45. Freundschaft

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»Eigentlich krass, dass wir nicht krank im Bett liegen, oder?«

Manu zerteilte vorsichtig den Käse auf seiner noch warmen Pizza und nickte, bevor er sich das erste Stück in den Mund schob. Er kaute, schluckte und setzte dann zu einer Antwort an:

»Bist du gar nicht erkältet?«

Patrick schüttete bloß den Kopf – den Mund ebenfalls voll mit Pizza.

»Ich hab die letzten Tage ein kleines Bisschen gekränkelt. Kratziger Hals und so. Aber ansonsten – eigentlich voll gut dafür.«

Wieder nickte Patrick zustimmend und sie gingen dazu über, ihre Pizzen in stummer Übereinkunft wortlos zu verzehren. Pizza war einfach zu gut, um sie mit Gesprächen zu verunstalten. Selbst wenn das hier ein Date war. Da schienen sie zum Glück ziemlich der gleichen Meinung zu sein. Immer wieder trafen sich ihre Blicke und immer wieder grinsten sie sich an.

Erst als nur noch zwei Stück von Manus Pizza übrig waren, setzte er wieder zum Reden an:

»Was hast du den Anderen eigentlich gesagt, wo du bist?«

Patrick zog überrascht die Augenbrauen hoch und verschaffte sich etwas Zeit, indem er seine Pizza erst sorgfältig kaute und schluckte, bevor er antwortete:

»Dass wir in der Stadt sind.«

»Aber nicht, dass. Also mit dem ... Date?«

Zurück war wieder Manus gewohnte Unsicherheit.

»Nein. Ich wusste nicht, ob du das wollen würdest. Ich will dich nicht vor den Anderen outen, wenn du das nicht willst.«

Manu seufzte, friemelte an einem seiner übrig gelassenen Pizzarändern herum.

»Nein. Also ... ja. Ja, ich glaube, dass es besser ist, wenn sie es nicht wissen. Danke.«

Patrick seufzte, nickte aber. Manu konnte ihm jedoch förmlich ansehen, dass ihm etwas auf dem Herzen lag und wartete geduldig, bis er es auch tatsächlich aussprach.

»Manuel, ich ...«, er zögerte, schloss die Augen und schüttelte dann den Kopf. »Egal, vergiss es. Ich würde mich freuen, wenn wir das Mal wiederholen könnten. Also ... irgendetwas zusammen machen. In die Stadt oder so. Als Freunde«

Im ersten Moment machte Manus Herz einen kleinen Hüpfer. Palle war wirklich süß, wie lieb er so etwas sagen konnte. Dann aber wurde ihm dieses eine kleine Detail bewusst. »Als Freunde«. Hatte Patrick hier gemerkt, dass er vielleicht doch nichts von ihm wollte? Oder ... hatte Manu etwas überinterpretiert? Klar, das hier war ein Date ... zumindest war es das gewesen. War es das auch immer noch? Oder waren sie inzwischen auf einer Verabredung unter Freunden? Sofort begann die Unsicherheit, an Manu zu nagen. Und trotzdem zwang er sich, zu nicken.

So oder so - er mochte Palle, er fand ihn toll, als Menschen, auch wenn er das nie gedacht hätte. Und das war Grund genug, um sich mit ihm treffen zu wollen – in welcher Form auch immer. Und wenn Patrick eben nur Freundschaft wollte – vielleicht war es noch nicht zu spät, um dieses Verliebtsein noch abwenden zu können. Auch wenn Manus Unterbewusstsein ihm sagte, dass er da bereits viel zu sehr drin steckte.

*

»Es ist schön hier.«

Manu nickte bloß und genoss die nächtliche Stadt, deren Lichter das Dunkle um sie erleuchtete.

Nachdem sie noch einige Zeit in der Pizzeria sitzen geblieben waren, hatten sie irgendwann los müssen – um nun in Ruhe zur Bushaltestelle gehen zu können und ohne Eile zum Internat zurückzufahren. Sie hatten sich eine Weile lang unterhalten, über alles mögliche und mehr, und irgendwann einfach nur geschwiegen. Ein schönes, ruhiges und fast andächtiges Schweigen. Am liebsten hätte Manu nach Patricks Hand gegriffen – traute sich nach dessen Freundschafts-Nummer vorhin beim Essen aber nicht mehr. Und Patrick machte auch keine Anstalten in diese Richtung.

Also gingen sie bloß nebeneinander her und Manu genoss die Anwesenheit und Nähe seines neuen irgendwie-auf-jeden-Fall-schon-Freundes. Wenn Patrick nichts wollte, was über Freundschaft hinausging - dann musste Manu das akzeptieren. Noch war es nicht zu spät dafür, auch wenn es irgendwo ein kleines Bisschen weh tat.

»Ich fands schön heute.«

Patrick sah ein wenig überrascht zu Manu.

»Schon? Ich hätte gedacht ... also vielleicht wollen wir uns noch eine Weile im Internat irgendwo hinsetzen oder so?«

Sofort und ohne zu überlegen stimmte Manu zu. So oder so – der Abend war zu schön, um hier schon zu enden.

»Manuel?«

Sie waren inzwischen an der Bushaltestelle angekommen, wo sonst zum Glück niemand war und saßen nun, dicht beisammen in der eisigen Kälte, auf der Bank und warteten auf ihren Bus. Manu sah fragend zu Palle.

»Du hast ja erzählt, dass du ... vier Geschwister hast. Wie ist das Zuhause? Also als du Zuhause gewohnt hast und ... als Kind?«

Manu grinste stumm, sah zu Boden. Anscheinend war Patrick genauso neugierig auf Manus Privatleben, außerhalb des Internats, wie er selbst auch.

»Es war immer chaotisch und laut und voll. Wir waren selten nur zu sechst beim Essen, meine Eltern und Geschwister, sondern meistens war immer irgendein Freund oder eine Freundin meiner Brüder oder meiner Schwester zu Besuch. Aber ... man gewöhnt sich an das Chaos. Ich war schon immer der Ruhigste und meine Brüder waren da halt so ganz anders. Meine Schwester war mir ähnlicher, aber zwischen uns lag so viel Altersunterschied, dass das wenig geholfen hat. Sie ist Zuhause ausgezogen als ich Fünf war. Damals hab ich mich aber nicht beschwert, ich hab dann ihr Zimmer bekommen und musste mir keins mehr mit Tobi teilen. Naja, keine Ahnung. Es war zwar schon anstrengend ... aber ich könnte es mir nicht anders vorstellen. Und auch heute noch ... selbst wenn meine Brüder der Grund sind, warum ich hier auf dem Internat bin - ich bin froh, dass alles so ist, wie es ist.«

Manu versuchte ein schwaches Lächeln, das Patrick sofort aufgriff und wiedergab. Und in Manus Kopf spukte dieser Gedanke, dass er dadurch schließlich nun hier gelandet war, wo er war. Mit Patrick zusammen in der Stadt, bei einem Date, dass sich nicht wirklich wie eines einfühlte und doch nahezu perfekt war. Und dieser Gedanke brachte ihn zum Lächeln.

Egal, was Palle für ihn sein würde und was er für Palle sein würde – es würde gut werden.


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Definitiv nicht mein Lieblingskapitel.

Ich weiß, wo ich hin will, aber ich weiß gerade noch nicht so ganz, wie ich dort hinkommen soll. Naja, es ist okay denke ich :)

Liebe Grüße!

Was sich liebt ... ~ #KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt