Am nächsten Morgen wundern sich Farith und Jan, dass ihr Freund Arnim nicht wie sonst an einen Samstagmorgen an der Ecke wartet, sondern nicht auftaucht. Eine kleine Verspätung sei noch was anderes gewesen, aber er taucht selbst nach zehn Minuten überhaupt nicht auf. Ans Handy geht nur die Mailbox.
Die Freunde fragen sich, was passiert sein kann, denn gestern auf dem Schulhof hat ihnen Arnim versprochen zum Handball zu kommen. Bald steht ein wichtiges Match an und Arnims Torchancen sind bedeutend, wenn auch leicht angeschlagen wegen seiner neuen Flamme.
Schon seit geraumen Wochen flirtet nämlich Arnim mit keiner Faser seines Körpers der Mädchenmannschaft im Handball hinterher und dies ist mal einer der Highlights der Samstage der Jungs gewesen. Farith denkt immer noch, Arnim hat etwas mit der kleinen Neuen aus dem Training, die eine Ausbildung als Trainerin macht. Jan hat die leise Vermutung, es kann sich um Märyn handeln, doch sagt es nicht laut aus.
Da das Training in nicht einmal dreißig Minuten beginnt, laufen die zwei Jungs zu ihrem Freund nach Hause, klingeln Sturm. Mama Sommer macht im grünen Bademantel die Tür auf.
„Jungs, es ist kurz vor neun und jedermann in diesem Haus schläft oder ist wenigstens leiser als ihr."
Sie wirkt sehr verschlafen, genervt trifft es umso mehr.
„Entschuldigen sie, aber wissen sie wo wir ihren Sohn finden können. Am sonstigen Treffpunkt ist er nicht aufgetaucht, dabei hat er uns versprochen zu kommen", Jan wirkt leicht verzweifelt und hofft, sein Freund verschläft nur.
„T'schuldigung Jungs, aber Arnim hat heute nicht hier geschlafen. Wahrscheinlich ist er bei der Klassenkameradin eingeschlafen, bei der er Nachhilfe hat. Ich bin zwar neugierig, wer sie ist, aber die Freundin meines Sohnes lerne ich bestimmt irgendwann mal kennen."
Die gute Frau plappert vor sich hin, bemerkt jedoch nicht, dass sich die Mimik beider Jungs entgleist. Vermutung hin oder her, die Nachricht trifft beide tief, denn sie haben gedacht, das Mädchen besinnt sich und gibt Arnim aus ihren Klauen frei. Aber anscheinend ist Märyn mit dem jetzigen Verschwinden schuldig.
„Das Mädchen scheint wohl auch neu in der Stadt zu sein. Bestimmt ist es die neue Pflegetochter der Deitschs.
Oh, das arme Mädchen, wenn sie ganz fremd ist. Zum Glück verstehen sich Arnim und sie sehr gut, sonst..."
„Entschuldigen Sie die Unterbrechung, Frau Sommer", Farith unterbricht die in Redelaune gekommene Frau, „Aber das Training ruft. Davor wollen wir nochmal versuchen Arnim zu erreichen."
Geschwind verabschieden sich Jan und er höflich und rennen zurück zur Ecke, die der eigentliche Treffpunkt der Jungs ist. Dann sprechen beide fast gleichzeitig die Befürchtungen aus.
„Er ist bei Märyn!"
Jan schaut beklemmend auf sein Handy.
„Immer noch keine Nachricht von ihm. Was ist, wenn sie ihn gefangen genommen hat? Die Pflegeeltern sind bestimmt Auftragskiller."
„Ach, der Vorwurf gibt es seit Ewigkeiten. Aber vielleicht nehmen die wirklich Kinder auf, die entweder selber misshandelt oder andere Leute zu denen bringen, um die dann zu misshandeln. Die sind creepy."
„Echt. Und wenn die Arnim haben, dann haben wir ein Problem."
Als hätten sie eine Biene gestochen, rennen beide Jungs die Straße herunter zu der Nebenstraße, die zu den Pflegeeltern von Märyn führt. Ganz aus der Puste schellen und klopfen sie an der Tür. Gefühlt eine Ewigkeit später macht ein älterer Herr auf.
„Was habt ihr genommen, um so nervtötend am frühen Morgen zu sein? Wenn ihr nicht gleich von meinem Grundstück verschwindet, dann rufe ich die Polizei!", meckert der ältere Mann, der mindestens achtzig Jahre alt ist. Obwohl er furchteinflößend drein her blickt, traut sich Jan zu fragen.
„Wissen sie zufällig wo wir die Eltern von Märyn finden? Oder sind sie der neue Vater von..."
Der Mann unterbricht ihn barsch.
„Junge, geh ein Haus weiter und stör mich nicht, sonst rufe ich echt die Bullen."
Mit der Ansage knallt der Sprecher die Tür zu und schimpft dahinter lautstark über die undankbare Jugend von heute. Verdutzt sehen sich Jan und Farith an, bevor sie ein Haus weiter gehen und dort läuten.
Ein jüngerer Mann öffnet diesmal die Haustür und blickt fragend die Jugendlichen an.
„Entschuldigen Sie die frühe Störung, aber ist Märyn da?"
Unschuldig fragt dieses Mal der ausländische Junge den Mann, hofft beim richtigen Haus zu sein.
Der Herr lächelt entschuldigend die Jungs an.
„T'schuldigung, aber sie schläft noch. Sie ist erst sehr spät nach Hause gekommen und ich möchte sie ungern wecken. Doch ich kann ihr was ausrichten, wenn ihr wollt?"
„Ähm, nein, wir...Also wir wollen sie nur wegen...wegen..."
„Wegen Nachhilfe fragen. Wir haben gehört dass sie welche gibt. Arnim schwärmt von ihr", hilft Jan seinen Freund weiter. Zuerst wird der Blick von dem Erwachsenen leicht merkwürdig, jedoch fängt er sich schnell und antwortet daraufhin nur.
„Ach so, Nachhilfe. Ja, Arnim kommt manchmal her, häufig treffen sie sich allerdings woanders, da hier angeblich zu viel Krach sei. Ich kann es nicht nachvollziehen, denn die Babys von nebenan sind noch nicht zuhause und meine Frau ist eigentlich ruhig als Hausfrau. Egal, auf jeden Fall müsst ihr Märyn mal selber fragen, vielleicht in der Schule. Heute wird sie bestimmt länger schlafen und sie soll sich auch ausruhen mit der Hand. Sorry Jungs."
Märyn's Pflegevater geht einen Schritt nach hinten, greift seine Tasche und Jacke, um dann vor den Jungs zu treten. Er verschließt die Tür und geht zur Garage. Jan und Farith gucken ihn nach, doch sobald er mit dem Auto weg ist laufen sie Richtung Hauptstraße.
„Wenn sie erst spät nach Hause gekommen ist, muss irgendetwas passiert sein, dass sie aufgehalten hat."
Farith stoppt kurz.
„Glaubst du, die hat ihren angeblichen festen Freund Arnim umgebracht?"
„Bist du bescheuert?", Jan schaut ihn mürrisch an, gestikuliert wild mit seinen Händen, „Warum musst du vom schlimmsten ausgehen? Er lebt noch, da bin ich mir sicher, doch wir müssen ihn finden, bevor Märyn was mit ihm macht. Hoffen wir, dass wir sie auf frischer Tat ertappen, denn dann können wir damit rechnen, dass sie Hünxe verlassen muss."
„Sie muss eher ganz Deutschland verlassen, doch Hünxe ist ein Anfang. Doch wie machen wir das? Wir sind zu zweit und ich glaub Arnim verschwindet nicht freiwillig von ihrer Seite. Die hat ihn voll in ihrer Hand."
Farith pustet sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, demonstriert den Frust um die ganze Sache mit der Freundschaft des scheinbar ungleichen Paares. Beide scheinen nicht sehen zu wollen, welche Auswirkung ihr Plan, Arnim und Märyn zu trennen, haben wird. Ihr ist es nur wichtig ihren langjährigen Freund für sich wieder zu haben, das Interesse für das Wohl von Arnim oder gar von Märyn ist ihnen piepsegal.
„Wir müssen einen Plan entwickeln, das Training ruft aber. Sollen wir es danach machen?"
Farith nickt nur und sprintet die Straße entlang. Sein Freund hinterher. Die Entscheidung, das Mädchen, welches ihrer Meinung nach nie in einer Kleinstadt reinpassen wird loszuwerden, ist mit Verschwindendes fast erwachsenen Freundes größer als je zuvor. Und sie sind sich ziemlich sicher, dass bald wieder beim alten wird. Für sich natürlich.
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Seelenblüter
FantezieKennst du die Geschichten, die von Menschen mit vermischten Blut erzählen? Wo das vermischte Blut besondere Fähigkeiten den Menschen geben? In wessen die Menschen mit besonderem Blut sich in Kreaturen namens Werwölfe verwandeln? Ja?! Na dann...