9. Von Kontrolle

777 36 2
                                    

Mario

Als Joe mich aus seiner Umarmung löste, packte er mich gleich an die Schultern und betrachtete mich mit kritischen Blick.
"Du hast also Stoffwechselstörungen.", sagte er leise und drehte mich leicht. Ich wagte es nicht, irgendetwas zu sagen und nickte nur kurz. "Warum erfahre ich dies nicht von dir selbst?"
Im Augenwinkel konnte ich die schadenfrohen Gesichter von Bill und Leon sehen. Die Lippen aufeinander gepresst starrte ich zum Boden.
"Mario.", sagte Joe nach einer Weile scharf. "Ich erwarte eine Antwort. Schau, was aus dir geworden ist nach deinem respektlosen Kontaktabbruch. Hätte Bill sich nicht auf der Party gesehen und einen seiner Leute hinter euch gesetzt dann wäre es wahrscheinlich schon zu spät."
"Zu spät für was?", fragte ich kaum hörbar.
"Zu spät für dich. Aber jetzt bin ich da und helfe dir." Zufrieden wendete er sich ab. "Es gibt viel zu tun. Als erstes sagst du Marco ab, oder wen du da scheinbar erwartet hast."
Gehorsam holte ich mein Handy und schrieb mit kurzen Wörtern Marco eine Nachricht, dass ich zu müde war und wir uns morgen beim Training sehen. Dann legte ich mein Smartphone schnell weg und meine ganze Aufmerksamkeit galt wieder Joe. "Gut so.", lobte er mich. "Wir haben noch viel zutun, aber heute nicht mehr. Geh jetzt ins Bett und morgen zum Frühstück besprechen wir alles."
Schnell verschwand ich ins Badezimmer und schloss die Tür hinter mir. Mir war zum Heulen zu mute. Sie waren wieder da und mit ihnen die Angst vor ihrer Kontrolle.

Im Schlafzimmer saß Leon mit einen breiten Grinsen auf den Bettende.
"Ich schau nur ob du jetzt auch schlafen gehst.", erklärte er kurz und stand auf als ich unter die Decke schlüpfte. "Es war ziemlich naiv von dir wieder nach Dortmund zu kommen und zu glauben hier sicher zu sein. Du bist Joes Versuchskaninchen, er braucht sich jetzt noch mehr als zuvor nach dem seine Schwester gestorben ist."
"Lara ist tot?", hauchte ich entsetzt.
"Selbstmord." Leon nickte mir knapp zu. "Schlaf gut, wir sehen uns morgen."
Er schaltete das Licht aus und verließ das Zimmer. Ich lauschte den leisen Stimmen auf den Flur mit abgehaltenen Atem. Lara war tot. Auch wenn wir beide nie wirklich viel miteinander zu tun hatten, war ich entsetzt und traurig. Ich fühlte mich schuldig, damals hätte ich nicht flüchten dürfen und stattdessen ihr und mir Hilfe suchen müssen. Es war egoistisch, dass ich nur an mich gedacht hatte. Das dürre Mädchen, dem immer wieder den gleichen Mut von ihrem Bruder wie ich zugesprochen wurde, hätte ebenso ein neues Umfeld gebraucht. Eine Klinik und einen Psychologen in ihrem Fall, denn schon damals war sie nicht mehr als eine leere Hülle gewesen.
Ich wischte mir die Tränen aus den Gesicht, drückte mein Gesicht ins Kissen und versuchte krampfhaft einzuschlafen. Nicht an meinen drei ehemaligen Freunden denken, die jetzt in meiner Wohnung saßen. Nicht an Lara denken, den Mädchen dass meine Hilfe gebraucht hatte. Und nicht an Marco denken, der wahrscheinlich gar nicht enttäuscht über meine Absage war und stattdessen jetzt mit John lachte.

Ein lautes Hämmern an der Tür riss mich aus den Schlaf. "Aufwachen Schwabbel, in einer Viertelstunde gibt es Frühstück.", rief Bill von draußen. Ich sprang förmlich aus den Bett und beeilte mich irgendwelche Kleidung aus den Schrank zu ziehen. Hauptsache es entsprach Joes Geschmack. Dann blieb ich kurz lauschend vor der Tür stehen und als ich mir sicher war, dass keiner davor stand, schlüpfte ich hindurch und verschwand und Badezimmer.
Pünktlich betrat ich die Küche und blieb an der Tür stehen.
"Pünktlich.", sagte Joe als Begrüßung und dirigierte mich zum Tisch. Dann stellte er mir einen kleinen Teller auf meinen Platz und wünschte mir einen guten Appetit. Ich betrachtete eher lustlos die dünne Brotscheibe. Die Anwesenheit der drei reichte aus um meinen Hunger zu zügeln.
"Was ist?", fragte Leon, der mein Zögern bemerkt hatte.
"Ich hab kein Hunger.", nuschelte ich und sah unsicher zu Joe herüber. Der grinste breit. "Vielleicht, Mario, bist du gar kein so großes Problem, wie ich zunächst dachte.", meinte er schließlich und nahm meinen Teller. "Wenn du fertig bist können wir uns zum Training aufmachen."
"Wir?"
"Denkst du, Ich lass dich nochmal einfach etwas alleine machen? Du hast unser Vertrauen missbraucht, als erstes gilt wieder strenge Kontrolle." Ich blinzelte die Tränen weg, die sich in meinen Augen gesammelt hatten, und schluckte mehrmals. Es war genau wie damals und ich hatte riesige Angst davor.

Geheimnis Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt