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„Hörst du mir zu? Du bist draan. Hallo!?"

Eine fremde Hand wedelt vor seinem Gesicht herum. In ihr befindet sich ein Controller. Arnim schaut über die Hand, die seinen Freund Farith gehört, hoch zu den fast schwarzen Augen von Farith. Er erkennt an das Funkeln und an die Mimik, dass sein Freund genervt ist, aufgrund der Verzögerung des Konsolenspiels. Doch bevor Arnim den Controller nehmen kann, nimmt der türkischstämmige Junge ihn wieder an sich und spielt weiter.

„Wo hast du bitteschön deine Gedanken? Seit Tagen bist du komisch, um genau zu sein seit Anfang der Woche. Am Dienstag ist es noch komischer geworden, fast so, als ob dich einer der Wölfe von Montag gebissen hätte."

Der letzte Satz witzelt sein Freund nur daher, jedoch kann und will der Junge mit dem besonderen Blut nicht darüber lachen. Lachen fällt ihm sichtlich schwer, nachdem Märyn am Montag in dieser Höhlenhalle ihm die Geschichte um seine Herkunft erzählt hat. Die Gedanken in den letzten Tagen drehen sich daher nur um Seelenblüter, Wölfe und Geheimnisse. Zu jeder Tageszeit konzentriert er sich um diese Dinge,die wichtigeren Dinge wie Schule, Freunde und Familie gehen unter. Wenn der Junge die Gedanken im Kopf wegscheuchen möchte, bekommt er schreckliche Kopfschmerzen.

Leider hören dann die Schmerzen im Kopf nicht so schnell auf, weshalb er lieber die Gedanken in Ruhe lässt.

Für ihn ist es wie verhext. Obwohl der Junge von selbst die Schmerzen nicht los wird, immer wenn er das Mädchen in die Augen schaut, verschwinden diese, kommen sogar eine Zeit lang nicht wieder. Erst dann kriegt er einen klaren Kopf für andere Alltagsdinge, aber im Gegenzug spielen seine Gefühle verrückt. Eine Gefühlsachterbahn statt Schmerzen fühlt man auch nicht jeden Tag.

Arnim wird es auf einmal sehr warm.

„Ist dir auch warm?", fragt er deshalb seinen Kumpel, der ihn trotz Musik und den Geräuschen des Spiels hören müsste. Und tatsächlich gibt er in einem patzigen Ton eine Antwort auf die Frage:

„Oh, der Herr will jetzt mit mir sprechen. Aber eigentlich habe ich was anderes erwartet."

„Man Farith, ich habe dir eine Frage gestellt. Ist dir auch so warm wie mir?"

„Tolle Frage, wenn man bedenkt, dass wir im Garten auf der Terrasse sitzen und der Himmel nur Regen fallen lässt. Es kann dir nicht warm sein,außer du wärst eine Frau. Aber die Sorte Frau, die sich ihren Arsch abfriert und nicht die andere Sorte, die bei einen Regenschauer im Bikini am Pool chillt. Und solche Wesen gibt es, glaub mir. Im Grunde sage ich mit den Beispielen, dass es angenehm frisch ist. Wenn dein Körper zu warm ist, dann stelle dich eine Runde in den Regen, sowas soll auch gut sein. Du bist komisch, habe ich..."

Plötzlich hört Arnim keinen Ton mehr von Farith, gleichwohl der Junge neben ihm die Lippen bewegt. Einmal einen Augenaufschlag gemacht, da sitzt der Türke nicht mehr an seinem Platz.

„Farith? Farith, wo bist? Das ist nicht lustig oder im Ansatz sinnvoll. Wenn du mich aufziehen willst wegen der beschissenen Wärmeregulierung meines Körpers, dann mach was anderes. Verschwinden ist bescheuert. Farith?"

Der Junge steht auf, schaut sich um. Der Regen, der gerade noch wie aus Eimern auf die Erde gefallen ist, hat aufgehört, dafür strahlt die Sonne. Die Temperatur ist wärmer geworden, wenn er darüber nachdenkt.

Im Garten fällt ihm auf, dass die Bäume merkwürdigerweise wie Herbstbäume aussehen. Rot, Gelb, Braun dominieren statt das Grün, was noch vor wenigen Minuten die Blätter der Bäume ihre Farbe gegeben haben. Dazwischen haben sich zwar auch Farben geblickt, doch nun sieht die Umgebung aus, als sei es ein goldener Oktobertag.

Auf dem Rasen liegen haufenweise Blätter, anstatt wie vorhin in Haufen am Rand geordnet zu sein. Arnim kann seinen Augen nicht trauen, weswegen er den Kopf heftig schüttelt. Solange, bis er Stimmen hinter sich hört.

SeelenblüterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt