Manu seufzte erleichtert auf, als er den vertrauten Raum betrat. Das vorletzte Zimmer im ersten Stock war nun schon das dritte Jahr in Folge das seine und er liebte den Blick auf den Schulhof und das kleine Städtchen, von dem nur wenige hundert Meter entfernt das Internat lag.
Er streifte seinen Rucksack ab und ließ ihn auf seine Matratze fallen, den Koffer schob er bloß vor den Schrank. Seine Kehle fühlte sich für einen Moment wie zugeschnürt an, als sein Blick auf das zweite Bett fiel. Maurices Bett.
Dado hatte ihn damals, als er in der siebten Klasse aufs Internat gekommen war, sofort freundlich empfangen und schon als sie sich kennen gelernt hatten, hatte Manu gemerkt, dass Maurice jemand war, den man einfach gern haben musste. Inzwischen waren sie seit zwei Jahren beste Freunde und Dado war es auch gewesen, der als erstes angefangen hatte, ihn »Manu« zu nennen. Er hatte gefunden, dass »Manuel« zu unpersönlich klang, viel zu distanziert für jemanden, mit dem man befreundet war. Im Gegenzug war irgendwann bei einer Alberei der Spitzname »Dado« entstanden. Allerdings war Manu, zu Maurices Erleichterung, der Einzige geblieben, der ihn so nannte, wohingegen der Dunkelhaarige inzwischen sogar von den Lehrern nicht mehr bei seinem vollen Namen gerufen wurde. Und wenn er ehrlich war, gefiel ihm »Manu« eh viel besser als »Manuel«. Dass er nur noch Zuhause, von seinen Brüdern und seinen Eltern so genannt wurde, verstärkte das nur noch ein Mal.
Seine drei älteren Brüder waren damals auch der Hauptgrund gewesen, warum Manu so unbedingt weg von Zuhause, aufs Internat gewollt hatte. Seitdem seine Schwester, die Älteste der fünf Geschwister, ausgezogen war, hatte er es dort kaum mehr ertragen.
Sebastian stritt sich fast jeden Tag mit seinem und Manus Vater und nahm es seinen älteren Halbbrüdern jedes Mal übel, wenn diese sich auf dessen Seite stellten, obwohl sie nicht einmal blutsverwandt waren. Während Sebastian sich also andauernd mit Peter und Tobi in den Haaren lag und alle drei sichtlich gerne miteinander stritten und zankten, hatte Manu immer nur seinen Frieden haben wollen, in keine Streits verwickelt werden. Ausgerechnet auf ihn als Nesthäkchen, als Jüngsten von fünf Geschwistern schienen seine Brüder es aber am meisten abgesehen zu haben. Selten waren sie sich so einig, wie wenn sie auf ihrem jüngsten Bruder herumhackten und ihn ärgerten.
Es hatte wirklich lange gedauert, seine Eltern zu überreden, ihn aufs Internat zu lassen, aber schließlich hatten sie nachgegeben und Manu war hier her gekommen, in der Hoffnung, endlich ein wenig Ruhe und Frieden zu finden. Ruhe hatte er tatsächlich auch größtenteils bekommen und einen besten Freund noch dazu. Er war zwar nicht sonderlich beliebt in der Klasse, mehr so der Außenseiter, über den sich ab und zu lustig gemacht wurde, wenn gerade nichts Spannenderes passierte, aber das war dennoch besser als Zuhause, wo drei ältere Jungen es auf ihn abgesehen hatten. Dass Maurice jetzt erst einmal nicht mehr hier sein würde, jemand anderes das Bett des blonden Lockenkopfs bekommen würde, vermieste Manu den Start in das neue Schuljahr allerdings gewaltig. Nicht dass er sich nicht auch so schon mehr als genug Sorgen um seinen besten Freund gemacht hätte, aber die Aussicht, statt ihm nun jemand komplett Fremdes mit ins Zimmer zu bekommen, machte es nur noch schlimmer.
Maurice hatte schon lange Probleme gehabt. Manu als sein bester Freund hatte das natürlich mitbekommen und sein Bestes getan, um ihm zu helfen. Er hatte immer wieder auf ihn eingeredet, mehr zu essen, ihn fast schon angefleht, doch nicht so zu hungern und manchmal sogar Erfolg gehabt. Diesen Sommer hatte er ihn endlich überreden können, sich Hilfe zu suchen und jetzt hoffte er, dass es seinem besten Freund wenigstens dadurch besser gehen würde.
Anfang der Sommerferien war er für zwei Wochen bei Maurice zu Besuch gewesen – das erste Mal, dass er sein Elternhaus gesehen hatte – und nach nächtelangen Gesprächen hatte er schließlich Erfolg gehabt. Er war dabeigewesen, als Dado das erste Mal zu einem Psychologen gegangen war, hatte durch die angelehnte Tür seines Zimmers gelauscht, wie er seinen Eltern seine Krankheit gestanden hatte und war für ihn dagewesen, nachdem der Entschluss gefallen war, dass er statt zurück aufs Internat Anfang des neuen Schuljahres in die Klinik gehen würde.
Maudados Eltern schienen seitdem nicht mehr allzu gut auf Manu zu sprechen zu sein – sie gaben ihm in gewisser Weise die Schuld an der Verfassung ihres Sohnes. Schließlich war diese ganze Sache ja erst aufgekommen, als er bei ihnen war. Dass Manu es gewesen war, der seit Ewigkeiten jeden Tag auf Dado einredete, damit er ein paar Bissen aß, der immer wieder für ihn da war, wenn er sich wieder so beschissen fühlte und der der einzige Grund gewesen war, warum Maurice nicht sofort jeden Bissen wieder ausgespuckt hatte – er wollte Manu nicht enttäuschen – das sahen sie nicht.
Im Umkehrschluss war Dado auch der Einzige gewesen, den Manu so wirklich an sich herangelassen hatte. Normalerweise war er eher der schweigsame Typ – Maurice gegenüber war das anders gewesen. Die beiden hatten tage- und nächtelang reden können, sein bester Freund hatte alles über ihn erfahren und andersherum war es genauso gewesen.
Dado war der Einzige gewesen, dem Manu von seiner Sexualität erzählt hatte - viel mehr noch, hatte er ihm geholfen, sich derer sicher zu werden. Sie hatten sich das ein oder andere Mal geküsst und auch, wenn Dado eigentlich hetero war, hatte er ihm immer versichert, dass ihn das nicht störte. Schließlich war Manu sein bester Freund. Und trotzdem - auch, wenn sie sich geküsst hatten und das ein oder andere Mal im selben Bett geschlafen hatten, war es für beide nie mehr als diese gute Freundschaft gewesen. Manu war sich bewusst, dass Dado nicht auf Jungs stand und ihm selbst hatte diese Nähe zu seinem besten Freund zwar geholfen, sich klar zu werden, dass er die Nähe zu anderen Jungen grundsätzlich schätzte und es das war, was er wollte, Maurice zu lieben war aber auch für ihn nie in Frage gekommen. Nicht auf diese Art.
Egal, wer nun Maurice' Bett bekommen würde – er würde also nicht auch nur annähernd ein Ersatz für Dado sein können. Aber so oder so – auch wenn Manu die ständige Anwesenheit vollkommener Fremder eigentlich nicht sonderlich schätzte, es würde schon erträglich werden.
Kurz zog Manu in Erwägung, seinen Koffer auszupacken, entschied sich dann jedoch dagegen und ließ sich stattdessen auf sein Bett sinken, zog die Kopfhöhrer über die Ohren und schloss die Augen.
So driftete er schnell in seine Gedanken ab, dachte über alles mögliche nach, die Sommerferien und das neue Schuljahr, die letzten Wochen Zuhause, nach denen er froh war, wieder hier sein zu können – seine Brüder hatten ihm als Andenken an die letzten Tage Zuhause auf jeden Fall ein paar blaue Flecken mitgegeben. Manu wusste, dass sie ihm eigentlich wohl meistens nicht wirklich weh tun wollten – es passierte einfach, keiner von ihnen waren die Empfindlichkeit ihres jüngsten Bruders so richtig gewöhnt. Vielleicht war Manu auch einfach zimperlich, was das anging.
Durch die Musik und seine geschlossenen Augen bemerkte Manu nicht sofort, als die Zimmertür sich öffnete, schreckte erst hoch, als ein leuteres Klopfen am Türrahmen den Takt auf seinen Ohren durchbrach und sah dort einen größeren Jungen stehen, der neugierig das Zimmer und seinen Bewohner musterte. Frau Kleber vom Sekretariat stand hinter ihm, deutete auf den Raum vor ihr.
»Dein Zimmer. Manu, dein Zimmergenosse und Klassenkamerad. Manu, das ist dein neuer Mitbewohner, Patrick.«
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Hayho, Leute!
Ja, das hier wird genau das, nach dem es aussieht. Eine Mobber-Opfer-Internats-Kürbistumor-Fanfiktion, die allen Klischees entspricht. Wer das nicht lesen will, muss es nicht tun.
Mein Ziel allerdings ist es, zu beweisen, dass eine Geschichte, nur weil sie klischeehaft ist, nicht unbedingt uneinfallsreich oder qualitativ schlecht sein muss!
Wer sich also darauf einlassen will: Herzlich willkommen. Hier wird es regelmäßige Updates geben.
Liebe Grüße, minnicat3
(Entstanden im Zuge des #NaNoWriMo)
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Was sich liebt ... ~ #Kürbistumor
FanfictionEigentlich war Manus Leben immer ganz okay, seitdem er auf dem Internat war. Er hatte einen besten Freund, keine Probleme in der Schule, war zwar nicht unbedingt beliebt, aber es war okay - bis Palle kam. Palle, der ausgerechnet nach Dados Verschwin...