Prolog

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Prolog

»Bist du dir absolut sicher, dass du das tun willst, Daniel?« Gabriel sah seinen Freund eindringlich an, doch Daniel schaute nur mit einem sturen Funkeln in seinen türkisblauen Augen zurück. Die beiden standen auf einem langen Gang, der gesäumt war von alten, hohen Säulen im griechischen Stil. Der Tempel, in dem sie sich befanden, war so alt wie der zweite Himmel selbst, der nur den Erzengeln vorbehalten war. Im Gegenzug dazu war der erste Himmel alleine für Gott bestimmt.

»Daniel! Du bist der ranghöchste Erzengel. Du kannst nicht einfach so auf die Erde gehen, ohne richtig darüber nachzudenken! Du hast Pflichten hier oben!«

»Gabriel, ich muss!« Er war kurz davor, sich die rot-blonden Haare zu raufen, und rang darum, die Beherrschung über seine Hände zu behalten. »Du hast doch gesehen, was Cassiel angestellt hat! Statt sie zu schützen, hat sie ihr das Leben zur Hölle gemacht!«

»Ja, und genau das solltest du Gott mitteilen. Du bist seine rechte Hand, vor allem du solltest ihm alles sagen können!« Gabriel hatte seine Stimme erhoben, er wollte einfach nicht zulassen, dass sein bester Freund sich alles ruinierte, nur weil er im Affekt handelte. Sie alle hatten heute gesehen, was Cassiel ihrem Schützling angetan hatte. Sie waren Zeugen, geworden, wie der Schutzengel der Einsamen und Traurigen dieses junge Mädchen einfach seinem Schicksal überlassen hatte, statt ihr beizustehen. Keiner der Erzengel hieß ihr Handeln gut, sie wussten, dass sie einfach nur eifersüchtig war, was alles aber nur noch schlimmer machte. Denn niemand von ihnen sollte sich von so niederen und unreinen Gefühlen in seinem Handeln beeinflussen lassen. Dennoch sollte Daniel nicht überstürzt reagieren, es gab andere Mittel und Wege; und das versuchte Gabriel ihm klar zu machen.

Doch an Daniel war im Moment nicht heranzukommen, er hatte seinen Entschluss gefasst und war dafür bekannt, eine einmal gefasste Entscheidung nicht mehr zu überdenken. Nicht umsonst war er der Engel der Liebe, Güte, Gnade und Barmherzigkeit. Wenn er jemanden in sein Herz geschlossen hatte, würde er für ihn sterben. Und diesem schüchternen Menschenmädchen mit den braunen Haaren und grünen Augen hatte er einen festen Platz in seinem Herzen geschenkt.

»Gott kann nichts tun und das weißt du auch.« Daniel lief auf und ab, wobei sich seine drei Flügel entfalteten, was deutlich machte, wie angespannt er war. Die beiden äußeren dehnten sich nach links und rechts, während der in der Mitte wie ein Horn über seinem Kopf ragte. »Er lässt jedem seinen freien Willen und mischt sich niemals direkt ein.« Gabriel ließ seinen Freund nicht aus den Augen, er wirkte wie eine Raubkatze im Käfig, jeden Moment bereit, zum tödlichen Schlag auszuholen.

»Aber vielleicht kann er dennoch etwas tun, denk bitte noch mal darüber nach. Immerhin war es ein Engel, der seinen Pflichten nicht nachgekommen war.«

Daniel sah seinem besten Freund in die Augen und seufzte resigniert. »Ich habe nachgedacht, Gabriel, sehr gut sogar. Gott wird nichts tun können außer Cassiel eine Strafe aufzulegen und das wird ihr Leben auch nicht besser machen. Außerdem hält Azzael es auch für eine gute Idee.«

»Azzael!« Gabriel spie den Namen regelrecht aus. »Der will doch nur an deinen Posten! Er will die rechte Hand Gottes werden und wirkt auf uns schon lange nicht mehr so freundlich und zuvorkommend wie auf dich! Sobald du weg bist, wird er sich auf deinen Posten breit machen.«

»Jetzt ist aber genug!« Daniel legte bei diesen Worten alle Macht in seine Stimme, die nun zu vibrieren schien. »Wenn Azzael meinen Posten gewollt hätte, hätte er ihn sich schon längst genommen und nicht auf so eine ungewisse Gelegenheit gewartet.« Gabriel sagte eine ganze Weile nichts, sondern blickte in die Lehre. Schließlich sah er Daniel nur wortlos in die Augen und erkannte, dass diese Diskussion zwecklos war. Traurig schüttelte er den Kopf und wandte sich ab, bereit zu gehen.

»Merk dir eins: Du wirst hier oben immer einen Freund haben, ganz gleich was passieren wird.« Mit diesen Worten drehte er sich endgültig um und ging den langen Flur hinunter davon, bis ihn die scheinbare Endlosigkeit verschluckte. Daniel sah ihm hinterher, während sich leise Zweifel in ihm breitmachten. Doch ehe er genau darüber nachdenken konnte, trat Azzael an seine Seite und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Daniels Flügel falteten sich augenblicklich wieder auf seinem Rücken zusammen.

»Du tust das Richtige, mein Freund.« Daniel antwortete nichts, er hörte seinen alten Freund kaum, war er in Gedanken doch schon auf der Reise. Auf der Reise zu der einzigen Frau, die er jemals lieben würde ...


Dawns Liebe - Einmal Himmel und zurückWo Geschichten leben. Entdecke jetzt