Mario
Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht nach den Klingen zu suchen. Schon beim Betreten des Badezimmers hatte ich gesehen, dass die kleine Dose weg war und mir war klar gewesen, dass es Andre gewesen war. Ich war ihn aber nicht sauer, eigentlich war ich sehr froh darüber. Ritzen konnte keine Lösung sein. Wie jeden Morgen begann ich meinen Tag auf der Waage, später wollte Joe bestimmt die Ergebnisse wissen. Die 64kg erleichterten mich, wegen meiner Stoffwechselstörungen ging es mit den Abnehmen langsamer heran als gewollt, aber das Ergebnis war zufrieden stellend. Besser gelaunt machte ich mich fertig, wobei ich sehr darauf achtete das Verband an meinen Handgelenk zu ignorieren. Ganz sicher wollte ich mich nicht an den gestrigen Tag erinnern.
Als ich fertig war ging ich direkt in die Küche und setze mich angespannt an den Tisch. Was wenn die beiden mit mir frühstücken wollten? Wie konnte ich ihnen erklären, dass ich es nicht durfte? Ich musste hungern um wieder dünn und sportlich zu werden und so endlich meine alte Leistungen bringen zu können, aber ich war mir nicht sicher, ob die Beiden das verstanden. Schü und Marco waren von Natur aus viel dünner und schmaler gebaut als ich sie hatten nie solche Probleme.
Fieberhaft suchte ich nach einer Lösung, so dass ich gar nicht bemerkte, wie Schü den Raum betrat. "Marco kommt gleich.", verkündigte er gut gelaunt und stellte den Wasserkocher an. "Willst du auch einen Kaffee?"
"Ich nehm Wasser.", antwortete ich eilig und sprang auf um mir ein Glas zu holen.
"Wie du meinst." Andre lächelte mir persönlich ein bisschen zu freundlich, sein Blick war tätschelnd, für ein Kind gemacht, das ihn begeistert vom Weihnachtsmann erzählte. Liebevoll und tröstend zugleich. Ich wendete mich ab und starrte angestrengt aus dem Fenster.
"Seit wann ist Marco da?", fragte ich schließlich vorsichtig. Die Frage lag mir auf der Zunge seit dem ich aufgewacht war und in das leicht lächelnde Gesicht eines schlafenden Woodys geguckt hatte. Der Anblick hatte mich gleich in gute Laune gestimmt, auch wenn ich wusste wie töricht dies war. Wenn Joe Marco hier gesehen hatte wäre dies das Ende für meinen besten Freund. Mit war klar, dass ich den Kontakt mit Woody und am besten auch mit Schü abbrechen musste, damit diese Geschichte gut endete, aber ich brachte es nicht übers Herz sie ein weiteres Mal eiskalt zu ignorieren und abzuweisen. Ich brauchte sie, auch wenn ich es mir selbst nicht eingestehen wollte.
"Er ist gestern Abend noch gekommen, aber da hast du schon geschlafen."
"Okay.", murmelte ich, den Blick noch immer irgendwo im nirgendwo fixiert, so dass ich gar nicht mitbekam wie sich zwei Arme von hinten um mich schlangen. Erschrocken zuckte ich zusammen.
"Ich bin es nur, Sunny!", kicherte Marco und ließ mich wieder los. Schade.
"Kein Kaffee oder Espresso?" Verwundert begutachtete das Wasserglas in meiner Hand.
"Ne heute nicht.", antwortete ich ausweichend. "Was ist eigentlich mit dem Training?"
"Ich habe und für heute abgemeldet, wäre jetzt eh schon zu spät.", antwortete Schü und setzte sich mit seinen Kaffee am Tisch. "Der Tag gehört heute uns drei allein und ich schlage vor, wir fangen mit einen guten Frühstück an, denn ich sterbe fast vor Hunger."
Marco lachte laut und vor ein paar Wochen hätte das gereicht um mit ein zustimmen, aber jetzt war es anders. Schon das Wort Frühstück löste große Angst in mir aus, ich durfte und konnte nichts essen. Langsam bewegte ich mich zum Tisch zurück, während sich in meinen Kopf sämtliche Ausreden bildeten. Aber keine war überzeugend genug um eine Hauptmahlzeit zu überspringen.
"Alles okay, Sunny?" Marco betrachtete mich besorgt, aber irgendwie auch leicht panisch.
"Ja, klar. Ich würde dann eben den Tisch decken."
"Ne, lass ma" Woody drückte mich entschieden auf meinen Stuhl. "Heute wirst du mal richtig verwöhnt. Wir machen alles."
Gerne hätte ich protestiert, aber er warf mir einen Blick zu, der keinen Widerspruch duldete.
"Okay."
Andre sprang auf und öffnete den Kühlschrank, wo er dann wie erstarrt stehen blieb. "Mario, dein Kühlschrank ist ja fast ganz leer."
Stimmt, für die Beiden musste es ein Schock sein, schließlich waren sie seit Joes großer Ausmistaktion nicht mehr hier gewesen, ich hatte mich schon daran gewöhnt und ehrlicher Weise musste ich zugeben, es gefiel mir besser.
"Bin nicht zum Einkaufen gekommen.", flüsterte ich leise und nervös.
"Schon gut. Ich flitz kurz los und besorge etwas im nächsten Supermarkt." Andre lächelte wieder so nett, bevor er mit einen halbherzigen Tschüss die Wohnung verließ. In mir breitete sich die Panik wieder aus. Was würde Joe sagen, wenn meine Küche wieder mit Essen überfüllt wäre? Wie konnte ich mich überhaupt ablenken, wenn es wieder genug gäbe? Hier durfte kein neues Essen hinein, ich musste es irgendwie verhindern. Den Blick von meinen zitternden Händen abwendend wollte ich aufspringen als ich in Marcos blaugrünen Augen starrte. Er beobachte mich leicht lächelnd vom gegenüber liegenden Platz. Wie lange schon? Seit wann saß er da? War das Lächeln ein stilles Auslachen? Mario, ist nicht nur fett und schwabelig, nein, er bekommt es noch nicht mal hin ein Leben ohne das Ritzen zu führen, er ist ein ekliger Depp mit Narben. Ich merkte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen und versuchte sie eilig Weg zu blinzeln.
"Sunny?", fragte Marco leise und sanft, sodass ich mich lächerlicher Weise gleich geborgen und verstanden fühlte. "Wir müssen reden."Und nochmal ein großes Entschuldigung! Ich habe es wieder nicht geschafft, dies lag zu einem an den Schulstress, aber auch, weil ich mich in einen meiner Tiefs befand und Zeit brauchte um wieder heraus zu finden. Besonders vor der Weihnachtszeit, wenn die Geschäfte schon fast von den ganzen Süßigkeiten platzen, ist bei mir die Gefahr eines Rückschlages groß. Das ganze Essen widert mich leider noch immer viel zu oft an, in den Momenten ist die alte Schiene so verlockend. Deshalb brauchte ich etwas Zeit für mich, konzentrieren nicht in Versuchung zu fallen, ich hoffe ihr habt Verständnis.
Jetzt versuche ich wieder regelmäßiger zu veröffentlichen.
Liebe Grüße und eine schöne Adventszeit!
Evitomokol
DU LIEST GERADE
Geheimnis
FanficMario hat sich nach seiner Krankheit wieder richtig ins Team eingelebt, fühlt sich in Dortmund wohl und ist einfach nur glücklich. Doch dann holt ihn ein Schatten seiner Vergangenheit ein. Achtung, die Geschichte handelt von Essstörungen. Betroffene...