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Montagmorgen um Punkt zehn nach acht, zehn volle Minuten nach Unterrichtsbeginn, klopft Märyn an die Klassenzimmertür und öffnet diese. Dass sie den Mathematikvortrag einer Schülerin unterbricht, stört sie reichlich wenig.

„Schön sie auch mal wieder zu sehen. Bitte setzen Sie sich auf ihren Platz, damit wir ungestört fortfahren können."

Je länger die Schulzeit geht, desto grimmiger und strenger wird der einst gechillte Lehrer. Nicht nur sie sieht es so, so ergeht es allen und legen deshalb den Enthusiasmus des Auftauchens des bisherigen lockeren Referendars ab. Aber immer noch gehört diese Lehrperson zu den Favoriten in der Schule, weil der Unterricht bei dem Herrn einmalig ist.

Bei einer dummen Antwort zieht er sich wie ein Embryo zusammen und nuschelt 'Ich will nicht mehr'.

Märyn setzt sich schnell auf ihren freien Platz neben Arnim hin, hält ihren Mund geschlossen und lässt ihren Rucksack auf den Boden fallen.

„Können wir mit dem Unterricht weitermachen, Miss Mitra?", fragt die erwachsene Person im Raum, kriegt jedoch keine Antwort. Darauf wird er leicht säuerlich.

„Können Sie, wenn sie mir schon keine Antwort geben können, liebenswürdigerweise ein Blatt Papier und einen Schreibstift herausholen und sich Notizen machen? Das alles kommt in der Klausur dran."

Schlecht gelaunt kramt sie anscheinend in ihren Rucksack rum, wobei sie den Jungen neben sich anstupst.

„Was ist los?"

„Hast du mal 'nen Stift und Papier?", flüstert sie zu ihm, ohne ihn anzuschauen. Er legt sofort einen Bleistift und ein Blatt zum Schreiben auf die Tischfläche neben sich, notiert sich aber die Informationen aus dem Vortrag.

„Danke Arnim."

Sie lässt den Rucksack auf den Boden leise sinken, legt beide Hände auf den Tisch und versucht mit der Gipshand zu schreiben. Ihm fällt es erst jetzt auf, dass sie eine verletzte Hand hat und fühlt sich auf der Stelle besorgt.

„Psst."

Arnim tippst sie am Arm. Sie dreht sich leicht zu ihm, wirkt dabei gelangweilt und doch hat sie Schmerzen.

„Was?"

„Ist die Hand von Donnerstag? Die, die du an die Wand geschlagen hast?"

Ihre Augen verdreht sie, blickt danach auf den Gips, der mit einer blauen Binde fixiert ist.

„Ist halb so schlimm."

„Halb so schlimm? Deine Hand ist in Gips, du kannst damit nicht schreiben", mault er leise, weckt aber die Aufmerksamkeit des Lehrers.

„Bitte Ruhe, sonst dürft ihr länger bleiben."

Stille, bis auf die Geräusche der schreibenden Stifte, erfüllt den Raum. Märyn tut sich sichtlich schwer mit dem Schreiben, der Stift wird mal mit den Fingern der linken Hand, mal mit denen der vorderen rechten Fingergelenken gehalten und aufs Papier gedrückt. Genug Informationen aus den Vorträgen bekommt sie mit ihrer Technik nicht.

Ein Papier schiebt sich leicht unter ihres, auf dem der Anfang eines Gesprächs steht.

"Hast du schlimme Schmerzen?"

Irritiert schaut das Mädchen zu Arnim, der fälschlicherweise nach vorne blickt. Ihre verletzte Hand ruht abgestützt in der Luft, hält den Stift im Moment in der Linken.

"Geht dich nichts an", schreibt sie fast komplett unleserlich mit links, die als Schreibhand kein Stück ausgebildet ist. Sie ist und bleibt Rechtshänder.

"Es geht mich wohl was an, da ich dein Freund bin und dir helfen will. Du hast am Donnerstag geweint und ich habe dort nicht gesehen, dass du wegen der Hand weinst. Nun möchte ich dir helfen."

SeelenblüterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt