco merken würde, aber was sollte ich tun?

Hose und Oberteil schlabberten ein wenig - ich nahm das als ein gutes Zeichen zur Erkenntnis. Ich hatte abgenommen - ich war auf dem richtigen Weg.
Bevor ich das Schlafzimmer verließ, holte ich noch die Waage unterm Bett hervor, gut versteckt obwohl ich alleine wohnte, vielleicht war ich paranoid. 59,8kg. Erfolg? Sicher war ich mir nicht. Es ging doch noch besser, es ging noch leichter.  

"Hast du getrunken?", fragte Marco und half mir in die Jacke.
"Nein. Wieso fragst du?"
"Du läufst so komisch."
Darauf wusste ich keine gute Antwort. "Ich habe aber wirklich nichts getrunken, versprochen.", sagte ich schließlich. Dieses Versprechen hätte ich ihm zu jedem Zeitpunkt geben können, Alkohol macht dick.

Hey, ich muss mich noch ein weiteres Mal entschuldigen, dass ich mich fast zwei ganze Monate nicht gemeldet habe. Bei mir privat gab es ein paar schlimmere Vorkommnisse, sodass ich mir etwas Zeit geben wollte um das Ganze zu verarbeiten und besonders auch am Anfang einfach etwas Abstand brauchte.
Danke fürs Lesen, habt einen schönen Tag,
Mit vielen Grüßen! 😄

P.S. Kritik, etc. gerne als Kommentar gewünscht.

Geheimnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt