Kapitel 13

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Kapitel 13

Am Samstag treffe ich mich erneut mit Caprice, um mit ihr in die Stadt zu gehen. Wir bummeln durch das Marktplatzcenter und reden viel miteinander, mehr sogar als in den letzten Wochen und natürlich geht es auch immer wieder um Daniel. Caprice meint, ich solle mein Misstrauen endlich beiseite schieben, da Daniel doch ein toller Typ ist. Einen Versuch sei es allemal wert, ich hätte ja auch nicht viel zu verlieren. Dass sie so denken kann, ist ja klar. Sie hat noch nie wirklich ihr Herz verloren, sondern immer nur mit den Typen geflirtet. Aber wenn ich mich auf Daniel einlasse, dann verliere ich vielleicht mehr als nur mein Herz. In der Schule läuft es so gut wie noch nie. Ich habe endlich meine Ruhe vor allen und werde nicht mehr gemobbt. Vertraue ich Daniel ohne Einschränkung und er verschwindet dann doch wieder für immer, dann geht alles wieder von vorne los.

Allerdings gibt es keine Garantie, dass er nur als Freund für immer bleibt.

Er weiß nun schon so viel über mich, aber ich weiß wirklich gar nichts über ihn. Ich weiß nicht einmal, wo er herkommt, wo er früher gewohnt hat, ob er Geschwister hat oder seine Eltern noch leben, einfach gar nichts. Das fühlt sich seltsam an. »Erde an Dawn.« Caprice winkt mit der Hand vor meinem Gesicht herum und holt mich somit ins Hier und Jetzt zurück. »Was?« Mir ist, als wache ich gerade aus einem langen Traum auf, und ich muss erst einmal blinzeln, um mich wieder orientieren zu können. »Ich habe gefragt, ob wir noch zu mir gehen wollen. Wir können ein bisschen quatschen und eventuell einen Film gucken, mit Popcorn und allem was dazu gehört.« Ich schüttele den Kopf, denn mir ist nicht danach zumute, jetzt noch mit Caprice zu gehen. »Tut mir leid.«, sage ich und lächle sie entschuldigend an. »Ich bin irgendwie müde und muss auch noch Hausaufgaben machen. Ich will die nicht erst am Sonntag erledigen.« Cap verdreht die Augen, was mir ein Schmunzeln entlockt, als sie sagt: »Du wirst schon nicht sterben, wenn du einmal keine Hausaufgaben machst.« Nun verdrehe ich die Augen gen Himmel und fasse mir theatralisch ans Herz. »Undes wäre auch nicht dein Tod, wenn du sie gelegentlich mal machen würdest«, kontere ich und sie streckt mir die Zunge heraus, woraufhin wir beide laut loslachen.

Zu Hause setze ich mich in mein Zimmer und mache meine Hausaufgaben, es lässt mir keine Ruhe, wenn ich sie so lange vor mir her schiebe. Von Daniel habe ich noch nichts gehört, aber ich gehe auch nicht davon aus, dass von ihm noch etwas kommt. Ich bin versucht, ihm eine SMS zu schreiben, doch mir wird klar, dass es etwas wankelmütig aussehen würde, wenn ich ihn erst von mir stoße und nun bei ihm ankomme, also lasse ich es bleiben.

Das Wochenende vergeht, ohne dass ich etwas von Daniel höre, meine Laune leidet darunter, sie sinkt jeden Tag weiter Richtung Nullpunkt. Am Montagmorgen wartet nicht nur Caprice auf mich an der Kreuzung, sondern auch Daniel. Er sieht mir mit einem unglaublichem Lächeln entgegen und ich kann nicht anders, als dies zu erwidern. Wir gehen in die Schule, im Klassenraum fällt mir sofort auf, dass Robin sich mit Jerome streitet. Ich habe keine Lust, mich da hereinziehen zu lassen und gehe so schnell und unauffällig wie möglich zu meinem Platz. Daniel setzt sich neben mich, bleibt aber wachsam und angespannt, als hätte er bereits jahrelange Kampferfahrung. Ich habe das Gefühl, dass er eingreifen will, sollte die Situation es erfordern. Doch es sieht nicht aus, als sei das nötig. Robin sagt noch etwas, was Jerome die Sprache verschlägt, dann dreht er sich um und kommt direkt auf uns zu. Ich sinke automatisch tiefer in den Stuhl und mache mich so klein wie möglich, da ich einen blöden Spruch erwarte. Robin bleibt direkt vor meinem Tisch stehen und ich kann nun doch nicht anders als aufschauen. Robin sieht mich mit tiefem Schmerz in den Augen an und ich frage mich, was ihn so sehr verletzt haben könnte. Als er anfängt zu reden, bin ich sprachlos: »Dawn, kannst du mir jemals verzeihen?« Ich weiß nicht wovon er redet oder was das Ganze überhaupt werden soll, also gehe ich erst einmal davon aus, dass es ein schlechter Scherz ist, und ziehe meine Augenbrauen zusammen. »Ich weiß, was ich dir angetan habe, kann man nicht wiedergutmachen, ich war so ein Volltrottel. Ich hab mich von der Menge mitreißen lassen und keine eigene Meinung mehr gehabt, aus Angst, ebenfalls ausgeschlossen zu werden.« Mit jedem Wort, das Robin spricht, bin ich nur noch verwirrter. Doch der Schmerz in seinen Augen scheint echt zu sein. »Ich ... Ähm.« Da ich nicht weiß, was ich ihm antworten soll, schließe ich meinen Mund wieder, um wenigstens nicht auszusehen wie ein Fisch, der auf dem Trockenem nach Luft schnappt. Kann man dieses jahrelange Mobbing einfach so vergeben? Ist das möglich, wenn man so lange darunter leiden musste und täglich Angst davor hatte, zur Schule zu komen? Ich weiß es nicht und ich weiß auch nicht, ob Robin seine Worte ehrlich meint, darum bin ich nicht sicher, was ich sagen soll. Daniel springt mir bei und antwortet an meiner Stelle. »Dawn ist etwas überrumpelt, denke ich. Lass ihr ein bisschen Zeit und bittet sie dann noch einmal um Verzeihung.« So etwas in der Art hätte ich auch sagen können und ich merke, dass Daniel mit seinen Worten vollkommen Recht hat. »Du hast alle Zeit der Welt, Dawn.« Ich kann in seinen Augen erkennen, dass er es ehrlich meint, als er mich noch ein letztes Mal ansieht und auf seinen Platz zurück schleicht. Ich schaue ihm hinterher und fasse nicht, was gerade passiert ist. Dabei fange ich Caps Blick auf, die fragend die Augenbrauen hebt und ich erwidere nur ein Schulterzucken. »Er meint es wirklich ernst, weißt du?« Daniels Stimme ist ganz nah an meinem Ohr und jagt mir Schauer über den Rücken. Ich schaue ihn an und frage: »Woher weißt du das?« Er zuckt mit den Schultern und lächelt, ehe er meine Frage beantwortet: »Instinkt.« Dann geht auch schon der Unterricht los. Ich beobachte Robin den ganzen Vormittag. Er steht nicht ein einziges Mal bei Jerome und in den Pausen schleicht er um mich herum wie ein geprügelter Hund. Ob er so gut schauspielern kann? Aber Daniel ist sich vollkommen sicher, dass er es ernst meint, im Sportunterricht war Robin in meinem Team und hat mich die ganze Zeit über eingebunden. Er hat mich ganz normal behandelt, nicht wie einen Außenseiter. Vielleicht meint er es ja wirklich ernst. In der Mittagspause fasse ich mir ein Herz, atme noch einmal tief durch und gehe zu Robin, der allein auf einer Bank sitzt. Ich setze mich neben ihn und lächele ihn an, als er aufsieht. »Wenn du dich nicht mehr von Jerome durch die Gegend scheuchen lässt, können wir ja vielleicht Freunde werden.« Ich weiß noch nicht einmal, woher die Worte kommen, sie sind einfach in meinem Kopf und ich spreche sie aus. Robins Gesicht hellt sich auf, als hätte ich ihm ein großartiges Geschenk gemacht. »Das können wir ganz sicher. Danke, Dawn.« Ich lächele ihm noch einmal zu und gehe dann an meinen üblichen Platz, an dem Daniel schon auf mich wartet. Er schenkt mir ein Strahlen, das ich einfach erwidern muss, und ich setze mich neben ihm. Eine Weile schweigen wir und nach ein paar Minuten unterbricht Daniel die Stille: »Dawn. Ich möchte dir gerne etwas zeigen. Dazu müsstest du mich heute Nachmittag aber begleiten.« Ich schaue ihn an und weiß wieder einmal nicht, was ich sagen soll. Soll ich mitkommen und riskieren, dass mein Herz noch mehr involviert wird? Andererseits habe ich mein Herz schon längst an ihn verloren, auch wenn ich es mir noch nicht so ganz eingestehen will. Ich seufze und sage: »Ok, ich begleite dich. Ich habe eh nichts Besseres vor.« Daniel freut sich richtig und sein fröhliches Lachen wärmt mir das Herz. Vielleicht sollte ich wirklich alle Zweifel über Bord werfen. Teenie zu sein, ist echt nicht leicht. Ständig diese Gefühlsschwankungen und diese verrückt spielenden Hormone, die einem das Leben zur Hölle machen. Der Rest des Tages vergeht schnell und nach der Schule bringt Daniel mich wieder nach Hause, Cap biegt an der Kreuzung ab und winkt uns zum Abschied noch zu. Sie weiß von dem Treffen heute Nachmittag und freut sich für mich.

Dawns Liebe - Einmal Himmel und zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt