Abends hatte Manu eigentlich wach bleiben wollen - er traute diesem vermeintlichen Frieden nicht - aber als um halb eins immer noch keine Spur von Patrick zu sehen gewesen war, war es ihm zu dumm geworden.
Als dieser schließlich ins Zimmer getorkelt kam und Manus unruhigen, fast schon lauernden Schlaf dadurch unterbrach, war es halb vier und er merklich betrunken.
Manu setzte sich zögerlich auf, es war ihm dieses Mal sogar egal, dass man die blauen Flecken, die seinen nackten Oberkörper zierten, würde sehen können. Patrick wusste ohnehin um ihrer Existenz, schließlich hatte er sie zu verantworten. Der aber verschwand sofort im Bad und blieb erst, als er wenige Minuten später zurückgekommen war, irritiert in der Zimmermitte stehen.
Manu wich instinktiv ein Stück zurück, als er anstatt einfach schlafen zu gehen, auf ihn zu kam und direkt vor seinem Bett stehen blieb. Irgendwie verloren wirkte er so.
Anstatt aber ihn zu schlagen oder zu beleidigen, musterte Patrick ihn nur merkwürdig, legte irgendwann den Kopf schief und lachte leise. Es war ein ruhiges, alkohol-getränktes, aber ausnahmsweise nicht bösartiges Lachen.
»Weißt du was?«, Palle lallte beim Sprechen ein kleines Bisschen, »eigentlich bist du gar nicht mal so hässlich.« Irritiert zog Manu bloß die Augen hoch. Was war mit Patrick passiert? War das wirklich nur der Alkohol? Normalerweise hatte der ihn bloß immer noch ... aggressiver gemacht. »Bloß ...«, der Größere runzelte die Stirn, »du solltest Mal zum Friseur.«
Manu verspürte irgendwie das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, also griff er nach seinem Handy, das auf dem Nachttisch lag, und öffnete die Notizen, wo er eine einfache Antwort eintippte.
Ich mag meine Haare.
Palle schien nicht mehr wirklich antworten zu wollen oder schlichtweg keine Erwiderung darauf zu wissen. Er zuckte bloß mit den Schultern. »Du bist merkwürdig. Warum sprichst du eigentlich auf ein Mal nicht mehr?«
Er bekam keine Antwort, was ihn selbst aber nicht ein Mal verwundern zu schien. Stattdessen hatte er bereits ein neues Thema gefunden. Er kam noch näher auf seinen Mitbewohner zu, setzte sich sogar zu ihm auf die Bettkante. Normalerweise hätte Manu wahrscheinlich jetzt schon vor Panik keine Luft mehr gekriegt, aber gerade war es anders. Irgendwie wirkte Palle momentan nicht so angsteinflößend, wie sonst.
»Tut das weh?«
Er deutete auf Manus Brustkorb, wo die verfärbe Haut sich über seine Knochen und spannte - nicht krankhaft mager, aber doch so, dass es irgendwie auffiel.
Manu wusste selbst nicht, warum er das tat, als er wortlos nickte. Warum entblößte er sich so?
»Das war ich, oder?«
Wieder ein Nicken.
»Warum bist du auch so ein homophober Arsch? Also ... normalerweise?«
Vielleicht war das Manus Chance, dass alles etwas besser werden würde. Nur ein kleines bisschen, vielleicht. Also erneut das Handy mit den Notizen.
Ich bin nicht homophob.
Trocken lachte Palle auf.
»Stimmt. Ich beleidige auch immer Leute als Schwuchtel, ohne homophob zu sein.«
Irgendwie konnte Manu ihm nicht einmal verdenken, dass er ihm das nicht abkaufte. Er wusste, dass er es ihm auch würde beweisen können, aber ... irgendwie war ihm diese Erinnerung zu heilig, um sie ausgerechnet mit Palle zu teilen. Also nicht zeigen, bloß erzählen. Das musste reichen.
Ich hab selbst schon Jungs geküsst.
Manu zögerte, war kurz davor, die Worte doch wieder zu löschen, doch schon hatte Patrick ihm das Handy einfach aus der Hand genommen und starrte nun regungslos auf den Bildschirm, während Manu nervös auf irgendeine Reaktion wartete.
»Als ob.«
Manu nickte bloß.
»Niemals.«
Doch. Manu nickte erneut.
»Wissen die Anderen davon?«
Schulterzucken. Dann wieder das Handy.
Es gab Gerüchte. Ein paar haben es auch gesehen.
»Warum hat dann nie jemand etwas gesagt, wenn ich über dich als homofeindlich bezeichnet habe?«
Glaubst du wirklich, die waren schon immer zu allen so offen, wie zu dir? Wenn du ankommst und Jungs liebst interessiert das keinen. Aber als ich einen geküsst habe, war das in aller Munde. Wenn du homophobe Idioten suchst, solltest du dich wo anders umsehen, als bei mir.
»Was ist passiert?«
Manu wusste selbst nicht, warum er Patrick das auf ein Mal alles erzählte. Vielleicht war es einfach die Einsamkeit, die ihn sich an jeden Hoffnungsschimmer klammern ließ, an jede Person, die sich für ihn interessierte, die ihm zuhörte - und selbst wenn diese Person Patrick war. Vielleicht wollte er auch verstanden werden - ausgerechnet von seinem ärgsten Feind. Aber der Palle, der hier so friedlich mit ihm auf dem Bett saß, das war nicht der selbe Patrick wie der, der ihn täglich verletzte. Aber vielleicht würde er irgendeinen positiven Einfluss auf den anderen Patrick (den echten Patrick?) haben.
Es gab eben Gerüchte ... und das hat gereicht für homophobe Sprüche und ... andauernd Andeutungen.
»Und bist du ...«, er brach ab.
schwul?
Patrick nickte fragend.
Ich habe ihn nicht geliebt, nein. Also nicht ... so. Wir haben uns geküsst, aber er war nicht mein Freund oder so.
Irgendetwas hinderte ihn daran, es einfach zuzugeben.
»Und warum haben sie ... warum waren sie zu dir so und zu mir nicht?«
Weil du DU bist und ich ICH?
Nachdenklich starrte Patrick auf seine Hände.
»Hast du Angst?«
Vor was?
»Keine Ahnung. Vor mir?«
Ich habe Angst, dass du dafür sorgst, dass es wieder los geht. Dass sie wieder ... mich damit verletzen wollen und mich ... anfassen.
Noch bevor er die letzten Worte wieder löschen konnte, hatte Patrick sie gesehen.
»Anfassen?«
Egal.
»Nein.«
Doch.
»Sag jetzt. Ich kriegs eh raus.«
Nachdem die Gerüchte aufgekommen sind ... Es war ähnlich wie bei dir. Ich wurde irgendwo abgefangen und sie haben mich angefasst, am Hintern und ... vorne. Es war ekelhaft, sie waren so ekelhaft dabei und ... meinten, sie würden mich so anmachen können.
»Also eigentlich wie ich es auch immer getan habe.«
Nicht ganz. Sie wollten sich damit über mich lustig machen und mich bloßstellen, du wolltest mich dazu zwingen, einzusehen, dass es nichts schlimmes ist.
Außerdem hat es mich bei dir nie angeekelt. In Panik versetzt, seit dem ... Vorfall, ja. Aber nie Ekel vor dir oder deinen Berührungen selbst, bloß vor den Erinnerungen.
Aber das sprach er nicht aus.
~~~~~~~~~
Hayho.
Ja, heute gleich noch ein neues Kapitel, das gestern Nacht entstanden ist. Was sagt ihr dazu? Warum erzählt Manu Patrick all das? Und wird er es bereuen, so ehrlich gewesen zu sein?
Feedback?
Neue Charakterfragen?
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Patrick:
Wie sieht Manu deiner Meinung nach aus, wenn er schläft?
»Keine Ahnung, wie ein normaler Mensch eben? Er schläft immer unter tausend Decken vergraben.«
Woher kommt den der plötzliche Sinneswandel von dir?
»Wieso Sinneswandel? Weil ich ihn ein Mal habe schlafen lassen?«
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Was sich liebt ... ~ #Kürbistumor
FanfictionEigentlich war Manus Leben immer ganz okay, seitdem er auf dem Internat war. Er hatte einen besten Freund, keine Probleme in der Schule, war zwar nicht unbedingt beliebt, aber es war okay - bis Palle kam. Palle, der ausgerechnet nach Dados Verschwin...