Kapitel 21
Azzael lief in seinem Domizil auf und ab. Da schon so lange dort herum tigerte, grenzte es an ein Wunder, dass sich noch keine Rillen gebildet hatten. Azzael hatte ein Gespräch zwischen Daniel und Gabriel mitbekommen, ohne dass dieser Schwachkopf von Wächter es gemerkt hatte. Sie hatten sich über das Schwert unterhalten. Dieses eine Schwert, das dazu fähig war, einen Engel so schwer zu verletzen, dass dieser nicht mehr in der Lage war, sich selbst zu heilen. Er musste unbedingt vor den Beiden an dieses Schwert kommen. Zwar würde Azzael niemals die ganze Macht des Schwertes entfalten können, doch auch ohne diese war es stark genug, um Daniel ernsthaften Schaden zuzufügen und ihn mit etwas Glück dauerhaft zu schädigen. Azzael hatte dieses Schwert schon längst wieder vergessen gehabt, so alt war es. Er hatte nicht auch nur eine Sekunde daran gedacht, doch er wusste scheinbar noch als Einziger, wo es war. Er hatte es nur deshalb nicht schon längst geholt, weil das Schwert sich im dritten Himmel bei den Cherubim befand. Und das Letzte, was Azzael wollte, war, dass die Cherubim etwas davon mitbekamen, wenn er sich das Schwert holte, und ihn wohlmöglich noch davon abhielten. Er wusste nicht genau, wie viel die Cherubim noch von dem Schwert wussten. Das Risisko, dass sie seinen Plan vereitelten, sobald sie merkten, worauf er es abgesehen hatte, war ihm zu groß, denn dann hätten sie eine Waffe gegen ihn in der Hand und mehr als die Hälfte von ihnen hatte sich inzwischen gegen ihn entschieden. Doch in seinem Kopf entstand bereits ein Plan, mit dem er vielleicht unbemerkt an das Schwert kommen würde, dafür brauchte er nur ein wenig Glück.
Azzael verließ sein Domizil und bemerkte nicht, dass ein Schatten ihm folgte. Sein Weg führte ihn direkt in den dritten Himmel, dorthin konnte ihm der Schatten nicht folgen, da dieser nicht wusste, in welchen Himmel Azzael verschwunden war, und man sein Ziel genau vor Augen haben musste. Azzael wurde bereits von Abraxos in Empfang genommen. Azzael wusste, dass das Schwert im Konferenzraum versteckt war, beziehungsweise in einer Zwischenwelt, die man nur vom Konferenzraum aus erreichen konnte, und das auch nur dann, wenn man genau wusste, wo die Tür war. Azzael hatte dieses Wissen damals von der alten weisen Cherub erhalten, die dieses Schwert geschmiedet hatte. Hätte sie gewusst, wie die Dinge sich entwickeln würden, hätte sie sich vermutlich lieber selbst die Zunge mit einer glühenden Zange heraus gerissen. Daniel war damals dabei gewesen, als die weise Frau das Wissen mit ihnen teilte. Zu der Zeit hatte Azzael noch nicht den Schmerz des Verlustes einer geliebten Person gekannt und war seinem Weg und dem Weg des Schöpfers treu gefolgt. Er unterstützte Daniel auf seinem Posten, wo es nur ging. Mit der Zeit vergaß er das Schwert. Doch die Zeit und der Verlust von Jeliel hatten Azzael verändert. Er lebte jetzt nur noch für seine Rache an den Menschen, diesen unwürdigen Kreaturen. »Was führt euch heute zu uns?«, fragte Abraxos und unterbrach damit Azzaels trübe Gedanken. »Ich möchte eine Versammlung einberufen. Aber vorher brauche ich eine halbe Stunde Vorbereitung im Konferenzraum.« Abraxos starrte den obersten Erzengel verwirrt an. »Aber wir hatten doch gerade erst eine Versammlung.« Azzael blieb stehen und sah den Cherub aus zusammengekniffenen Augen an. »Na und?«, sagte er mit gefährlich ruhiger Stimme. »Dann gibt es heute eben eine weitere Sitzung! Oder wagst ausgerechnet du es, mir zu widersprechen« Die Macht in Azzaels Stimme ließ keinen Widerspruch zu und Abraxos verneigte sich kurz, bevor er schnellen Schrittes weiterging. Er hatte nicht die Absicht, sich mit Azzael anzulegen. Der Cherub führte Azzael in den Konferenzraum. »Sorg dafür, dass ich in der nächsten halben Stunde von niemandem gestört werde, oder du wirst dich dafür verantworten müssen!« »Jawohl«, antwortete Abraxos, dem die Angst deutlich anzusehen war. Die Tür wurde hinter Azzael geschlossen und er war sich sicher, dass er wirklich nicht gestört wurde, dazu hatte Abraxos viel zu viel Angst vor dem Erzengel. Die Erinnerung an Jeliel hatte Azzaels Wut auf die Menschen nur noch weiter gefestigt und ihn in seinem Plan bestätigt. Umso mehr wollte er nun dieses Schwert haben. Azzael machte sich sofort an die Arbeit. Der große Konferenztisch stand genau über dem Eingang in die Zwischenwelt. Doch das stellte für ihn kein Problem dar. Er hob den Tisch an und schob ihn beiseite, als würde dieser weniger wiegen als ein kleines Kind. Dann musste er sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Sinnen konzentrieren, deshalb bemerkte er erst, als seine Konzentration untergebrochen wurde, dass einer der Cherubim den Raum betreten hatte. Außer sich vor Wut schrie Azzael: »Ich habe Abraxos gesagt, dass mich niemand, aber auch wirklich niemand stören soll!« Nackte Angst stand dem Störenfried ins Gesicht geschrieben und er brachte nur ein Stammeln hervor. »Ver ... Verzeihung. I ... Ich ... habe von ... Nikita den Befehl erhalten ... e ... euch ...« Weiter kam der junge Cherub, der noch nicht lange zu leben schien, nicht. Sein wellenartiges Haar und sein löwenähnliches Gesicht, zitterten vor Angst. Azzael hob seine Hand, sein schwarzes Schwert erschien und innerhalb einer Sekunde hatte er den Raum durchquert und dem Cherub den Kopf abgeschlagen. Dann warf er den Körper mit dem Kopf hinaus. Dies war die einzige Möglichkeit, einen Cherub zu töten. Vor der Tür standen zwei Wachen, die den Erzengel anstarrten, als würde das grässlichste Monster der Welt vor ihnen stehen. »Jedem, der mich in der nächsten halben Stunde stört, wiederfährt das gleiche Schicksal!«, brüllte Azzael, dessen Wut immer noch nicht verraucht war. Die beiden Wachen nickten zitternd, während Azzaels von einer wahnsinnigen Aura umgeben war, die den Raum erfüllte. Er schloss die Tür hinter sich, ging wieder an seinen Platz und konzentrierte sich erneut. Nach einigen Minuten hatte er einen tranceartigen Zustand erreicht. Im Boden vor ihm öffnete sich ein Loch, der Eingang zur Zwischenwelt. Nun hatte er nur noch ein Problem: Würde er ganz in die Zwischenwelt gehen, wüsste er nicht, wo er wieder herauskam. Er musste also hoffen, dass er das Schwert mit der Hand erreichen konnte, ohne sich ganz in den Zwischenraum begeben zu müssen. Azzael legte sich auf den Boden und stocherte mit der Hand im Dunklen. Es behagte ihm ganz und gar nicht, so dicht an der Erde zu sein, und zuerst sah es auch so aus, als ob er nichts finden würde, doch als er sich mit dem Oberkörper tiefer beugte, ertasteten seine Finger etwas. Er musste sich noch ein Stück weiter hinunterlassen, um es umfassen zu können, doch sobald er es hatte, zog er sich zurück und in seiner Hand hielt er ein Schwert. Es war wunderschön, das musste selbst er zugeben, der sonst nie einen Blick für das Schöne hatte, zumindest nicht mehr, seit seine Liebste gestorben war. Der Knauf am Ende des Schwertes bestand aus einem weißen Kristall, den es auf der Erde nicht gab, während das Heft mit vielen Ranken und Blättern verschnörkelt war und die Parierstange aus zwei detaillierten Schwingen bestand, die aussahen, als hätte das Schwert sie ausgebreitet, um mit ihnen davon zu fliegen. Auch die Klinge war alles andere als gewöhnlich, sie war nicht glatt, sondern hatte knapp hinter der Parierstange einige Ausbuchtungen, die auf beiden Seiten unterschiedlich groß waren. Dadurch bekam das Schwert eine asymmetrische Form. Dann war die Klinge ein ganzes Ende lang glatt und symmetrisch, bevor sie auf unterschiedlichen Höhen wieder eine Ausbuchtung aufwies und in einer scharfen Spitze endete. Trotz der vielen Verschnörkelungen und Details lag das Schwert weich in der Hand, als würde es sich der Hand des jeweiligen Nutzers anpassen, und war perfekt ausbalanciert.
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Dawns Liebe - Einmal Himmel und zurück
FantasyDawn ist eine Einzelgängerin wie sie im Buche steht, sie hat nur eine Einzige Freundin, Caprice. Alle anderen meiden sie wie die Pest. Mit ihren siebzehn Jahren, hat sie sich bereits an dieses Leben gewöhnt und ihr dickes Fell hilft ihr, diesen Allt...