4. Gewalt

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»Hey, Maurice.«

»Manu! Hi!«

Stumm lächelte Manu ins Telefon. Dado klang, als würde er sich wirklich freuen, ihn zu hören.

»Wie gehts dir?«

Für einen kurzen Moment war Stille und Manu hätte wetten können, dass sein bester Freund eben mit den Schultern gezuckt hatte.

»Besser, denk ich. Es fühlt sich nicht so an, aber ... mein Arzt meint, ich würde Fortschritte machen.«

»Das ist doch gut, oder?«

»Ich denke schon.«

»Weißt du schon ... wann du wieder zurückkommst?«

Maurice seufzte am anderen Ende der Leitung.

»Nein, keine Ahnung. Dauert auf jeden Fall noch wahrscheinlich. Ich glaub, ich bin langsamer, als sie erwartet haben.«

Manu musste schlucken. Natürlich war es unfair, so egoistisch zu sein, aber er hätte seinen besten Freund gerade verdammt dringend hier, bei ihm, gebraucht.

»Ist ja nicht schlimm. Solange es dir danach besser geht. Oder?«

Wieder Schweigen am Ende der Leitung, ein zustimmendes Brummen. Dann wechselte Dado das Thema.

»Wie läuft es mit Patrick? Ist er immer noch so ein Arsch?«

Manu sah auf, betrachtete stumm im Spiegel sein geschwollenes Auge. Es war das erste Mal gewesen, dass jemand - abgesehen von seinen Brüdern – ihm gegenüber wirklich handgreiflich geworden war. Und dass dieser Jemand ausgerechnet sein Zimmergenosse war, trug natürlich nicht gerade dazu bei, dass Manu sich sonderlich sicher fühlte.

»Nein. Es geht schon. Es ist okay, würde ich sagen.«

Dado hatte es nicht verdient, neben seinen eigenen Problemen auch noch Manus mit tragen zu müssen.

»Sicher?«

»Ja. Er pöbelt manchmal rum, rammt mich beim Training und so. Aber nichts, was sich nicht aushalten ließe.«

»Irgendwann wird ihm der Spaß daran vergehen.«

Manu nickte, auch wenn Dado es nicht sehen konnte und er selbst nicht daran glaubte.

»Ja, ganz bestimmt.«

»Du weißt, dass du mir jederzeit erzählen kannst, wenn etwas ist? Und wenn es schlimmer wird – red mit den Lehrern.«

Manu brummte bloß. Es war ihm unangenehm, Maurice so zu belügen.

»Gut. Wollen wir über etwas Schöneres reden?«

»Auf jeden Fall.«

*

Sie telefonierten die ganze halbe Stunde lang, in der Maurice sein Handy hatte, redeten über Gott und die Welt, aber vermieden gezielt jedes Thema, das einen von ihnen wieder runterziehen könnte. Als Patrick das Zimmer betrat, sah Manu nur kurz auf, tat dann aber, als habe er nichts bemerkt, drehte sich zur Wand um und telefonierte weiter. Patrick blieb still, sagte kein Wort und erst, als Manu aufgelegt hatte und sich erneut in seinem Bett aufsetzte, erhob er sich vom Bett und baute sich vor dem Kleineren auf. Manu spürte den harten Griff, der ihn festhielt und zwang, sich Patrick hinzudrehen, spürte seinen brennenden Blick auf seinem geschwollenen Auge.

»Wehe, du verrätst irgendjemandem, dass das von mir ist.«

Kurz hielt Manu nur die Luft an, dann schüttelte er den Kopf. Er wollte sich nicht von Patrick einschüchtern lassen, aber er war der Stärkere, er hatte ihn in seiner Gewalt.

Was sich liebt ... ~ #KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt