16. Von Schlussstrichen

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Marco

"Marco, hey, aufwachen." Die Worte drangen kaum zu mir durch, wie in Watte gepackt, rauschend und dumpf. Jemand rüttelte an meiner Schulter. "Aufhören.", brummte ich und versuchte mich unter der Bettdecke zu verstecken. Ich war so müde, wünschte mir nur den Schlaf und nichts und niemand würde mich davon abhalten. "Nur schlafen.", erklärte ich schon halb in meinen Träumen verschwunden.
"Komm schon, Schlafmütze.", lachte der Unruhestifter. Mein Unruhestifter. Sobald ich sein wunderbares Lachen hörte war ich hellwach. Mit einen Ruck saß ich kerzengerade im Bett und sah in sein strahlendes Gesicht.
"Morgen.", sagte er immer noch lächelnd.
"Morgen.", erwiderte ich und betrachtete ihn genauer. Von Müdigkeit und Schwäche keine Spur, doch dann fiel mir das dicke Verband am Handgelenk auf und meine Stimmung änderte sich schlagartig. "Warum hast du das gemacht?"
Mario sah etwas verdutzt zu mir. "Was?"
"Warum hast du dich geritzt, weißt du eigentlich wie gefährlich das ist?"
"Achso, das." Er nickte andächtig bevor er lächelnd und unbekümmert fortfuhr. "Das ist keine große Sache, ich mach das regelmäßig."
"Regelmäßig?" Ungläubig sah ich ihn an.
"Ja, ich erschaffe ein Kunstwerk." Seine Augen begannen zu leuchten wie die eines Kindes. Ich spannte mich an. Was sollte das ganze hier?
"Was für ein Kunstwerk?", fragte ich vorsichtig.
"Dieses hier." Mario riss seinen Ärmel hoch, so dass ich viele weitere Narben zu sehen bekam. Ein Moment starrte ich regungslos darauf, bevor ich Luft schnappend zurück wich. Die Narben waren nicht willkürlich entstanden, Sunny hatte sich meinen Namen ins Fleisch geritzt. "Warum?", flüsterte ich verzweifelt.
"Damit jeder sehen kann, wer mir das angetan hat." Er grinste noch breiter. Ich schüttelte wild den Kopf. "Was habe ich getan? Bitte, es tut mir leid."
"Zu spät, Woody.", flötete Mario und warf sich in einen hysterischem Gelächter verfallen auf den Rücken. Ich musste Weg, raus aus diesem Zimmer. Panisch strampelte ich mich unter der Decke hervor und flüchtete zur Tür. Gerade als ich den Raum verlassen wollte, rief Mario mich noch einmal zurück und ich drehte mich gleich um. Mit einen riesigen Messer in der Hand saß er auf dem Bett und wedelte mit der Waffe wild herum. "Woody, jetzt kommt der Schlussstrich.", rief er, noch immer so unheimlich lachend. Er legte sich die scharfe Kante direkt auf die Pulsader und vollführte seinen letzten Schnitt mit der Eleganz eines Geigers. Ich rannte zu ihm zurück, wild schreiend, panisch und ohne noch einen klaren Gedanken.

"Marco? Hey, wach auf!" Jemand rüttelte unsanft an meinen Schultern. "Du hast nur geträumt, komm schon, beruhig dich." Langsam erkannte ich Andres Stimme. Zitternd und heulend verkroch ich mich in seinen Armen. Beruhigend strich er mir über den Rücken. "Pst, ist schon gut, du hast nur geträumt."
Als mein Herzschlag und meine Atmung sich wieder etwas beruhigt hatten, löste ich mich langsam. "Danke."
Er nickte nur besorgt. "Geht's dir besser?"
"Hm." Ich sah mich um und ein weiteres Mal breitete sich die Panik in mir aus. Die Bettseite neben mir war leer. "Wo ist Sunny?", fragte ich hysterisch und wollte schon aufspringen. "Im Bad. Es ist zehn Uhr, ihr habt beide etwas länger geschlafen, und jetzt macht er sich fertig."
"Im Bad?!", schrie ich fast. "Damit er sich nochmal ritzen kann?!"
"Beruhige dich, Marco." Schü nahm mich wieder in seine Arme. "Ich habe gestern das ganze Badezimmer gründlich durchforstet und alles, was mir gefährlich erschien mitgenommen."
"Gut.", flüsterte ich und sah beschämt auf meine Hände. "Tut mir leid, ich glaube die Nerven gehen mit mir durch."
"Alles gut, mir geht's nicht anders."
Eine kurze Pause entstand.
"Solltest du mich nicht wecken?", fragte ich schließlich, nicht vorwurfsvoll, eigentlich nur um das Schweigen zu durchbrechen.
"Ich fand, dass dir eine Mütze Schlaf ganz gut tun würde und wenn ich dich so anschaue, glaube ich, dass es noch nicht genug war."
"Ich weiß auch nicht, irgendwie finde ich keinen Schlaf mehr, andauernd muss ich an Sunny denken."
Schü stand seufzend auf und klatschte in die Hände. "Marco, es wird Zeit, dass wir ein Schlussstrich setzen. Dass es Mario scheiße geht ist nicht zu übersehen, aber die Sache nimmt uns genauso mit. Sunny schafft es nicht mehr alleine daraus, ohne unsere Hilfe jetzt endet das hier böse."
Bei den Wort "Schlussstrich" zuckte ich unwillkürlich zusammen, ich musste an meinen Traum denken, aber dieser unterstrich Andres Worte nur noch deutlicher. Schü hatte recht, es wurde Zeit, dass wir handelten.

Tut mir leid, dass am Freitag nichts kam, ich habe es leider nicht geschafft.
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen, vielen Dank fürs Lesen und noch einen schönen Abend! 😊

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